Mit Feuer und Geist. Hermann Brünjes
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»Hallo Maren, hey Jens! Kommt doch rüber!«
Die beiden stehen zusammen mit Corinna, ebenfalls eine Nachbarin, an einem runden Stehtisch neben der Band. Wir verstehen uns gut mit ihnen und ich freue mich, dass ich hier im Dorf bereits »angekommen bin«, wie man das ja nennt.
Als wir am Tisch stehen und ebenfalls an einem Bier schlürfen, beginnt die Musik erneut. Ich entdecke immer mehr bekannte Gesichter. Einigen proste ich von ferne zu. Enno und Gerd stehen an der Theke. Drei Jugendliche in Feuerwehruniform braten Würste und reichen sie ihrer hungrigen Kundschaft. Kerstin sitzt hinter dem Tisch. Ihr verbundener und geschienter Arm liegt auf der Tischplatte. Mit der anderen Hand kassiert sie das Geld für die Würste. Sie winkt mir grinsend zu.
»Jens, du kennst hier ja schon allerhand Leute!« meint Corinna und lächelt.
»Stimmt. Ich berichte ja immer wieder über unser schönes Dorf. Da bleibt das nicht aus. Jetzt entstehen gerade engere Beziehungen zur Feuerwehr.«
»Das heißt, du willst dort eintreten?«
»Nein, das nicht. Aber ich unterstütze sie in dieser Brandsache.«
»In der Brandsache? Was machst du denn da?«
Gerald ist hellwach und offenbar sehr interessiert. Maren wirft mir einen mahnenden Blick zu. Mist, da hätte ich doch fast die Sache mit der Brandwehr ausgeplappert. Schnell versuche ich, die Kurve zu kriegen.
»Na, ich berichte darüber. Was sonst macht ein Reporter?«
Puh, noch mal gut gegangen. Gerald nickt anerkennend.
»Ich hoffe, sie kriegen den Feuerteufel bald. Der macht ja das ganze Dorf verrückt.«
Nun weiß Corinna etwas einzutragen.
»Unten ›im Tal‹ ist heute Nacht eingebrochen worden. Habt ihr davon gehört?«
Gerald und seine Frau schütteln mit dem Kopf, Maren sieht mich an. Ich versuche mit einem absichtlich erstaunten Gesicht mein Unwissen zu unterstreichen.
»Eingebrochen? Woher weißt du das denn?«
»Na, vom Opfer. Ich habe heute Morgen Frau Schulz beim Bäcker getroffen. Die hat es erzählt. Spiekermann soll den Einbrecher verhaftet haben.«
Nun bin ich aber gespannt. Doch es geht weder ein Blick zu Kerstin, noch zu Enno oder mir. Es bleibt eine Geschichte, eine Einbruchsgeschichte wie viele andere. Die Beteiligten haben also dichtgehalten. Trotzdem, wenn in einem Dorf etwas passiert, wird es bekannt, bevor es in der Zeitung steht. Darauf muss ich mich prinzipiell einstellen. Buschtrommeln sind immer schneller als Druckerpressen, allemal wenn trotz Supermarkt und Online-Handel ein Tante-Emma-Laden mit Bäcker im Dorf überlebt hat ...
Nun setzt die Musik wieder ein. Einige beginnen zu Schunkeln, manche singen sogar mit, textsicher.
»Ist doch tolle Musik, oder?«
Gerald klopft im Takt auf den Tisch und schaut mich erwartungsvoll an. Ich sage lieber nichts dazu. Der Wind ist aufgefrischt und es fallen ein paar Tropfen. Dies jedoch scheint weder Eingeborenen noch Zugezogenen etwas auszumachen. Wenn so ein Mai- oder Pfingstbaum begossen wird, dann wird vermutlich alles drum herum zweitrangig.
Etwa zehn junge Männer kommen mit einer riesigen Birke anmarschiert. Bis auf die Krone sind die Äste entfernt worden. Der schlanke Stamm liegt auf den Schultern der Männer und wird jetzt abgelegt. Erst einmal einen trinken. Ein Feuerwehrkamerad geht mit einem runden Tablett herum, darauf ein Bataillon gefüllter Schnapsgläser. Fünf Minuten – und das Bataillon ist vernichtet. Die leeren Gläser wandern zurück aufs Tablett und zur Theke.
