Resilienz. Maike Rönnau-Böse

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      In diesem Zusammenhang ist das Konzept der Resilienz, also der seelischen Widerstandskraft, entstanden und weiterentwickelt worden. Die Wurzeln für die Fähigkeit zur Resilienz werden schon in frühen Lebensjahren gelegt, und so hat die Förderung von Resilienz eine gewichtige Bedeutung für unterschiedlichste Disziplinen und Praxiszusammenhänge. Die Betrachtung von Schutzfaktoren, aber auch der Faktoren zu gelingender Lebensbewältigung, wie Resilienz, nimmt zunehmend in der Entwicklungspsychologie und klinischen Psychologie sowie innerhalb von Heil- / Sonderpädagogik breiteren Raum ein. Ebenso gewinnt in Sozialpädagogik bzw. Sozialarbeit das Thema Prävention und Resilienzförderung an Bedeutung: In diesen Disziplinen geht es zunehmend nicht mehr nur darum, benachteiligte oder (verhaltens-)auffällige Kinder, Familien und einzelne Erwachsene zu begleiten und zu unterstützen, sondern bereits im Vorfeld günstige Bedingungen für eine gesunde Entwicklung zu schaffen. Wesentliche Bedeutung gewinnen diese Interventionen in institutionellen Zusammenhängen, insbesondere in Kindertageseinrichtungen und Schulen – sie sollten deshalb integraler Bestandteil der Ausbildung von Lehrern und Frühpädagogen, bzw. Erziehern sein.

      Das vorliegende Buch hat das Ziel, die grundlegenden Konzepte der Resilienz und Resilienzförderung verständlich darzustellen; dabei wird Bezug auf empirische Ergebnisse genommen. Weiterhin soll die Bedeutung des Resilienzkonzepts für die Praxis, insbesondere für pädagogische Zusammenhänge, verdeutlicht werden. Wir haben vielfältige Erfahrungen mit der Umsetzung von Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen und Schulen sammeln können und sind immer wieder begeistert von dem „Klimawechsel“, den eine unterstützende, ressourcenfördernde und kompetenzstärkende Sicht für alle Beteiligten, also für Pädagogen ebenso wie für Kinder und Eltern, hat.

      Nach den Definitionen von Resilienz und einem Überblick über relevante Studien, wird ausführlicher das Risiko- und Schutzfaktorenkonzept dargestellt, bevor dann im einzelnen zentrale Resilienzfaktoren (Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, Selbststeuerung, Umgang mit Stress, Problemlösen) abgeleitet und vorgestellt werden. Ein Überblick über empirische Ergebnisse und den Forschungsstand zum Thema Prävention – und die Beschreibung von Anforderungen an Präventionsprogramme – führt schließlich zur Darstellung von Präventions- und Resilienzprogrammen und -kursen für unterschiedliche Altersstufen. Ein wichtiges Kriterium für die Aus-wahl dieser Programme war die sorgfältige empirische Absicherung; die Beispiele sollen Möglichkeiten der Förderung von Resilienz und Lebensbewältigungskompetenzen, auch im pädagogischen Alltag verdeutlichen.

      Das Buch ist entstanden aus den Zusammenhängen des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Es wäre nicht denkbar ohne die intensiven Diskussionen und die Zusammenarbeit im Team, besonders seien hier Eva-Maria Engel, Stefanie Pietsch, Simone Beuter, Jutta Kerscher-Becker und Sibylle Fischer gedankt.

      Resilienz – Definition und Merkmale

      Wenn sich Personen trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstände psychisch gesund entwickeln, spricht man von Resilienz. Damit ist keine angeborene Eigenschaft gemeint, sondern ein variabler und kontextabhängiger Prozess. In verschiedenen Langzeitstudien auf der ganzen Welt wurden schützende (protektive) Fakto-ren festgestellt, die dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen zu unterstützen.

      Der Begriff Resilienz leitet sich aus dem Englischen „resilience“ ab und bedeutet „Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität“. Damit ist die Fähigkeit eines Individuums gemeint, „erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen“ (Wustmann 2004, 18) umgehen zu können.

