Meteorologie. Hans Häckel
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2.2.2Verdunstung
Obwohl der Begriff „Verdunstung“ physikalisch sehr einfach als die Überführung von flüssigem Wasser in gasförmigen Wasserdampf definiert ist, stellen sich doch immer wieder Verständigungsschwierigkeiten ein. Es scheint daher ratsam, die Begriffe vorab zu klären.
Begriffsbestimmungen und Rechenverfahren
Verdunstet Wasser an einer Oberfläche ohne Mitwirkung eines lebenden Wesens etwa an einer Seeoberfläche, einem Hausdach oder am unbewachsenen Boden, so spricht man von Evaporation. Wird dagegen Wasser unter dem Einfluss aktiver Lebensvorgänge verdunstet, so nennt man das Transpiration. Dazu gehört die Verdunstung an Pflanzenblättern oder des Schwitzwassers vom Menschen und verschiedenen Tieren.
Ist der Boden bewachsen, so laufen beide Vorgänge nebeneinander ab. Man spricht dann von Evapotranspiration. Sie ist gemeint, wenn hier kurz von „Verdunstung“ gesprochen wird.
Erste und offensichtliche Voraussetzung für die Verdunstung ist das Vorhandensein von flüssigem oder festem Wasser in geeigneter Form. Geeignete Form bedeutet, dass das Wasser nicht etwa chemisch oder anderweitig gebunden sein darf. Verdunstung verlangt zweitens die Zufuhr von Energie. Diese kann entweder von der Strahlung geliefert oder aus dem Wärmevorrat von Luft, Boden oder Gewässern entnommen werden. Steht genügend Energie zur Verfügung, geht die Verdunstung schnell vor sich, wird sie dagegen nur im beschränkten Maße bereitgestellt, so erfolgt die Verdunstung langsam. Stellen wir einen Topf mit Wasser auf den Tisch, so verdunstet sein Inhalt ungleich langsamer, als wenn wir ihn auf die heiße Herdplatte setzen. Auch die Tatsache, dass im Winter im Freien weniger Wasser verdunstet als im Sommer, liegt an der mangelnden Energie.
Drittens ist für die Verdunstung notwendig, dass die Luft in der Lage ist, den Wasserdampf aufzunehmen, d. h., sie darf nicht feuchtegesättigt sein. Es gibt jedoch Ausnahmen, auf die hier aber nicht eingegangen werden kann. 76
Mathematik und Physik
Damit Verdunstung stattfindet, sind erforderlich:
Wasser;
Energie;
Luft, die den entstehenden Wasserdampf aufnehmen, und Wind, der ihn wegführen kann.
Um die Abhängigkeit der Verdunstung von den meteorologischen Bedingungen verstehen zu lernen, stellen wir uns, wie in Abbildung 2.13 gezeigt wird, eine ebene Fläche vor, die im Bereich AB nass, im Übrigen aber trocken sein soll. Die Luft oberhalb der Fläche sei in der Lage, Wasserdampf aufzunehmen. Sie werde durch gedachte Trennwände in Pakete gleicher Breite zerteilt. Wie leicht einzusehen ist, wird jetzt im Bereich AB Wasser verdunsten und als Wasserdampf in den Raum ABB’A’ übertreten. In den Bereichen BC und CD dagegen kann, da kein Wasser vorhanden ist, auch keine Verdunstung erfolgen.
Wie wir wissen, kann Luft nur immer eine bestimmte maximale Wasserdampfmenge aufnehmen. Das bedeutet, dass nach einer gewissen Zeit auch von der Fläche AB aus keine Verdunstung mehr erfolgen wird, weil der darüber befindliche Raum wasserdampfgesättigt ist. Denkt man sich jetzt die Luftpakete so weit nach links verschoben, dass das Volumen BCC’B’ über die nasse Oberfläche zu liegen kommt, so setzt erneut Verdunstung ein, bis auch dieser Raum gesättigt ist. Dann denken wir uns CDD’C’ darübergeschoben und so fort.
