Zwei Städte. Charles Dickens

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Zwei Städte - Charles Dickens

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Sie allein, Mr. Lorry, oder hatten Sie Begleitung?“

      „Ich hatte zwei Begleiter. Einen Herrn und eine Dame. Sie sind hier.“

      „Sie sind hier. Haben Sie mit dem Angeklagten gesprochen?“

      „Kaum einige Worte. Das Wetter war stürmisch, die Ueberfahrt lang und beschwerlich, und ich lag fast während der ganzen Zeit auf einem Sopha.“

      „Miß Manette!“

      Die junge Dame, auf welche sich vorhin alle Blicke gewendet hatten und sich jetzt wieder wendeten, stand auf. Ihr Vater erhob sich mit ihr und behielt ihre Hand unter seinem Arme.

      „Miß Manette! Sehen Sie den Angeklagten an.“

      Solchem Mitleid und so tief fühlender Jugend und Schönheit gegenübergestellt zu werden, war eine viel härtere Prüfung für den Angeklagten, als dem ganzen Gedränge gegenüber zu stehen. Er stand mit ihr, so zu sagen, allein an dem Rande seines Grabes und alle die neugierig starrenden Augen ringsum konnten ihm für den Augenblick nicht die Kraft geben, ganz unbefangen zu bleiben. Seine unruhige rechte Hand vertheilte die vor ihm gestreuten Kräuter in eingebildete Blumenbeete in einem Garten; unter seinen Bemühungen, sein Athmen im regelmäßigen Zuge zu erhalten, zitterten die Lippen, aus welchen das Blut nach dem Herzen zurückströmte. Das Gesumme der Schmeißfliegen erhob sich lauter als vorhin.

      „Miß Manette, haben Sie den Angeklagten früher gesehen?“

      „Ja, Sir.“

      „Wo?“

      „Am Bord des Packetschiffs, von dem eben gesprochen worden und bei derselben Gelegenheit.“

      „Sie sind die junge Dame, von der eben gesprochen worden?“

      „O, unglücklicherweise bin ich es!“

      Der klagende Ton ihres Mitleids verlor sich in die weniger wohltönende Stimme des Richters, wie er ziemlich schroff sagte: „Beantworten Sie die Fragen, die Ihnen vorgelegt werden und machen Sie keine Bemerkungen dazu.“

      „Miß Manette, haben Sie auf der Fahrt über den Canal mit dem Angeklagten gesprochen?“

      „Ja, Sir.“

      „Was haben Sie mit ihm gesprochen?“

      Während ringsum das tiefste Schweigen herrschte, begann sie mit schwacher Stimme:

      „Als der Herr an Bord kam —“

      „Meinen Sie den Angeklagten?“ fragte der Richter mit gerunzelter Stirn.

      „Ja, Mylord.“

      „Dann sagen Sie, der Angeklagte.“

      „Als der Angeklagte an Bord kam, bemerkte er, daß mein Vater“ — sie wendete ihm einen liebevollen Blick zu, wie er neben ihr stand — „sehr erschöpft und angegriffen war. Mein Vater war so angegriffen, daß ich nicht wagte, ihn aus der freien Luft zu entfernen, und ich ließ auf dem Deck, neben der Kajütentreppe, ein Bett für ihn machen und setzte mich auf das Deck neben ihn, um auf ihn Acht zu haben. Es waren keine andern Passagiere auf dem Schiffe, als wir vier. Der Angeklagte war so gütig, um Erlaubniß zu bitten, mir einen Rath geben zu dürfen, wie ich meinen Vater vor Wind und Wetter, besser als ich es gethan, schützen könnte. Was ich gethan hatte, reichte nicht aus, da ich nicht wußte, wie der Wind stehen würde, nachdem wir den Hafen verlassen hatten. Er half mir dem Mangel abhelfen. Er sprach sich sehr theilnehmend und gütig über meinen Vater aus und ich bin überzeugt, es kam ihm von Herzen. In dieser Weise wurden wir mit einander bekannt.“

