Middlemarch. George Eliot

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sind eine ›Schickung Gottes‹. Und was Fälle von Vergiftung betrifft, so handelt es sich doch auch bei diesen darum, zu wissen, was das Gesetz darüber sagt. Kommen Sie, lassen Sie uns zu den Damen gehen.«

      Lydgate's Privatansicht war, daß das, was er von einem Leichenbeschauer, der sich über die Magenwände keine Skrupeln mache, gesagt habe, recht wohl auf Herrn Chichely passen möchte, aber er hatte nicht die Absicht gehabt, persönlich zu sein. Das war eine der Schwierigkeiten, welche der Verkehr mit der guten Gesellschaft von Middlemarch mit sich brachte; es war gefährlich, die Ansicht geltend zu machen, daß für irgend ein besoldetes Amt Kenntnisse erforderlich seien.

      Im Salon schien Lydgate alsbald den Liebenswürdigen bei Rosamunden zu spielen, nachdem er sich leicht ein tête à tête mit ihr hatte verschaffen können, da Frau Vincy selbst den Vorsitz am Teetisch übernommen hatte. Sie überließ ihrer Tochter kein häusliches Geschäft, und das blühende gutmütige Gesicht der Matrone mit den beiden flatternden rosa Haubenbändern und ihr freundliches Benehmen gegen Mann und Kinder, trugen sicherlich wesentlich mit dazu bei, dem Vincy'schen Hause eine so große Anziehungskraft zu verleihen.

      Die anspruchslose, inoffensive Spießbürgerlichkeit, welche Frau Vincy in ihrem Wesen nicht verleugnen konnte, setzte Rosamunden's Feinheit nur in ein um so helleres Licht; Lydgate fand seine Erwartungen durch ihr Auftreten übertroffen. Ohne Zweifel sind kleine Füße und vollendet geformte Schultern sehr geeignet, den Eindruck feiner Manieren zu erhöhen, und eine treffende Bemerkung erscheint noch unendlich viel treffender, wenn sie aus einem Munde kommt, dessen Lippen eben so zarte Wellenlinien bilden wie die Augenlider der Sprecherin. Und Rosamunde verstand es wohl, ein treffendes Wort zu sagen; denn sie war gescheit und taktvoll; von jener Gescheitheit, welche jeden Ton, nur nicht den humoristischen anzuschlagen versteht. Glücklicherweise machte sie nie den Versuch zu scherzen, und das war vielleicht der schlagendste Beweis ihres feinen Taktes.

      Sie und Lydgate waren bald in einem lebhaften Gespräche begriffen. Er bedauerte, daß er sie neulich in Stone Court nicht singen gehört habe. Das einzige Vergnügen, welches er sich während der letzten Zeit seines Pariser Aufenthaltes gestattet, habe darin bestanden, bisweilen Musik zu hören.

      »Sie haben sich vermutlich eingehender mit Musik beschäftigt?« fragte Rosamunde.

      »Nein, ich verstehe mich nur auf den Gesang vieler Vögel und kann viele Melodien nach dem Gehör singen, aber gute Musik, von der ich durchaus nichts verstehe, entzückt und rührt mich. Wie dumm sind doch die Menschen, daß sie sich ein solches ihnen erreichbares Vergnügen nicht öfter verschaffen!«

      »Ja, und Sie werden Middlemarch sehr unmusikalisch finden. Es gibt hier kaum einen wirklich guten Musiker. Ich kenne nur zwei Herren, welche einigermaßen gut singen.«

      »Vermutlich herrscht hier auch die Mode, komische Lieder rhythmisch zu rezitieren, ungefähr wie wenn Jemand mit den Fingern auf einer Trommel spielen und es den Zuhörern überlassen wollte, sich die Melodie hinzu zu denken.«

      »Ach, Sie haben gewiß Herrn Bowyer gehört,« sagte Rosamunde mit einem bei ihr so seltenen Lächeln. »Aber wir reden sehr schlecht von unsern Nebenmenschen.«

      Lydgate war von Bewunderung für dieses liebliche Geschöpf so hingenommen, daß er darüber fast seiner Pflicht, die Unterhaltung nicht ins Stocken geraten zu lassen, uneingedenk geworden wäre; ihr Kleid schien ihm ein Stück des zartesten blauen Himmels, sie selbst von einem so reinen Blond, als wäre sie eine eben einem Blumenkelche entstiegene Elfe; und dabei trat dieses blonde Kind mit einer wunderbaren Sicherheit und Grazie des Benehmens auf. Seit er das Erlebnis mit Laure gehabt, hatte Lydgate allen Geschmack an großäugigen, schweigenden Gesichtern verloren; die »göttliche Kuh« hatte keine Anziehungskraft mehr für ihn; und Rosamunde war das grade Gegenteil eines solchen Wesens. –

      Aber Lydgate nahm alsbald die Unterhaltung wieder auf.

