Ich bin so wie ich bin. Dominic Müller

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Ich bin so wie ich bin - Dominic Müller

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hätte, wären mir auch andere auffällige Verhaltensweisen von ihm eher bewusst geworden. Er stopfte sich alles in den Mund – angefangen von Blumenerde, über Hydrokugeln, Styroporkugeln vom Kinderstaubsauger, Sand bis hin zu Steinen – einfach alles, was er so finden konnte. Auffallend war auch sein Zehenspitzengang, sobald er richtig laufen konnte. Das tat er auch erst mit fünfzehn Monaten. Er schlürfte tagelang Meerwasser, bis er Durchfall bekam. Spazierte am Strand tagelang hin und her. Wenn der Fernseher lief, ging er mit dem Gesicht ganz nah an den Bildschirm ran. Er kniete am Salontisch und bewegte sein Spielzeugauto hin und her, völlig konzentriert auf die sich drehenden Räder. Manchmal, wenn es an der Haustür klingelte und Dominic die Person sah, warf er sich rückwärts zu Boden und klopfte mit seinem Schädel auf den Untergrund. Beruhigen konnte man ihn in dieser Situation sehr schlecht. Sprachlich kommunizierte er einzelne Wörter wie Mama, Papa, ogi, ugi, agi und acht. Das fiel aber nach kurzer Zeit wieder weg.

      Aufgrund unserer Vermutung, dass unser Sohn nicht hören könnte, nahmen wir Kontakt mit dem Kinderarzt auf, der uns einen Termin bei einer Psychologin im Kinderspital Bern vermittelte. Er meinte, dass es auch eine Entwicklungsverzögerung sein könnte. Jungs seien ja manchmal etwas später als das weibliche Geschlecht. In Bern wurde die Psychologin jedoch auch nicht fündig und es wurde ein Hörtest gemacht. Dominic reagierte dabei auch nicht großartig, und der Professor tadelte uns, dass man das als Eltern eigentlich schon früher hätte merken müssen. Dominic wurde dann ein Schlafsirup verabreicht und daraufhin an ein Messgerät angeschlossen, das attestierte, dass Dominic zu hundert Prozent hörte. Das Schlussgespräch blieb der Arzt uns bis heute schuldig.

      Da jetzt guter Rat teuer war und man nicht wusste, was los war, verschrieb die Psychologin für Dominic Früherziehung. Dabei kommt eine Fachperson zu dem Kind nach Hause und versucht spielerisch herauszufinden, wo die Ursache liegen könnte. Bei Dominic zeigte diese Maßnahme wenig bis keinen Erfolg. Vielmals zog die Frau entmutigt von dannen, bis sie eines Tages, Dominic war inzwischen zweieinhalb Jahre alt, den Ausdruck Autismus fallen ließ und die Vermutung in den Raum stellte, dass unser Sohn eventuell solche Züge haben könnte. Ich wurde aufmerksam, denn endlich gab es einen konkreten Verdacht, und erkundigte mich daraufhin in einer Buchhandlung, wo mir ein Autismus-Ratgeber empfohlen wurde. Auf einer Seite waren zehn Verhaltensweisen angegeben, die auf ein autistisches Verhalten hindeuteten. Ich konnte acht von zehn Übereinstimmungen finden und meldete mich daraufhin beim Kinderarzt mit meinem Verdacht. Er konnte mir aber diese Vermutung nicht bestätigen, mit den Worten, dass er sich mit Autismus gar nicht auskenne.

      Ich erzählte meiner Freundin von meiner Vermutung, und wie es der Zufall oder das Schicksal manchmal so will, war sie gerade in Behandlung bei ihrem Hausarzt. Wie sie wusste, hatte er zwei autistische Brüder. Sie fragte ihn, ob er sich Dominic mal anschauen würde.

      Er nahm sich die Zeit, und Dominic hüpfte im Behandlungszimmer auf Zehenspitzen auf und ab, gab dabei unartikulierte Laute von sich. Nach fünf Minuten Beobachtung war es für den Arzt klar: Dominic zeigte deutliche Anzeichen für Autismus! Eigentlich wollte ich diese Diagnose nicht hören und doch war ich im ersten Moment froh, endlich Klarheit zu haben. So konnte er auch bei der Invalidenversicherung (IV) angemeldet werden. Dominic war jetzt fast drei Jahre alt. Autismus war vor zwanzig Jahren für viele noch ein Fremdwort. Glücklicherweise hat sich das Wissen um die Krankheit bis in die heutige Zeit massiv verbessert.