      „Erlauben Sie mir, Sie einen Augenblick zu unterbrechen. War er allein an Bord gekommen?“

      „Nein.“

      „Wie Viele kamen mit ihm?“

      „Zwei französische Herren.“

      „Sprachen sie viel mit einander?“

      „Sie sprachen mit einander bis zum letzten Augenblick, wo die französischen Herren wieder mit dem Boote an’s Land fahren mußten.“

      „Machten sie sich unter einander mit Papieren zu thun, gleich diesen Papieren hier?“

      „Einige Papiere gingen bei ihnen von Hand zu Hand, aber ich weiß nicht, was für Papiere es waren.“

      „Sahen sie in Gestalt und Format wie diese aus?“

      „Das ist wohl möglich, aber ich weiß es wahrhaftig nicht, obgleich sie ganz in meiner Nähe flüsternd miteinander sprachen: weil sie oben an der Kajütentreppe standen, um das Licht der dort hängenden Laterne zu benutzen; die Laterne brannte trübe und sie sprachen sehr leise und ich konnte nicht verstehen, was sie sprachen und sah nur, daß sie Papiere durchgingen.“

      „Was sprach der Angeklagte mit Ihnen, Miß Manette?“

      „Der Angeklagte sprach sich ebenso offen gegen mich aus, wie er in Folge meiner hülflosen Lage gütig und freundlich und meinem Vater hülfreich war. Ich hoffe,“ sagte sie in Thränen ausbrechend, „daß ich ihm nicht schlechten Dank zahle, indem ich ihn heute zu Schaden bringe.“

      Großes Gesumme der Schmeißfliegen.

      „Miß Manette, wenn der Angeklagte nicht klar erkennt, daß Sie die Aussagen, welche zu machen Ihre Pflicht ist — welche Sie machen müssen — und welchen Sie sich gar nicht entziehen können — mit großem Widerwillen abgeben, so steht er einzig unter den Anwesenden da. Bitte, fahren Sie fort.“

      „Er sagte mir, daß er in schwierigen und wichtigen Geschäften reise, welche den Betheiligten leicht Ungelegenheiten verursachen könnten und daß er deshalb unter falschem Namen reise. Er sagte, daß ihn sein Geschäft veranlaßt habe, nach Frankreich zu reisen und daß es ihn möglicherweise noch auf lange Zeit nöthigen werde, zu wiederholten Malen zwischen Frankreich und England hin und her zu reisen.“

      „Sagte er Nichts von Amerika, Miß Manette? Besinnen Sie sich genau.“

      „Er versuchte, mir auseinanderzusetzen, wie der Streit entstanden und sagte, daß, soweit er urtheilen könnte, es englischer Seits ein ungerechter und thörichter Streit sei. In scherzendem Tone setzte er hinzu, daß George Washington sich vielleicht in der Geschichte einen so großen Namen erwerben werde, als Georg III. Aber er meinte das nicht böse: er sagte es mit Lachen und um die Zeit zu vertreiben.“

      Jeder stark ausgeprägte Gesichtsausdruck des Haupthandelnden in einem Auftritt von großem Interesse, dem viele Augen zusehen, wird unwillkürlich von dem Zuschauer nachgeahmt werden. Peinlich und angstvoll gespannt war der Ausdruck ihrer Züge, wie sie ihr Zeugniß abgab und während der Pausen, die sie machen mußte, um dem Richter Zeit zu lassen, es niederzuschreiben, den Eindruck beobachtete, den ihre Aussagen auf die Advocaten für und gegen die Anklage machten. Unter den Zuschauern im ganzen Saale zeigte sich derselbe Gesichtsausdruck und zwar in so hohem Grade, daß eine große Mehrzahl der Gesichter Spiegelbilder der Zeugin hätten sein können, als der Richter von seinen Notizen aufschaute, um mit einem fürchterlichen Blick die schreckliche Ketzerei wegen George Washington zu bestrafen.

      Der Generalanwalt erklärte jetzt dem Richter, daß er es der Vorsicht und der Form wegen für nothwendig halte, den

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