An der nassen Oberfläche wird umso mehr Wasser verdunsten, je öfter wir ein neues, trockenes Luftvolumen darüberschieben. Stellen wir uns jetzt den beschriebenen Vorgang nicht mehr in diskreten Schritten ablaufend vor, sondern kontinuierlich, so stellt diese Verschiebung von Luftpaketen eigentlich nichts anderes dar als eine Luftbewegung oder anders ausgedrückt einen Wind. Wir ersehen daraus, dass die Verdunstung von der Windgeschwindigkeit abhängen wird, und zwar in dem Sinn, dass sie mit steigender Windgeschwindigkeit wächst.
Eine Reihe von Vorgängen aus dem täglichen Leben sind Beispiele für diesen Zusammenhang. Blasen wir nicht die Suppe, wenn sie zu heiß ist? Dabei nimmt die Verdunstung zu und es steigt der Bedarf an Verdunstungsenergie, die der Suppe entnommen wird und so zur Abkühlung führt. Jede Hausfrau (und natürlich auch jeder Hausmann) weiß, dass Wäsche an einem windigen Tag schneller trocknet als an einem windstillen. Beschlagene Schaufensterscheiben werden klar, wenn man sie dem Wind eines Ventilators aussetzt. Ein mit Tinte beschriebenes Stück Papier trocknet schneller, wenn wir es in der Luft schwenken. Bei Händetrocknern mit entsprechend starkem Gebläse kann man sogar auf das Erwärmen der Luft verzichten. Und schließlich wissen wir alle, welche Wohltat es ist, wenn an einem heißen Sommertag ein sanfter Wind den schweißbedeckten Körper kühlt.
Mathematik und Physik
Der Windeinfluss auf die Verdunstung ist hier sehr stark vereinfacht dargestellt. Die exakten physikalischen Zusammenhänge können erst im Rahmen der Grenzschichttheorie (→ Kap. 7.7.2, S. 295) erläutert werden.
Wind alleine aber ist es noch nicht, was die Verdunstung in Gang setzt. Wären alle Luftpakete der Abbildung 2.13 wasserdampfgesättigt, so könnte keine Verdunstung stattfinden, wie oft wir sie auch auswechseln. Wir brauchen, wie schon gesagt wurde, Luft, die den Wasserdampf aufneh 77 men kann. Je größer die Differenz zwischen dem Dampfdruck der Luft und dem Sättigungsdampfdruck des flüssigen Wassers ist, desto intensiver wird die Verdunstung.
Abb. 2.13 Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen der Verdunstung und der Windgeschwindigkeit (Erläuterungen im Text).
Auch diese Feststellung lässt sich wieder mit Erfahrungen aus dem täglichen Leben belegen. In einem engen, dämpfigen Badezimmer trocknet die Wäsche langsamer als auf einem luftigen, hohen Dachboden. Die feuchte Luft der Sauna wirkt schweißtreibend, weil sie das ausgeschwitzte Wasser nicht aufnehmen kann. Schließlich ist der Durst an einem trockenen Tag erfahrungsgemäß größer als an einem feuchten, weil die trockene Luft unserer Lunge mehr Wasser entzieht.
Zusammenfassend gilt: Die Verdunstungsrate (gemeint ist damit die pro Fläche und Zeit verdunstete Wassermenge) ist umso größer, je mehr Wasser und je mehr Energie vorhanden sind, je größer das Sättigungsdefizit der Luft und je höher die Windgeschwindigkeit sind.
Aus dem Alltag
Als Musterbeispiel zur Optimierung der Verdunstung gilt der Fön, mit dem wir nach der Haarwäsche die Haare trocknen. Im Fön wird kräftig erwärmte Luft mit hoher Geschwindigkeit ausgeblasen. Infolge der Erwärmung geht die relative Feuchte der Luft stark zurück. Das bedeutet: Es bildet sich ein erhebliches Sättigungsdefizit (E – e) aus. Gleichzeitig bringt die warme Luft aber auch die benötigte Verdunstungsenergie mit. Die hohe Strömungsgeschwindigkeit schließlich sorgt für einen schnellen Nachschub an trockener Luft. Händetrockner arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Bei den unbeheizten Modellen muss die geringere Wasserdampf-Aufnahmefähigkeit der Luft durch eine höhere Strömungsgeschwindigkeit kompensiert werden.
Die Verdunstung kann man messen. Welche Verfahren