      Was ist Autismus

      (Cordilia Derungs)

      Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler prägte den Begriff Autismus um 1911 im Rahmen seiner Forschungen zur Schizophrenie. Er bezog ihn ursprünglich zunächst nur auf diese Erkrankung und wollte damit eines ihrer Grundsymptome beschreiben – die Zurückgezogenheit in eine innere Gedankenwelt. Bleuler verstand unter Autismus „die Loslösung von der Wirklichkeit zusammen mit dem relativen oder absoluten Überwiegen des Binnenlebens“.

      Der Psychoanalytiker Sigmund Freud beschäftigte sich etwa zur selben Zeit mit den Begriffen „Autismus“ und „autistisch“ von Bleuler und setzte sie mit „Narzissmus“ bzw. „narzisstisch“ gleich – als Gegensatz zu „sozial“.

      Die Begriffsbedeutung wandelte sich mit der Zeit von „dem Leben in einer eigenen Gedanken- und Vorstellungswelt“ hin zu „Selbstbezogenheit“ in einem allgemeinen Sinn.

      Hans Asperger und Leo Kanner nahmen den Autismusbegriff dann 1943 und 1944 auf. Sie sahen in ihm aber nicht mehr nur ein einzelnes Symptom wie Bleuler, sondern versuchten damit gleich ein ganzes Störungsbild eigener Art zu erfassen. Sie unterschieden dabei Menschen mit Schizophrenie, die sich aktiv in ihr Inneres zurückziehen, von jenen, die von Geburt an in einem Zustand der inneren Zurückgezogenheit leben. Letzteres definierte nunmehr den Begriff „Autismus“.

      Grundlagenforschung

      In der Forschung werden verschiedene mögliche Ursachen oder Auslöser von Autismus untersucht. Genetische Faktoren, Spiegelneuronen, Abweichungen im Verdauungstrakt, Vermännlichung des Gehirns, atypische Konnektivität (atypischer Informationsfluss im Gehirn), Umwelt und mögliche kombinierte Faktoren.

      Es gibt nach wie vor mehr Fragen als Antworten in der Autismusforschung.

      Die Ausprägungen von Autismus umfassen ein breites Spektrum. Manche Eltern, Bezugspersonen oder „Fachleute“ wünschen sich eine „Heilung“ einer starken Ausprägung des Autismus. Viele Erwachsene mit leichter Ausprägung des Autismus haben gelernt, mit ihren autistischen Eigenarten zurechtzukommen. Sie wünschen sich oft die Akzeptanz durch ihre Mitmenschen. Auch sehen sie Autismus nicht als etwas von ihnen Getrenntes, sondern als integralen Bestandteil ihrer Persönlichkeit.

      Dominic und der Autismus

      Dominic ist das mittlere von drei Kindern. Die Schwangerschaft sei problemlos gelaufen, er ist in der 40. Woche zur Welt gekommen. Die Geburt gestaltete sich als sehr schwierig, da Dominic mit den Achseln im Geburtskanal hängen geblieben sei. Als er 10 Monate alt war, fiel der Mutter auf, dass mit Dominic etwas nicht stimmte. Nach mehreren Untersuchungen und eingeleiteter Früherziehung wurde im Jahre 1998 die Diagnose frühkindlicher Autismus gestellt.

      Erstbegegnung am 25.9.2000 im Alter von 6 Jahren

      Dominic kommt ins Untersuchungszimmer, schaut sich um, entdeckt 2 Autos und hält sich an diesen fest. Er begrüßt mich nicht, er schaut mich nicht an, er bleibt auf Distanz. Beim Seifenblasenmachen ist er bereit, sich zu beteiligen. Es gelingt ihm nicht, gezielt Seifenblasen zu produzieren. Seine Frustrationstoleranz ist sehr klein, und er ist nicht bereit, sich von mir helfen zu lassen. Dominic läuft weg. Danach ist es nur mit großer Anstrengung möglich, ihn nochmals für einige Tätigkeiten zu motivieren. Die Anwesenheit der Eltern beruhigt ihn und ich kann mit viel Vorsicht eine Teilaufmerksamkeit gewinnen.

      Dominic ist Rechtshänder. Er ist bereit, verschiedene Materialien anzufassen. Er kann mit Farb- und Malstift umgehen, wobei die Kraftdosierung schwach ist. Dominic kann bei einem geometrischen Formenbrett die Formen problemlos zuordnen. Größen und Farben bereiten ihm keine Schwierigkeiten. Ein vierteiliges Puzzle kann er mit wenig Hilfe zusammensetzen. Seine Hand-Hand- und Hand-Augen-Koordination ist bei diesen Aufgaben angepasst. Dominic kann einen Ball fangen, ist aber nicht bereit, mir

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