Der Kopf. Heinrich Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kopf - Heinrich Mann страница 15

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Kopf - Heinrich Mann

Скачать книгу

was vorging mit Pilz und Lannas, er malte es aus. Die Dinge wuchsen, ihm selbst leuchtete es plötzlich ein, sie seien weiterzuführen. »Du wirst es sehen heute Abend, die Harmlosigkeit der braven Leute hat etwas Beschämendes, sie machen es uns zu leicht. Wozu ist man mit allen Wassern gewaschen.« Ihr am Ohr: »Der Parfümeur Pilz, dem der Mund nach Dir wässert, ist völlig der Mann, sich jahrelang von Dir an der Nase herumführen zu lassen. Inzwischen sind unsere Geschäfte besorgt« – böse auflachend, und sie lachte mit, ihr Bühnenlachen. Sie wechselte die Stellung und wartete, den Kopf im Nacken, auf ihr Stichwort.

      Statt es ihr zu geben, setzte er sich in das Sopha. Er schwieg, bis sie wieder neben ihm saß.

      »Haben wir dies alles nicht schon als Kinder erlebt?«

      »Du meinst die Tanzstunde.«

      »Ich verriet dem kleinen Wolf Mangolf, daß Du mit ihm zu tanzen wünschtest. Darauf schämtest Du Dich furchtbar.«

      Die Schwester schien sich noch heute zu schämen. Der Bruder sagte: »Unser Haus haben sie niedergerissen. Ob wenigstens im Garten noch die Bank steht?«

      »Auf der Bank lasest Du mir das Märchen von den roten Schuhen vor. Ich fürchtete mich vor ihnen. Noch jetzt, manchmal, wenn ich nicht weiß, wohin es kommen soll, denke ich, daß ich an den Füßen die roten Schuhe habe, die immer weiter tanzen.«

      Da klopfte es. Ihre Hände, die ineinander lagen, trennten sich.

      Kurschmied war es. Er begrüßte die Kollegin mit einer gewissen Abgeklärtheit, in die er Spuren des inzwischen Durchgekämpften hineinlegte, den Bruder aber mit fühlbarem Abstand. Er kam von ihrem gemeinsamen Freunde Mangolf, um sie zu einer kleinen Wiedersehensfeier abzuholen. Mangolf habe es sich nur schwer versagt, das erste Beisammensein der Geschwister zu stören.

      »Er hält mit sich zurück«, erklärte Terra. »Er steht vor einer Wendung seines Schicksals.«

      »Den Eindruck habe ich auch«, bestätigte Kurschmied. Dann brachen sie auf.

      Im Restaurant war ein Zimmer bestellt. Kurschmied, der hineinging, ließ die Tür offen; Lea Terra sah draußen im Spiegel, wie aus dem Zimmer ein langer Mensch mit angstvollen und gefräßigen Vogelaugen nach ihr lugte. Sie blieb vor dem Spiegel, obwohl sie fertig war. »Der ist unmöglich!« sagte sie mit geschlossenen Lippen, und legte ihre lange Perlenkette zurecht. Der Bruder half ihr, lächelte galant, und zwischen den Zähnen murmelte er: »Schulden hast Du keine? Und Deine Perlen sind echt?«

      Drinnen sagte Graf Lannas: »Tatsächlich ein pompöses Weib,« – während sie schon eintrat. Der reiche Pilz war wortlos, wie ein erwartungsvoller Freier, und die Hand, mit der er die ihre berührte, war feucht. Pilz, Lannas und ihnen gegenüber die beiden Maler standen Spalier, Mangolf führte die Schauspielerin hindurch.

      »Lea, ich habe niemals vergessen«, flüsterte er, und hielt ihr am Kopf der Tafel den Sessel hin.

      »Auch ich weiß noch manches«, sagte sie, ohne die Stimme zu senken. Und zu allen: »Lea heiße ich beim Theater. Ist das gut, kann man damit etwas werden?«

      »Als ob Sie nur den Namen hätten – Fräulein Lea«, hauchte Pilz, rechts von ihr; und Mangolf, links, senkte die breite Stirn, wobei, wie zufällig, eine Locke darauffiel. Vor der Mitte des Tisches vollzog Terra umständlich den Trinkakt und nahm hierfür auch sein Gegenüber, den Grafen Lannas, in Anspruch. Neben ihnen die beiden Maler winkten von weitem mit den Gläsern nach Fräulein Lea. Kurschmied aber, am anderen Ende, sah über sie hinweg die Wand an, – bis die Kollegin ihn aufrief. »Sie haben mich in Hosenrollen gesehen. Nun?« – Da lächelte er blaß zu den Herren hin. »Versäumen Sie es nicht!« – und neigte sich erglühend über seinen Teller.

