Eine Pandemie verändert die Welt. Walter Swoboda

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Eine Pandemie verändert die Welt - Walter Swoboda

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      Im aktuellen Fall versuchen wir es mit einer Kombination der ersten beiden Möglichkeiten (Verhaltensänderung und Impfung). Allerdings ist sicher, dass uns die aktuelle Pandemie noch einige Zeit beschäftigen wird, denn durch die weltweite Verbreitung und der kaum schnell genug durchführbaren Immunisierung aller Menschen werden sich immer wieder Mutationen bilden. Die führen dann zu lokalen Ausbrüchen mit partieller Resistenz. Sogar wenn einzelne Länder die gesamte eigene Bevölkerung durch Impfung immunisieren: Die Gefahr des Einschleppens einer neuen Variante bleibt. Durch die hohe Anzahl von Infizierten wird auch eine große Anzahl von Viren erzeugt. Jede „Herstellung“ eines Virenkörpers bedingt die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung oder Mutation. Die weitaus meisten Mutanten werden sich als nicht erfolgreich herausstellen – ihre Linie stirbt schnell ab. Aber eine kleine Anzahl wird sich behaupten und ist eventuell gegen Impfungen oder andere Gegenmaßnahmen unempfindlicher.

      Die Bedrohung durch Epidemien ist nicht zu unterschätzen, andererseits traten auch in der Vergangenheit immer wieder Gefahren auf, die mit Hilfe von Innovationen oder Entdeckungen überwunden wurden: Städte wurden gebaut, um sicher vor Feinden zu sein. Ackerbau wurde eingeführt, um die Menschen in den Städten zu ernähren. Die Einführung der Kanalisation half, die Besiedlungsdichte weiter zu steigern. Die industriellen RevolutionenIndustrielle Revolution (Mechanisierung, Massenfertigung, Automation) erhöhten die Effizienz der Produktion von Mitteln des täglichen Bedarfs und schafften damit zusätzliche Freiräume. Aber jeder Fortschritt hat seinen Preis; jede einzelne Innovation hat auch gesundheitliche, soziale oder gesellschaftliche Folgen.

       Wissen | Entwicklung

      Der Bau von Städten war einschneidend. Um die Menschen auf kleinsten Raum zu ernähren, wurde der Ackerbau etabliert. Die resultierende Nahrung auf Basis weniger Nutzpflanzen war aber in vielerlei Hinsicht wesentlich einseitiger als die der ursprünglichen Jäger und Sammler. Skelettfunde zeigen, dass die ersten Bauern sich eher ungesund ernährten und die durchschnittliche Körpergröße abnahm. Die Menschen wurden von Umwelteinflüssen abhängiger, da der Ertrag der Ackerwirtschaft davon abhing.3 Auch entstanden neue Krankheiten wie Karies, die durch den Abbau von pflanzlicher Stärke im Mundraum entsteht. Sie ist heute die Erkrankung mit der höchsten Erkrankungsrate (Prävalenz) weltweit.

      Innovationen verändern nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das individuelle Denken. Jede Entdeckung oder Erfindung hat das Potenzial, einen Paradigmenwechsel4 zu erwirken.

       Wissen | Paradigmenwechs elParadigmenwechsel

      Nikolaus Kopernikus hat mit seinem Buch „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären“) einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Er widersprach der bis dahin geltenden Lehrmeinung, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums ist. Künftig bezog sich die Astronomie in ihren Darlegungen nicht mehr auf religiöse Thesen, sondern auf naturwissenschaftlich begründeten Schlussfolgerungen. Die kopernikanische Deutung setzte sich aber nicht etwa dadurch durch, weil entsprechende Diskussionen geführt und gewonnen wurden. Vielmehr führte technologische Innovation des Fernrohrs zu Erkenntnissen (Bewegung der Jupitermonde), die nicht mit dem traditionellen Paradigma in Einklang zu bringen waren. In der Folge entstand eine neue ‚Wissenschaftsschule‘, der sich immer mehr Astronomen anschlossen. Heute ist die Beobachtung von Erscheinungen über Licht und nicht sichtbare Wellen in der Astronomie ein etabliertes Verfahren, das nicht wegzudenken ist.

