Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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und das langsam lächelte. Rindfleisch schob immerfort über dem Magen die Finger ineinander, löste sie und steckte sie wieder zusammen.

      »Aber das ist es andererseits freilich nicht, weshalb ich komme«, erklärte Unrat.

      »Herr Professor, Nabend, Herr Professor«, sagte die Frau von der Schwelle her und knickste. »Was stehst du da in 'n Schummern mit Herrn Professor, Johannes, laß ihm doch rein. Herr Professor, wenn Sie es man nich übelnehmen, daß wir uns' Mettwuß essen.«

      »Das liegt mir ganz und gar fern, gute Frau.«

      Unrat entschloß sich zu einem Opfer.

      »Meister Rindfleisch, ich unterbreche ungern Ihr Mahl, aber ich ging grade vorbei, und da kam mir der Gedanke, daß Sie mir – aufgemerkt nun also! – ein Paar Stiefel anmessen sollen.«

      »Zu dienen, Herr Professor«, und die Frau knickste, »zu dienen.«

      Rindfleisch bedachte sich; dann verlangte er die Lampe.

      »Denn sitten wi jä all in 'n Dustern bi 'n Eeten«, bemerkte die Frau heiter. »Nöh, Herr Professor, kommen Sie man rein, ich mach Licht für Ihnen in der blauen Stube.«

      Sie ging voran in einen Raum, wo es kalt war, und zündete Unrat zu Ehren die beiden unversehrten rosa Kerzen an, die sich über ihren krausen Manschetten und flankiert von zwei großen Muscheln im Trumeau spiegelten. An den kraßblauen Wänden verweilten in sonntäglicher Haltung Großvatermöbel aus Mahagoni. Auf der gehäkelten Decke des Sofatisches breitete ein segnender Christus seine Biskuitarme aus.

      Unrat wartete, bis Frau Rindfleisch hinaus war. Als er den Schuhmacher hinter geschlossener Tür und recht in seiner Gewalt hatte, setzte er ein.

      »Vorwärts denn also, Meister, jetzt heißt es zeigen, daß Sie, der Sie einige kleinere Arbeiten zur Zufriedenheit des Leh – zu meiner Zufriedenheit bewerkstelligten, auch ein recht braves Paar Stiefel schaffen können.«

      »O ja, Herr Professor, o-o-oh ja«, erwiderte Rindfleisch demütig und beflissen wie ein Primus.

      »Mag ich immerhin schon im Besitz zweier Paare sein, so kann bei der jetzt vorwaltenden Nässe doch niemand sich genugtun an guter, warmer Fußbekleidung.«

      Rindfleisch kniete und maß. Er hatte den Bleistift zwischen den Zähnen und grunzte nur.

      »Andererseits ist dies die Jahreszeit, die gewöhnlich etwas Neues in die Stadt bringt, ein wenig – sicherlich doch – geistige Erholung. Die ist es denn wohl auch, die dem Menschen not tut.«

      Rindfleisch sah auf.

      »Sagen Sie das man noch mal, Herr Professor. Jajajah, die tuhet dem Menschen not. Und das weiß unsere Brüdergemeihende auch.«

      »Soso«, machte Unrat. »Aber ich denke an den Besuch ausgezeichneter, unter den Menschen hervorragender Persönlichkeiten.«

      »Da denk ich auch an, Herr Professor, und da denkt auch die Gemeihende an und versammelet uns Brüder am morgigen Abende zum Gebet mit einem berühmten Missionar. Ja, o jah.«

      Unrat fand es schwierig, zu Künstlerin Fröhlich zu gelangen. Er suchte eine Weile, und als er keinen Umweg mehr fand, ging er gradaus.