      Der Bruder trank der Schwester zu. »Auf Deine Beine«, sagte er klar und deutlich. Sogleich bekamen die Herren beherrschte Mienen. Graf Lannas prüfte den Bruder unauffällig. Pilz erklärte: »Wir meinten es nur im Hinblick auf den Naturalismus.« – »Einverstanden«, sagte Terra, und zwang Mangolf, in dessen Augen Gram und Verachtung erschienen, mit ihm zu trinken.

      Die Herren ließen es sich von dem Bruder gesagt sein. Graf Lannas erbat sich über Mangolf hinweg, die Hand der Schwester, um, die Schultern fröstelnd zusammengezogen, ihre rosig polierten Nägel zu bewundern – nichts weiter. »Und meine Augen?« fragte sie und zog ihn an der Hand hinauf, da sah er ihr höflich und zerstreut in die Augen. »Komisch«, sagte sie, im Augenblick ganz ernst, »es gibt noch Zartgefühl ...« Pilz, nicht fähig, dies aufzufassen, äußerte mit wankender Stimme seine Anerkennung für das Rot der Lippen, ihren ausdrucksvoll umränderten Blick. Die Schwester lachte singend und unberührt. Ein wenig verzerrt sah Mangolf dem zu. »Mangolf ist langweilig«, hörte er sagen, und schwur sich, es solle ein Ende nehmen.

      Der Bruder klopfte auf den Tisch.

      »Dies sind noch immer Präliminarien. Meine Herren, die Künstlerin steht vor dem Abschluß mit einer unserer ersten Hofbühnen. Haben Sie Besseres?«

      Graf Lannas sah fragend aus, er hatte alles vergessen. Aber Pilz hatte Besseres. »Hier die Pläne. Die höchste Gage bezieht Lea Terra – von mir«, sagte Pilz und wollte gemein werden. Da er zurückgewiesen ward, wollte er mit seinem Direktor Terra Bruderschaft trinken. Terra sagte schneidend in die Ausgelassenheit hinein: »Dafür ist es noch Zeit, nachdem wir unterschrieben haben,« – und er bestellte Sekt.

      »Engagiert Ihr Kurschmied?« fragte die Schauspielerin. Denn Kurschmied starrte die Wand hinan. Er sagte erbleichend: »Das Ansinnen müßte ich ablehnen.«

      Befremdete Gesichter; – aber Mangolf erhob zum erstenmal die Stimme. »Ich bin in der Lage, das Verhalten des Herrn Kurschmied den Herren zu erklären.«

      »Schieß los!« sagte Terra, und sah ihn an. Mangolf hielt den Blick aus. Dann beteuerte er ernst, geradezu schmerzlich, daß er die Mitverantwortung dessen, was geschehe, nicht länger tragen könne.

      Große Spannung, alle Augen auf Mangolf. Terra, mitten am Tisch völlig einsam, trank ein Glas Sekt nach dem andern, wozu er Fratzen schnitt. Die Schwester lachte verstört.

      »Mein Jugendfreund ist auf unbegreifliche Art gesellschaftlich verkommen«, sagte Mangolf gedämpft und mit Gramfalten. »Wie? das mag ich nicht aussprechen. Herr Kurschmied zeigt es Ihnen im Bilde.«

      Schon hielten die beiden Maler die photographische Aufnahme des Karussells in Händen. Sie bekamen runde Augen und gaben das Bild weiter. Dann erst lachten sie hinter den Servietten, indes Pilz und Lannas nur ungern den Ernst der Lage erfaßten. Die Schwester lachte sie aus. »Und ich? Ich bin schon mit Volkssängern aufgetreten. Das ist ehrlich verdientes Geld.« Sie dehnte sich und hatte Augen, wie berauscht. Der reiche Pilz widerstand nicht, er gab zu, auch ein Karussellbesitzer verdiene ehrlich. »Leider nein«, sagte Mangolf.

      Jetzt warteten sie unzufrieden. Er empfand es. »Ich wirke störend«, sagte er, »mit meiner unerwünschten Gewissenspflicht. Auch mich stört sie.«

      Alle sahen seinen inneren Kampf. Zusammengepreßte Lippen, zuckende Schläfen, und die Augen schlossen sich; so saß Mangolf da, im Angesicht der Welt. Er wollte sprechen, vermochte es nicht, führte die Hand an die Stirn und sah noch einmal den Freund an, letzter, flehender, leidender, alles gestehender Blick, – bevor er überwunden hatte und sprach.

      »Mein Freund lebt von dem Geld einer Frau«, sagte er knapp. »Er selbst hat es mir zugegeben.«

      Da rückten alle Stühle. Terra saß, geduckt und fletschend, in einer Runde des Entsetzens.

Скачать книгу