Zwei Städte. Charles Dickens

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Zwei Städte - Charles Dickens

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daß sie nie den Gedanken ertragen könnten, daß ihre Weiber den Kopf ruhig auf ihre Kissen legten; daß es ihnen niemals in den Sinn kommen könnte, daß ihre Kinder ruhig den Kopf auf das Kissen legten; mit Einem Worte, daß sie und die Ihrigen in Zukunft nie auch nur eine Stunde ruhigen Schlafs genießen würden, wenn dem Angeklagten nicht das Haupt abgeschlagen würde. Diesen Kopf verlangte der Herr Generalanwalt schließlich von ihnen im Namen von Allem mit einem vollen Klange was ihm einfiel, und auf seine feierliche Versicherung hin, daß er den Angeklagten bereits als einen todten Mann betrachte.

      Als der Generalanwalt schwieg, ging ein Gesurre durch den Hof, als ob den Angeklagten, in Vorausahnung dessen, was er bald sein werde, eine Wolke von großen Schmeißfliegen umschwärme. Als es sich wieder legte, erschien der fleckenreine Patriot auf der Zeugenbank.

      Der Generalfiscal verhörte nun nach der Einleitung seines Vorgängers den Patrioten. Name: John Barsad, Gentleman. Die Geschichte seiner reinen Seele war genau so, wie der Herr Generalanwalt sie beschrieben hatte — vielleicht ein Wenig zu umständlich, wenn sie einen Fehler hatte. Nachdem er seinen edlen Busen dieser Bürde entledigt, hätte er sich gern bescheiden zurückgezogen, aber der Herr in der Perrücke mit den Papieren vor sich, der nicht weit von Mr. Lorry saß, wünschte ihm einige Fragen vorzulegen. Der Herr in der Perrücke gegenüber sah immer noch die Decke des Saales an.

      War er vielleicht selbst früher Spion gewesen! Nein, er wies diese niedrige Verleumdung mit Entrüstung zurück. Wovon lebte er? Von seiner Besitzung. Wo seine Besitzung liege? Das könne er so genau nicht sagen. Worin sie bestehe? Das ginge Niemanden Etwas an. Ob er sie geerbt habe? Ja. Von wem? Von einem entfernten Verwandten. Von einem sehr entfernten? Von einem ziemlich entfernten. Jemals im Gefängniß gewesen? Gewiß nicht. Nie im Schuldgefängniß gesessen? Wüßte nicht, daß das hierher gehöre. Nie im Schuldgefängniß gesessen? Sprechen Sie. Niemals? Ja. Wie viele Mal? Zwei oder drei Mal. Nicht fünf oder sechs Mal? Vielleicht. Welchen Standes? Gentleman. Jemals mit Fußtritten regalirt? Wäre vielleicht möglich. Häufig? Nein. Jemals einen Fußtritt bekommen und die Treppe hinuntergeworfen worden? Ganz gewiß nicht; bekam einmal einen Fußtritt oben an der Treppe und fiel aus eigenem Antrieb hinunter. Damals hinuntergeworfen worden, weil er mit falschen Würfeln gespielt? Etwas der Art habe der betrunkene Lügner gesagt, der sich der Realinjurie schuldig gemacht, aber es sei nicht wahr. Ob er schwören könne, daß es nicht wahr sei? Ganz bestimmt. Ob er jemals von falschem Spiele gelebt? Niemals. Ob er vom Spielen gelebt? Nicht mehr als andere Herren. Ob er von dem Angeklagten Geld geborgt? Ja. Ob er es ihm wiederbezahlt? Nein. War nicht die Bekanntschaft mit dem Angeklagten, die im Grunde eine sehr oberflächliche war, dem Angeklagten in Postkutschen, Wirthshäusern und Packetschiffen aufgedrängt worden? Nein. Weiß er bestimmt, daß er bei dem Angeklagten diese Musterrollen gesehen? Gewiß. Wisse Nichts weiter von den Musterrollen? Nein. Hätte sie z. B. nicht selbst herbeigeschafft? Nein. Erwarte nicht für sein Auftreten als Zeuge bezahlt zu werden? Nein. Sei nicht im regelmäßigen Sold und Anstellung der Regierung zum Schlingenlegen? O, bei Leibe nicht. Oder sonst Etwas zu thun? O, bei Leibe nicht. Ob er das beschwören könne? Noch zwei- und dreimal. Sei von keinen andern bewegt und bestimmt, als von Beweggründen des reinen Patriotismus? Von keinen andern.