Die Männer, einige davon in Feuerwehruniform, die meisten in Jeans und Alltagskleidung, packen erneut an. Einer nimmt den Metalldeckel von einem Loch im Boden. Clever. Tradition bedeutet, man weiß wie man’s immer macht und hat vorgesorgt! Die Männer legen den etwa zehn Meter langen Stamm über das Loch, blockieren ihn mit einem Keil und richten ihn langsam auf. Immer höher und höher. Plötzlich rutscht der Fuß ins Loch und kurz darauf steht der Maibaum. Zeit, wieder ein Bataillon zu vernichten!
Nun wird der Baum mit Holzkeilen befestigt – und dann geht das Spektakel los, sich bejubeln zu lassen. Mehrere der jungen Männer klettern hinauf. Wenn sie es geschafft haben, prosten ihnen die anderen zu. Wenn es jemand nicht schafft, wird auch geprostet. Im Dorf hält man also unbedingt zusammen! Ob Sieg oder Niederlage, es wird begossen. Mit Musik. Die »Egerländer-Heidjer« geben ihr Bestes.
Nach etwa vier Bier macht mir die Musik nichts mehr aus. Zwar bin ich auch halbdienstlich hier, immerhin soll ich über Pfingstbräuche schreiben, aber da Maren neben mir steht, habe ich jedes Recht, mich privat zu fühlen. Also beginne auch ich mit den anderen zu schunkeln. Die »Egerländer« sind zwar nicht das Original, sie spielen aber doch Ernst Hutter rauf und runter. »Grüß mir mein Heimatland!«, »Alte Liebe«, »Am großen Brunnen« und, passend zum Baum, »Drei weiße Birken« heizen uns emotional ein, Bier und Schnaps besorgen den physischen Rest. Der Bandleader meint, die Songs kämen von der CD »Das Feuer brennt weiter!«. Na, das passt ja auch. Ich hoffe nur, heute Abend feiert der Brandstifter mit und ist dann so betrunken, dass er keinen Unfug mehr anrichten kann.
Ich schaue mir die Leute um mich herum an. Die meisten Feuerwehrleute stehen an der Theke und löschen eifrig ihren Brand. Gerd hat sich zu den jungen Männern gesetzt, die wieder ein Tablett kreisen lassen. Kerstin bleibt, wie es aussieht, nüchtern. Sie kassiert für die Bratwurst. Ich entdecke jetzt auch Jonas. Er sitzt neben Kerstin, ebenfalls in Uniform. Andere aus dem Team vom Tagungshaus sehe ich nicht. Vielleicht ist dieses Maibaumpflanzen doch eher etwas »Heidnisches«, geht mir durch den Kopf.
Ob jemand von den hier Anwesenden mit den Bränden zu tun hat? Jemand von der Feuerwehr? Oder die anderen? Ich schüttle mich, als Gerald mir zum wiederholten Mal ein Schnapsglas über den Tisch schiebt. Wenn es den anderen ähnlich ergeht wie mir, dann verdächtigt in Kürze jeder hier im Dorf jeden. Ich hoffe nur, damit ist bald Schluss.
Noch vier Schnaps weiter zieht Maren mich vom Tisch weg. »Jens, es ist genug! Auch wenn du ihn wie die anderen hier immer weiter begießt, dieser Maibaum wird nicht anwachsen! Außerdem wollen wir noch ins Konzert.«
Gerald und Enno, der inzwischen auch an unserem Tisch steht, widersprechen ihr und wollen mich nicht gehen lassen. Maren jedoch ist bei so etwas unerbittlich.
»Jens, du kannst ja noch bleiben. Ich jedenfalls gehe jetzt!«
Corinna und auch Geralds Frau erklären sich solidarisch. Auch sie wollen nicht bleiben, sondern jetzt sofort diese wunderbare dörfliche Gemeinschaft verlassen. Keine Ahnung, warum. Corinna ruft nach ihren Jungs, die mit ihren Fahrrädern und zwei anderen Jungen Wettrennen veranstalten. Nicht einmal zehn Sekunden bleiben Gerald und mir für die Entscheidung.
Wir zögern einen Moment zu lange. Maren hat sich ihre Handtasche geschnappt und geht. Corinna folgt ihr. Ihre Jungs radeln bereits los. Geralds Frau zögert noch. Vielleicht hat sie Angst um ihren Mann.
»Geh ruhig mit!« meint er großzügig. »Ich