      »Auch in der Gesellschaft für Gemeinsinn zeigt sich uns nächstens – immer mal wieder – eine Berühmtheit. Eine Künstlerin – Sie werden ja, so gut wie jedermann, von ihr gehört haben, Meister.«

      Rindfleisch schwieg, und Unrat wartete mit Leidenschaft. Er war überzeugt, was er brauchte, steckte in dem Menschen zu seinen Füßen, und es liege nur an ihm, es herauszuziehen. Die Künstlerin Fröhlich hatte in der Zeitung gestanden, war im Lehrerzimmer besprochen worden, hing im Fenster bei Kellner. Die ganze Stadt wußte Bescheid über sie, außer Unrat. Jeder andere hatte mehr Weitläufigkeit und Personenkenntnis als Unrat: er lebte, ohne daß er's selber wußte, tief in dieser Vorstellung; und er wandte sich mit vollem Vertrauen an einen herrnhutischen Schuster um Auskunft über eine Tänzerin.

      »Sie tanzt, Meister. In der Gesellschaft für Gemeinsinn tanzt sie. Ei, da werden nun die Leute hinlaufen.«

      Rindfleisch nickte.

      »Die Leute machen es sich woll nich klar, Herr Professor, wo sie hinlaufen«, sagte er gedämpft und bedeutungsvoll.

      »Sie tanzt ja barfuß, das ist doch eine seltsame Fertigkeit, Meister.«

      Unrat wußte nicht, wie er den Mann noch anfeuern solle.

      »Denken Sie nur: barfuß!«

      »Barfuß«, wiederholte der Schuster. »O-o-oh! Also tanzeten auch die Weiber der Amalekiter, die vor dem Götzen tanzeten.«

      Und er stieß ein leeres Gelächter aus, nur aus Demut, weil er, der ungelehrte Mann, sich mit Worten der Schrift zu schmücken wagte.

      Unrat rückte gepeinigt hin und her wie bei der Übersetzung eines Schülers, der stockte und gleich festzusitzen drohte. Er hieb mit den Knöcheln auf die Stuhllehne und sprang auf.

      »So lassen Sie's nun gut sein mit dem Maßnehmen, Meister, und sagen Sie mir – vorwärts denn also! –, ob die Barfußtänzerin Fröhlich schon eingetroffen ist! Das sollten Sie wohl wissen!«

      »Ich, Herr Professor?« Und Rindfleisch stand bestürzt, »ich – eine Tänzerin?«

      »Dadurch werden Sie auch nicht schlechter«, behauptete Unrat ungeduldig.

      »O-o-oh, ferne von mir sei der geistige Hochmut und die Selbstgerechtigkeit. Und Liebe im Herrn, Herr Professor, will ich denn auch haben für meine barfüßige Schwester, o jah, und will bitten, daß der Herr an ihr tuhe, was er an der Sünderin Magdalena getan hat.«

      »Sünderin?« fragte Unrat überlegen. »Warum halten Sie denn die Künstlerin Fröhlich für eine Sünderin?«

      Der Schuhmacher blickte keusch auf den geölten Fußboden.

      »Ei ja«, versetzte Unrat, immer unzufriedener mit dem Meister, »wenn Ihre Frau oder Ihre Tochter einen Lebenswandel beginnen wollten wie eine Künstlerin, das stände ihnen – freilich denn wohl – nicht an. Hingegen gibt es Lebenskreise und Sittengesetze: – doch mag's denn genug sein.«

      Und er machte eine Handbewegung, die sagte, daß hier ein Gegenstand in Tertia berührt ward, der höchstens nach Prima gehörte.

      »Auch mein Weib ist eine Sünderin«, sagte der Schuster leise, schob die Finger über dem Magen durcheinander und sah auf, mit einem Bekennerblick.

      »Und ich selbsten muß sprechen: Herr Herre. Denn Fleischessünder sind wir allzumal.«

      Nun erstaunte Unrat.

      »Sie und Ihre Frau? Sie sind doch rechtmäßig verheiratet?«

      »O-o-oh jah, das sind wir woll. Aber Fleischessünde, Herr Professor, bleibt es immerdar, und Gott erlaubt es auch nuhr ...«

      Der Herrnhuter richtete sich auf zu etwas Wichtigem.

      Seine Augen wurden rund und ganz bleich von

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