      Der tugendhafte Bediente, Roger Cly, schwur sich mit großer Behendigkeit durch das Verhör. Er war in gutem Glauben und Herzenseinfalt vor vier Jahren in die Dienste des Angeklagten getreten. Er hatte den Angeklagten am Bord des Calais-Packetschiffs gefragt, ob er einen gewandten Burschen brauche und der Angeklagte hatte ihn in Dienst genommen. Er hatte den Angeklagten nicht gebeten, den gewandten Burschen aus Barmherzigkeit in Dienst zu nehmen, — hatte nie an so Etwas gedacht. Bald darauf fing er an, Verdacht hinsichtlich des Angeklagten zu schöpfen und ein Auge auf ihn zu haben. Beim Ordnen seiner Kleider auf der Reise hatte er ähnliche Papiere wie diese wiederholt in den Taschen des Angeklagten gesehen. Diese Papiere hatte er aus dem Schubkasten in dem Pulte des Angeklagten genommen. Er hatte sie nicht erst dorthin gelegt. Er hatte gesehen, wie der Angeklagte dieselben Papiere französischen Herren in Calais zeigte, und ähnliche Papiere französischen Herren in Calais und in Boulogne. Er liebe sein Vaterland und hätte so Etwas nicht ertragen können und hätte Anzeige gemacht. Er sei nie in Verdacht gewesen, eine silberne Theekanne gestohlen zu haben; er sei hinsichtlich einer Senfbüchse verleumdet worden, aber es hätte sich gefunden, daß sie nur plattirt gewesen sei. Er kenne den vorigen Zeugen seit sieben oder acht Jahren; das sei bloßes zufälliges Zusammentreffen. Er nenne es nicht ein merkwürdig seltsames Zusammentreffen; die Zusammentreffen wären meistens merkwürdig. Auch nenne er es kein merkwürdiges Zusammentreffen, daß reine Vaterlandsliebe auch sein einziger Beweggrund sei. Er sei ein echter Britte und hoffe, es gebe noch viele gleich ihm.

      Die Schmeißfliegen summten wieder und der Generalanwalt rief Mr. Jarvis Lorry auf.

      „Mr. Jarvis Lorry, Sie sind Handlungsdiener in Tellsons Bank?“

      „Ja.“

      „Veranlaßten Sie an einem gewissen Freitag Nachts im November 1775 Geschäfte, von London nach Dover mit der Postkutsche zu reisen?“

      „Ja.“

      „Waren noch andere Passagiere in der Kutsche?“

      „Zwei.“

      „Stiegen sie unterwegs im Verlaufe der Nacht aus?“

      „Allerdings.“

      „Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten an. War er einer der beiden Passagiere?“

      „Ich getraue mir nicht, Ja zu sagen.“

      „Sieht er einem dieser beiden Passagiere ähnlich?“

      „Beide waren so eingewickelt, und die Nacht war so finster, und wir waren Alle so zurückhaltend, daß ich mir nicht einmal getrauen kann, diese Frage zu beantworten.“

      „Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten noch einmal an. Denken Sie ihn sich so eingewickelt, wie jene beiden Passagiere, würde dann sein Aussehen oder sein Wuchs es unwahrscheinlich machen, daß er Einer derselben gewesen wäre.“

      „Nein.“

      „Sie wollen nicht beschwören, Mr. Lorry, daß er keiner von den Beiden gewesen sei?“

      „Nein.“

      „So sagen Sie wenigstens, er könnte Einer von den Beiden gewesen sein?“

      „Ja. Ausgenommen, daß ich mich erinnere, daß die Beiden — ebenso wie ich — sich vor Straßenräubern fürchteten und der Angeklagte sieht nicht aus, als ob er sich fürchtete.“

      „Haben Sie jemals ein Bild der Furchtsamkeit gesehen, Mr. Lorry?“

      „Ei, gewiß.“

      „Mr. Lorry, sehen Sie den Angeklagten noch einmal an. Wissen Sie mit Bestimmtheit, ihn früher schon einmal gesehen zu haben?“

      „Ja.“

      „Wann?“

      „Wenige Tage nach jener Reise kehrte ich aus Frankreich zurück und in Calais kam der Angeklagte an Bord des Packetschiffs, auf dem ich zurückfuhr und machte die Reise mit mir.“

      „Um welche Zeit kam er an Bord?“

      „Kurz nach Mitternacht.“

      „Mitten in der Nacht. War er der einzige Passagier, der zu dieser ungewöhnlichen Stunde an Bord kam?“

      „Er war zufällig der einzige.“

      „Das

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