Vier Jahre digitaler Nomade. Daniel Schöberl
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Wie alles begann – im Angsthasen-Modus zum digitalen Nomaden
Als ich im Jahr 2010 für ein halbes Jahr im südafrikanischen Durban gelebt habe, um dort mein Praxissemester zu absolvieren, konnte ich erste Erfahrungen als digitaler Nomade sammeln – zwar als Praktikant bei einer Non-Profit-Organisation, aber nebenbei finanzierte ich mir durch ein Online-Projekt für einen namhaften Sportartikelhersteller den Aufenthalt. Es war eine nicht ganz stressfreie Zeit im Regenbogenland, aber der zusätzliche Aufwand war es wert. Reisen und arbeiten – das fühlte sich schon damals gut an.
Genau diese Erfahrung hat dazu geführt, dass ich meinen Arbeitgeber im Jahr 2015 darum gebeten habe, meine Stunden auf siebzig Prozent zu reduzieren. Ich wollte mir dadurch mehr Zeit für eigene Projekte freischaufeln. Um mich komplett der Selbstständigkeit zu widmen, machte mir meine Arbeit als Head of Social Media in einer Offenburger Agentur zu viel Spaß. Außerdem – das muss ich zugeben – hatte ich großen Bammel, alles auf eine Karte zu setzen und am Ende mit nichts dazustehen. Ich entschied mich daher, den Angsthasen-Modus zu wählen.
Mein primäres Ziel war es, mehr Zeit für eigene Projekte zu haben und mir ein kleines Business als sogenannter Sidepreneur aufzubauen. Inspiriert wurde ich unter anderem von Tim Ferriss und seinem Buch „The 4 Hour Workweek”. Er plädiert dafür, seinen eigenen Weg zu gehen und gibt zahlreiche Tipps für strukturiertes und effizientes Arbeiten. Ob diese wirklich so leicht in die Tat umzusetzen sind, sollte ich in den Jahren darauf selbst feststellen.
Die Reduzierung meiner Vierzig-Stunden-Woche auf achtundzwanzig Stunden bedeutete, dass mir der halbe Donnerstag und der komplette Freitag zur freien Verfügung standen. Diese Zeit wollte ich sinnvoll nutzen. Um meine Selbstdisziplin zu wahren, nahm ich mir vor, einen halben Tag pro Woche in Cafés zu verbringen, um in Ruhe Ideen zu sammeln, Blogbeiträge zu schreiben und E-Mails abzuarbeiten. An den Freitagen nistete ich mich für das erste Quartal des Jahres 2015 in einem Co-Working-Space in Offenburg ein. Obwohl Co-Working hier vielleicht der falsche Begriff ist – meist hatte ich die Örtlichkeit für mich.
Da ich donnerstags nach der Mittagspause „frei” war, machte sich ein erstes Gefühl von Ortsunabhängigkeit und Selbstbestimmtheit breit. Es waren genau die Gegebenheiten, nach denen ich mich von meinem Schreibtisch in der Agentur aus so gesehnt hatte. Ich war angefixt – mehr als jemals zuvor. Von da an ergriff ich erste Schritte, um mir einen minimalistischeren Lebensstil anzueignen. Auf einen solchen würde ich mich als Dauerreisender ohne große Besitztümer schließlich einstellen müssen. Ich suchte mir eine neue Wohnung und zog von meiner riesigen Bleibe im Obergeschoss mit zwei Balkonen in der Nähe eines Badesees in eine kleine Kellerwohnung. Kisten, die ich seit dem letzten Umzug nicht geöffnet hatte, wurden in den Container geworfen. Alles, was ich im vergangenen Jahr nicht gebraucht hatte, entsorgte ich. In Büchern und Blogs las ich, dass eine solche Aussortierung und Beschränkung auf das Nötigste befreiend wirken sollte. Und ja, so war es in der Tat.
Das klingt für dich vermutlich zu Beginn des Buches etwas rabiat, aber Konsequenz und Zielorientierung sind zwei wichtige Eigenschaften, um digitaler Nomade zu werden. Dennoch kann ich dir empfehlen, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Auch ich habe mich im Angsthasen-Modus an den neuen Lebensstil gewagt. Durch meine Anstellung fühlte ich mich finanziell abgesichert und durch die Reduzierung der Arbeitsstunden hatte ich die Möglichkeit, mehr Zeit in meine langsam anlaufenden Projekte zu stecken.
