Middlemarch. George Eliot
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Ihr Gesang war weniger ausgezeichnet, aber auch gut geschult und angenehm zu hören wie ein vollkommen rein gestimmtes Glockenspiel. Sie sang freilich diesen Abend nur die damals beliebten Lieder »Land meiner seligsten Gefühle« und »Als ich auf meiner Bleiche, ein Stückchen Garn begoß,« denn alle Sterblichen müssen sich der Mode ihrer Zeit fügen und nur die Alten können immer klassisch sein. Aber Rosamunde konnte auch »Das Veilchen« von Mozart, oder Haydns Chansonetten, oder »Voi che sapete« und »Batti, batti« effektvoll singen, wenn sie nur wußte, daß ihre Zuhörer an solcher Musik Geschmack fänden.
Ihr Vater sah mit dem Ausdruck des Entzückens über die Bewunderung der Gäste im Kreise umher. Ihre Mutter saß von Glück strahlend mit ihrem jüngsten Töchterchen auf dem Schoße und schlug mit der Hand des Kindes leise den Takt zur Musik. Und auch Fred hörte trotz seiner im Allgemeinen gegen Rosy's Vollkommenheiten so skeptischen Stimmung, doch ihrem Spiele und Gesang mit vollkommener Hingebung und mit dem Wunsche zu, er möchte dasselbe auf seiner Flöte leisten können.
Es war der angenehmste Familienkreis, den Lydgate, seit er nach Middlemarch gekommen war, noch gesehen hatte. Die Vincy's wußten sich von allen Seelenbeklemmungen frei zu halten, und sich ihres Lebens zu freuen, eine Weltanschauung, welche in allen Provinzialstädten sehr vereinzelt in einer Zeit dastand, wo die herrschende streng kirchliche Richtung die wenigen Vergnügungen, welche es in der Provinz noch gab, wie eine ansteckende Krankheit ängstlich meiden ließ. Bei den Vincy's wurde auch immer Whist gespielt, und auch heute standen die Spieltische bereit und ließen einige Mitglieder der Gesellschaft das Ende der Musik im Geheimen ungeduldig erwarten.
Noch ehe es soweit war, trat Herr Farebrother ein. Er war ein hübscher breitschultriger, übrigens nur kleiner Mann, von ungefähr vierzig Jahren; sein schwarzer Anzug war sehr fadenscheinig, aller Glanz seines Äußern lag in seinen lebhaften grauen Augen. Sein Erscheinen wirkte wie milder Sonnenschein, als er gleich beim Eintreten die kleine Luise, welche eben von Fräulein Morgan zu Bette gebracht werden sollte, mit väterlichen Späßen zurückhielt, als er Jeden in der Gesellschaft mit einem freundlichen Worte begrüßte und schon nach zehn Minuten mehr Conversation gemacht zu haben schien, als bis dahin den ganzen Abend geführt worden war.
Bei Lydgate drang er auf die Erfüllung seines Versprechen ihn zu besuchen. »Ich kann Sie nicht loslassen, wissen Sie, weil ich Ihnen einige Käfer zu zeigen habe. Wir Sammler interessieren uns für jeden neuen Bekannten, und ruhen nicht eher, bis er Alles gesehen hat, was wir ihm zu zeigen haben.«
Aber bald zog es ihn nach dem Whisttisch, und er sagte händereibend: »Jetzt aber lassen Sie uns ernsthaft sein! Was, Sie spielen nicht? O, Sie sind noch zu jung und leichtfertig für eine derartige Beschäftigung.«
Lydgate dachte bei sich, dieser Geistliche, dessen Fähigkeiten Herrn Bulstrode so schmerzliche Gefühle erweckten, scheine eine angenehme Erholung in diesem gewiß nicht gelehrten Familienkreise zu finden. Er meinte sich das einigermaßen erklären zu können; die gute Laune, die freundlichen Gesichter von Alt und Jung und die Gelegenheit, sich die Zeit ohne alle geistige Anstrengung leidlich zu vertreiben, mochte das Haus wohl anziehend für Leute machen, welche keine besondere Verwendung für ihre Mußestunden hatten.
Alles sah hier blühend und heiter aus – mit einziger Ausnahme von Fräulein Morgan, welche finster, gelangweilt und resigniert schien und, wie Frau Vincy oft sagte, eine rechte Gouvernante war. Gleichwohl war Lydgate nicht gemeint, diesen Kreis öfter aufzusuchen. Bei solchen Besuchen ging doch immer die kostbare Zeit des Abends nutzlos verloren, und jetzt wollte er, nachdem er sich noch ein wenig mit Rosamunden unterhalten hatte, sich entschuldigen und fortgehen.