      Innovationen sind die Treiber wissenschaftlicher Revolutionen. Sie entstehen durch Anwendung neuer technologischer Möglichkeiten, weshalb sie häufig von Erfindern und Entdeckern initiiert wurden wie Josef von Fraunhofer und Konrad Wilhelm Röntgen. Allerdings kommen Innovationen nicht unbedingt gleich dann zum Einsatz, wenn sie verfügbar sind, sondern häufig erst, wenn sie preiswert verfügbar sind und so eine gewisse Verbreitung erlangen. So wurde die Lokomotive erst über 100 Jahre nach der Erfindung der Dampfmaschine gebaut, denn die Technik benötigte Zeit, um halbwegs sicher und vor allem bezahlbar zu sein. Das gilt auch für die Computertechnologie. Die technische Entwicklung war in der Mitte des letzten Jahrhunderts bereits weit fortgeschritten: Konrad Zuse baute schon 1937 den ersten frei programmierbaren Rechner und John von Neumann veröffentlichte 1945 die noch heute gültigen Normen für Computerarchitekturen. Durchsetzen konnte sich die neue Technik aber erst, nachdem die Firma Intel es schaffte, die wesentlichen Bestandteile eines Computers auf einem integrierten Baustein unterzubringen. Damit wurden Computer unglaublich preiswert, was es vielen Menschen ermöglichte, sich so ein Stück Technik zu kaufen. Die Mikrocomputer verbreiteten sich rasch; heute sind sie in praktisch allen Bereichen des menschlichen Lebens im Einsatz; wir nennen dieses Phänomen Digitalisierung.

      Manchmal werden Innovationen behindert, weil es ein gesellschaftliches AkzeptanzproblemAkzeptanzproblem gibt. Frühe Anatomen hatten die größten Schwierigkeiten, wenn sie ihrer Forschung nachgingen; das Eröffnen von Leichen stand unter Androhung drastischer Strafen; Claudius Galen von Pergamon führt deshalb nur Sektionen an Tierleichen durch und noch Leonardo da Vinci war gezwungen, heimlich zu arbeiten.

      Bei der Überwindung solcher Widerstände sind externe Auslöser entscheidend. So war die schwarze Pest ein wichtiger Wegbereiter der Renaissance, die das Mittelalter beendete. Das Vertrauen in die göttliche Ordnung wurde durch diese Erkrankung, die als unausweichlich galt, empfindlich gestört. Es trat eine Spaltung ein: Der eine Teil der Bevölkerung verharrte in tiefer Frömmigkeit, während sich der andere Teil auf eine diesseitsbezogene Lebenshaltung einstellte. Letztlich konnte sich eine neue humanistische Haltung durchsetzen, da sie in Theorie und Praxis vollständiger nutzbar war.

       Wissen | Innovation und Kritik

      1825 ließ der Engländer George Stephensen die erste Dampflok zwischen Stockton und Darlington verkehren. Das neue Fortbewegungsmittel erreichte 8 Stundenkilometer, war also nicht schneller als bis dahin bekannte Transportmittel. Trotzdem traten Kritiker auf, die aufführten, dass der Qualm das Vieh vergiften und Lungenentzündungen hervorrufen könne. Das hohe Tempo muss, so wurde vermutet, zu Hirnverwirrungen führen, da es der menschliche Geist nicht vermag, so schnellen Ortswechseln zu folgen.

      COVID-19 hat das Potenzial, die Gesellschaft ebenso nachhaltig zu verändern. Wir benötigen Innovationen, um der Gefahrenlage zu begegnen. Zwei davon sind bereits im Einsatz:

       Digitale Kontaktdatenverfolgung (DigitalisierungDigitalisierung)

       Immunisierung mit genbasierenden Impfstoffen (GentechnisierungGentechnisierung)

      Kontaktdatenverfolgung ermöglicht es, Infektionsherde klein zu halten, da bei einem Ausbruch einer Erkrankung schnell alle Personen gefunden werden können, die mit initial Infizierten Kontakt hatten. Durch Isolierung wird dann eine weitere Ausbreitung verhindert.

       Wissen | Taiwan

      Taiwan konnte durch konsequente Anwendung digitaler Technik die Pandemie eindämmen.5 Es wurden Datenbanken der nationalen Gesundheitsdienste, der Einreisebehörde und des stattlichen Melderegisters zusammengefügt. Durch Einsatz eines computerbasierten Überwachungssystems auf Basis von Mobiltelefonen lassen sich lokale Infektionen schnell und effektiv nachverfolgen; entsprechende Maßnahmen können zeitnah eingeleitet werden.

      Bei der ImpfungImpfung gegen das Coronavirus werden auch klassische Impfstoffe verwendet. Bei diesen werden Bestandteile eines Erregers, die für sich genommen nicht infektiös sind, in den Körper verbracht; damit wird eine entsprechende Immunreaktion ausgelöst. Im Falle einer tatsächlichen Infektion verfügt der Geimpfte gleich zu Beginn über ein trainiertes Immunsystem, das eine Erkrankung effektiv verhindert. Der Einsatz von Gentechnik ermöglicht ein fortschrittlicheres Verfahren: Nicht mehr Teile des Erregers werden gespritzt,

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