      »Ich hoffe, Sie erfreuen uns diesen Abend durch etwas Musik«

      »Wenn Sie es wünschen, will ich gern etwas zu singen versuchen,« sagte Rosamunde. »Papa wird gewiß darauf bestehen, daß ich singe. Aber ich werde vor Ihnen, der Sie die besten Sängerinnen in Paris gehört haben, zittern. Ich habe sehr wenig gehört, ich bin nur einmal in London gewesen. Aber unser Organist an der Peters-Kirche ist ein guter Musiker, und ich nehme noch immer Unterricht bei ihm.«

      »Erzählen Sie mir doch, was Sie in London gesehen haben.«

      »Seht wenig,« – ein naiveres Mädchen würde geantwortet haben: »O Alles.« Aber Rosamunde verstand es besser – »ein paar von den gewöhnlichen Merkwürdigkeiten, wie sie ungebildeten Mädchen aus der Provinz immer gezeigt werden.«

      »Nennen Sie sich ein ungebildetes Mädchen aus der Provinz?« fragte Lydgate und sah sie dabei mit einem Blick an, in welchem sich eine so rückhaltlose Bewunderung malte, daß Rosamunde vor Vergnügen errötete. Aber sie blieb ungeziert ernsthaft, drehte ihren schlanken Hals ein wenig, und berührte mit den Fingerspitzen ihre wunderbaren Haarflechten, eine ihr zur Gewohnheit gewordene Bewegung, die sich grade so niedlich ausnahm wie das Spielen eines Kätzchens mit seiner Pfote.

      »Ich versichere Sie, ich bin recht ungebildet,« antwortete sie ohne Weiteres, »ich passiere nur in Middlemarch. Ich kann mich wohl ungeniert mit unsern hiesigen alten Bekannten unterhalten, aber vor Ihnen bin ich wirklich bange.«

      »Eine begabte Dame weiß fast immer mehr als wir Männer, wenn auch ihr Wissen von anderer Art ist. Ich bin überzeugt, Sie könnten mich tausend Dinge lehren, wie ein zierlicher Vogel einen Bären lehren könnte, wenn es eine Beiden gemeinsame Sprache gäbe. Glücklicherweise gibt es eine Frauen und Männern gemeinsame Sprache und so können die Bären belehrt werden.«

      »Ach, da will Fred klimpern! ich muß ihm nur rasch wehren, sonst zerreißt er Ihnen die Ohren,« rief Rosamunde und ging nach dem andern Ende des Zimmers, wo Fred, nachdem er auf den Wunsch seines Vaters das Klavier geöffnet hatte, damit Rosamunde etwas singe, die Gelegenheit benutzte, mit der linken Hand »Wir winden Dir den Jungfernkranz« zu spielen. So etwas begegnet fähigen Leuten, die ihr Examen gut bestanden haben, bisweilen ebensogut, wie dem durchgefallenen Fred.

      »Bitte Fred, warte mit Deinem Üben bis morgen,« sagte Rosamunde, »Du machst Herrn Lydgate, der zu hören versteht, ganz elend.«

      Fred lachte, ließ sich aber nicht irre machen, und spielte seine Melodie zu Ende.

      Rosamunde wandte sich sanft lächelnd nach Lydgate um und sagte: »Sie sehen die Bären lassen sich nicht immer belehren.«

      »Nun komm, Rosy!« sagte Fred, welcher sich wirklich auf den Gesang seiner Schwester freute, indem er vom Klavierbock aufsprang und denselben für sie in die Höhe schraubte. »Sing' uns erst einmal ein paar hübsche muntere Melodien.«

      Rosamunde spielte sehr schön. Ihr Lehrer in Frau Lemon's Pension (welche sich in der Nähe einer Landstadt befand, an deren denkwürdige Geschichte noch ein Schloss und eine Kirche erinnerten), war einer jener vortrefflichen Musiker, welche man hie und da in unsern Provinzialstädten findet und welche den Vergleich mit manchem bekannten »Kapellmeister« in einem Lande, welches reichlichere Gelegenheit zur Erwerbung musikalischer Zelebrität darbietet, sehr wohl aushalten können. Rosamunde hatte sich mit einer seltnen Nachahmungsgabe seine Art zu spielen angeeignet, und gab seine großartige Auffassung klassischer Musik mit der Genauigkeit eines Echo's wieder.

      Ihr Spiel hatte, wenn man es zum ersten Male hörte, fast etwas Unheimliches. Eine verborgene Seele schien Rosamunden's Fingern zu entströmen, wie ja auch dem leblosen Echo eine Seele inne wohnt; auch war der Eindruck, den ihr Spiel hervorbrachte, nicht lediglich die Wirkung ihres Nachahmungstalentes; denn jedem schönen Vortrage liegt

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