»Sie werden sich gewiß bei uns hier in Middlemarch nicht gefallen,« sagte sie, als die Whistspieler sich an die Spieltische gesetzt hatten. »Wir sind hier sehr langweilig und Sie sind ganz andere Gesellschaft gewöhnt.«
»Ich denke mir, alle Provinzialstädte sehen sich einander sehr ähnlich,« erwiderte Lydgate. »Aber ich habe bemerkt, daß man immer seine eigene Stadt für langweiliger hält, als jede andere. Ich bin entschlossen, Middlemarch zu nehmen, wie es ist, und werde sehr dankbar sein, wenn die Stadt es mit mir ebenso halten will. So viel steht fest, daß mir dieselbe schon jetzt einige Reize geboten hat, welche meine Erwartungen weit übertreffen.«
»Sie meinen die Fahrten nach Lowick und Tipton, die allerdings Jedem gefallen müssen,« entgegnete Rosamunde ganz anspruchslos.
»Nein, ich rede von Reizen, die mir viel näher sind.«
Rosamunde stand auf, nahm ihre Filetarbeit zur Hand und sagte dann: »Sind Sie ein Freund vom Tanzen? ich bin nicht ganz sicher, ob gescheite Leute überhaupt tanzen.«
»Ich würde gern mit Ihnen tanzen, wenn Sie es mir erlauben wollten«
»O,« sagte Rosamunde mit einem kleinen abwehrenden Lachen, »ich wollte Ihnen nur sagen, daß bei uns bisweilen getanzt wird, und möchte gern wissen, ob Sie es als eine Beleidigung ansehen würden, wenn wir Sie dazu einlüden.«
»Unter der von mir erwähnten Bedingung gewiß nicht«
Nach diesem kleinen Geplauder wollte Lydgate wirklich fortgehen; als er aber an den Whisttischen vorüber kam, reizte es ihn, Farebrother's meisterhaftes Spiel und sein Gesicht, dessen Ausdruck eine wunderbare Mischung von Verschlagenheit und Güte darbot, zu beobachten.
Um zehn Uhr wurde das Abendbrot gereicht – so war es Sitte in Middlemarch – und Punsch dazu getrunken, aber Farebrother trank nur ein Glas Wasser. Er gewann, aber es schien gar keine Aussicht dazu vorhanden zu sein, daß die Rubber je ein Ende nehmen würden, und Lydgate verabschiedete sich endlich.
Da es aber noch nicht elf Uhr war, machte er noch einen Gang in der frischen Abendluft in der Richtung von St. Botolph, Farebrother's Kirche, deren Turm sich in seinen massigen Formen dunkel von dem gestirnten Himmel abhob. Die Kirche war die älteste in Middlemarch, die Pfarrstelle jedoch war nur ein Vikariat und brachte jährlich kaum vierhundert Pfund ein.
Lydgate, der das gehört hatte, fragte sich jetzt, ob Farebrother wohl Wert auf das Geld lege, welches er im Kartenspiel gewinne, und dachte bei sich: »Er scheint ein sehr liebenswürdiger Mensch zu sein, aber Bulstrode mag doch seine guten Gründe haben.« Vieles mußte sich leichter für Lydgate gestalten, wenn es sich ergeben sollte, daß die Anschauungsweise des Herrn Bulstrode im Ganzen zu rechtfertigen sei. »Was geht mich sein Glaube an, wenn er damit einige gute Ideen verbindet? Man muß die menschlichen Köpfe nehmen, wie man sie findet.«
Das waren tatsächlich Lydgate's erste Gedanken, nachdem er das Vincy'sche Haus verlassen hatte, und das wird ihn, fürchte ich, vielen meiner Leserinnen kaum ihres Interesses würdig erscheinen lassen. An Rosamunde und ihre Musik dachte er erst in zweiter Linie und wiewohl er, nachdem er einmal an sie zu denken angefangen hatte, während des ganzen noch übrigen Teils seines Spaziergangs bei ihrem Bilde verweilte, regten ihn diese Vorstellungen doch nicht auf, und hatte er nicht die Empfindung, als ob ein neues bedeutsames Element in sein Leben eingetreten wäre.
Er konnte jetzt noch nicht heiraten, er wünschte sich erst in einigen Jahren zu verheiraten und deshalb kam es ihm nicht in den Sinn, sich in ein Mädchen zu verlieben, das zufällig seine Bewunderung erregt hatte. Er bewunderte Rosamunde ungemein, aber in die wahnsinnige Leidenschaft, von welcher er einst für