Bevor du deinen Job kündigst und nicht weißt, wie du Geld verdienen kannst, bitte deinen Chef um eine Reduzierung der Arbeitszeit. Es ist eine Win-win-Situation für beide Seiten. Du gewinnst dadurch mehr Zeit für deine Projekte und verfügst über ein gesichertes Grundeinkommen. Dein Vorgesetzter kann weiterhin auf dich und deine Expertise zurückgreifen und muss weder einen Nachfolger suchen noch diesen einlernen, was oftmals enorme Kosten verursacht.
Zwischenstand beim Projekt „digitaler Nomade”
Knapp fünf Monate waren vergangen, seitdem ich mich entschlossen hatte, nur noch in Teilzeit zu arbeiten und mich langsam auf ein Leben als digitaler Nomade einzustimmen. Wie aber hatte sich mein Angsthasen-Modus seitdem entwickelt?
Der Tagesablauf von Montag bis einschließlich Mittwoch war für mich genauso wie im vergangenen Jahr als Vollzeit-Angestellter: Ich saß wie gewohnt meine acht Stunden pro Tag in der Agentur ab, typisch 9-to-5 eben. Donnerstags verabschiedete ich mich jedoch bereits nach der Mittagspause beim italienischen Pizza-Bus von meinen Kollegen und war auf mich allein gestellt.
Versteh mich nicht falsch, meine Angestelltentätigkeit machte mir enorm viel Spaß, doch für die restliche Woche mein eigener Chef zu sein hatte für mich einen unfassbar großen Reiz. Jedes Mal, wenn ich meinen Laptop aufklappte, war ich motiviert und die Ideen sprudelten nur so aus mir heraus. Wie heißt es doch so schön: „Arbeite nicht für die Träume eines anderen, sondern für deine eigenen.” Ein plumper Spruch, an dem viel Wahres dran ist.
Jeden Donnerstag konnte ich es kaum erwarten, mich hinter meine Projekte zu klemmen und bis spät in die Nacht daran zu basteln. Ob ich das bei gutem Wetter am Badesee machte, in einem kleinen Café in der Offenburger Innenstadt oder an meinem Schreibtisch in meiner kleinen, dunklen Kellerwohnung machte keinen Unterschied. Ich konnte frei entscheiden, wo und wie lange ich Zeit für meine Projekte investieren wollte oder den Kopf bei einer Runde Sport freibekommen wollte.
Freitag war der Tag, an dem ich mich dazu zwang, acht Stunden am Stück effektiv zu arbeiten. Im Digitalen-Nomaden-Jargon würde ich für diesen Arbeitseinsatz den Begriff „hustlen” verwenden. Sogar manch eine Party ließ ich aus, um voranzukommen. Was war ich nur für ein Langweiler geworden – zumindest in den Augen der anderen.
Was die Projekte, an denen ich zu diesem Zeitpunkt arbeitete, betrifft, so hatte ich mich mit dem Anbieten von Dienstleistungen im Bereich Social Media und dem Bloggen auf zwei Einnahmequellen fokussiert.
Während eines Praxissemesters in Berlin bei Deutschlands größter Extremsport-Website hatte ich mich im Jahr 2008 mit dem Social-Media-Virus infiziert. Damals hatte ich mich mit Plattformen wie myspace.com, lokalisten.de und studiVZ beschäftigt, die längst nicht mehr aktuell sind. Meine Begeisterung für soziale Medien ist allerdings geblieben, weshalb ich nach meinem Sportmanagement-Studium einen Job als Social-Media-Manager und später Head of Social Media in einer Offenburger Agentur annahm und auch meine Selbstständigkeit auf Freelancer-Tätigkeiten in diesem Bereich ausrichtete.
An meine Kunden kam ich glücklicherweise durch Mund-zu-Mund-Propaganda, ohne Kaltakquise betreiben zu müssen. Vor allem in meinem Bekanntenkreis sprach sich schnell herum, dass ich als Freelancer arbeitete. Das führte sogar zu zeitlichen Defiziten, weshalb ich drei potenziellen Kunden absagen musste – ein Luxusproblem, für das ich sehr dankbar war.
Das Problem bei meinen ersten Kunden bestand nicht darin, dass es mir keinen Spaß machte, sie zu betreuen, sondern dass sie thematisch weit von meiner zweiten Passion – dem Sport – entfernt waren. Nach dem Abschluss meines Sportmanagement-Studiums im Jahr 2011 hatte ich immer wieder den Drang verspürt, in dieser Richtung zu arbeiten. Ich musste mir also etwas Neues ausdenken. Schon wenig später entwarf ich plusonelike. Es ist ein kleines Unternehmen, mit dem ich heute noch als Dienstleister Geld im digitalen Sportmarketing – und im Online-Marketing allgemein – verdiene.
Eine weitere Leidenschaft von mir ist das Bloggen. Im Jahr 2008 hatte ich mich durch mein