      In der Literatur ist eine Vielzahl von Definitionen zu finden (z. B. Rutter 1990, Bender / Lösel 1998, Welter-Enderlin 2012).

      Eine Definition von Resilienz hängt davon ab, welche Kriterien als Maßstab genommen werden. Es können externale und / oder internale Kriterien zugrunde gelegt werden, d. h., Resilienz wird anhand von Anpassungsleistungen an die soziale Umwelt verstanden, oder es werden explizit die inneren Befindlichkeiten mit berücksichtigt (Bengel et al. 2009).

      Allgemein anerkannt im deutschsprachigen Raum ist die Begriffsbestimmung von Wustmann, die sowohl externale als auch internale Kriterien mit einbezieht und Resilienz zusammenfasst als

      „die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“ (Wustmann 2004, 18).

      In der Regel gehen Resilienzforscher davon aus, dass sich Resilienz bzw. resilientes Verhalten dann zeigt, wenn ein Mensch eine Situation erfolgreich bewältigt hat, die als risikoerhöhende Gefährdung für die Entwicklung des Kindes eingestuft werden kann, wie z. B. Verlust einer nahen Bezugsperson, Aufwachsen in Armut usw. Resilienz ist damit keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern immer an zwei Bedingungen geknüpft:

      1. Es besteht eine Risikosituation.

      2. Das Individuum bewältigt diese positiv aufgrund vorhandener Fähigkeiten.

      Merkmale von Resilienz

      Die Fähigkeit zur Resilienz ist nicht, wie zu Beginn der Resilienzforschung angenommen, angeboren, sondern entwickelt sich in einem Interaktionsprozess zwischen Individuum und Umwelt (Lösel / Bender 2008). Das bedeutet auch, dass das Kind selbst aktiv regulierend auf seine Umwelt einwirkt. Resilienz ist damit ein „dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess“ (Wustmann 2016, 28). Dies schließt ein, dass Resilienz sich im Laufe des Lebens eines Menschen verändert – abhängig von den Erfahrungen und bewältigten Ereignissen (Opp / Fingerle 2008, Rutter 2000, Scheithauer et al. 2000).

      Resilienz ist damit auch eine „variable Größe“ (Wustmann 2016, 30) und keine stabile Einheit, die immerwährende Unverwundbarkeit (→ Invulnerabilität) verspricht. So kann es sein, dass Kinder zu einem Zeitpunkt ihres Lebens resilient sind, zu anderen Zeitpunkten mit anderen Risikolagen jedoch Schwierigkeiten haben, die Belastungen zu bewältigen.

      Um der entwicklungspsychologischen Perspektive gerecht zu werden, formuliert Welter-Enderlin folgende Definition:

      „Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Menschen verstanden, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin 2012, 13).

      Diese Definition macht deutlich, dass die → Ressourcen nicht nur auf der individuellen Ebene Bedeutung erlangen, sondern dass vor allem auch soziale Schutzfaktoren, wie. z. B. die Bindung an eine stabile emotionale Bezugsperson, einen bedeutenden Stellenwert für eine gesunde Entwicklung haben. Gabriel (2005) warnt deshalb davor, fehlende Resilienz als ein individuelles Charakterdefizit zu interpretieren, sondern verdeutlicht den Einfluss und die Relevanz von Erziehung, Bildung und Familie sowie von sozialen Netzwerken auf die Ausbildung von Resilienz.

      Lösel und Bender (2007) plädieren dafür, Resilienz nicht anhand zu enger Kriterien zu definieren, sondern verweisen auf verschiedene Studienergebnisse, die zeigen, dass ein Faktor in unterschiedlichen Situationen verschiedene Auswirkungen haben kann. Als Beispiel wird eine überdurchschnittliche Intelligenz genannt, die zum einen hilft, planvoller zu handeln, Situationen schneller zu erfassen und Strategien entwickeln zu können; zum anderen nehmen

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