Tahiti. Gerstäcker Friedrich
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„Nun, René, so in Gedanken?" sagte plötzlich neben ihm eine freundliche Stimme, und eine Hand berührte leise seine Schulter - „an was denkst Du?"
Der Angeredete fuhr wie erschreckt aus seinem Nachdenken empor und schaute sich um; als er aber den Sprechenden erkannte, sagte er rasch und fast erfreut:
„Es ist mir lieb, Adolphe, daß Du gerade in diesem Augenblick zu mir kommst, ich bin eben mit meinem Entschluß in's Reine gekommen - ich verlasse dies Schiff."
„Thorheit," sagte Adolphe kopfschüttelnd - „Du kennst die Verhältnisse hier nicht, René. Kämst Du wirklich glücklich an Land, so brauchte der Capitain nur eine unbedeutende Belohnung auf Deinen Fang zu setzen und Du würdest rettungslos ausgeliefert. Ich bin schon früher hier gewesen und habe den Fall zweimal ausgeführt gesehen. Die Eingeborenen sind seelensgut, aber wie die Kinder - ein Spielzeug könnte sie zu irgend etwas verführen - sei es nun zum Guten oder zum Bösen."
„Hab' ich erst festen Boden unter den Füßen, so könnten sie mich nur als Leiche wieder zurückschaffen," murmelte René mit düsterem Blick und fester Entschlossenheit zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch.
„Das wäre Thorheit," sagte aber sein älterer Freund, ein Landsmann von ihm und jetzt dritter Harpunier auf dem Delaware, der mit René schon in Algier gefochten und in Kanada gejagt, und damals Alles versucht hatte, ihm einen so tollen Entschluß, wenn auch vergebens, auszureden: als gemeiner Matrose das Leben eines Walfischfängers zu versuchen. „Du bist noch jung, René, und das Leben steht Dir weit und freudig offen, bring Dich deshalb nicht gleich um Alles, blos weil es Dir in den Sinn kommt, die Suppe, die Du Dir selber eingebrockt, nicht ausessen zu wollen. Ein, höchstens zwei Jahre, und Du bist wieder frei wie der Vogel in der Luft, und selbst diese Zeit wird Dir dann, so schmerzvoll und entsetzlich sie Dir jetzt auch scheint, eine freudige, /10/ vielleicht liebere Erinnerung sein, als manch' frohe und glücklich verlebte Stunde."
„Ich halt' es nicht aus, Adolphe, ich halt' cs bei Gott nicht aus" sagte René kopfschüttelnd - „hier unter dem rohen Volk noch Jahre lang bleiben und an Geist und Körper zu Grunde gehen - ich vermag es nicht. Du weißt dabei, wie nahe ich zweimal schon daran war, mit dem Capitain selber, der fast schlimmer ist als der Schlimmste seiner Leute, zusammen zu gerathen, und wer schützt mich dann vielleicht sogar vor seinen rohen Mißhandlungen? Das Resultat bliebe dasselbe, auch das ertrüge ich nicht. Lieber will ich deshalb mein Leben hier wagen, wo mir noch die Möglichkeit eines Entkommens bleibt, als zuletzt gezwungen werden, dem Capitain ein Messer in den Leib zu rennen und über Bord zu springen. Nein, Adolphe, ich bin fest entschlossen" setzte er leise, aber mit ruhiger und überzeugter Stimme hinzu. - „Die erste Gelegenheit, die sich mir bietet an Land zu kommen, benutz' ich, - ich weiß und fühle, daß mir nichts Schlimmeres begegnen kann, als was ich setzt in Seelenqual und innerer Unruhe zu leiden habe."
„Hol's der Henker," sagte Adolphe nach kurzem Sinnen - „wer weiß, ob ich's nicht an Deiner Stelle und mit Deinem jungen Blut in den Adern am Ende auch thäte. Aber wie willst Du's ausführen? Es ist noch ganz ungewiß, ob der alte Teufel ein Boot abschickt, Erfrischungen einzunehmen oder nicht, - er traut uns Allen miteinander nicht."
„Doch" entgcgnete ihm René - „ich habe vorher zufällig gehört, daß unser Boot mit dem ersten Harpunier morgen mit Tagesanbruch hinüber soll, Brodfrucht und Cocosnüsse abzuholen. Die Gelegenheit will ich jedenfalls benutzen, noch dazu da es einen Vorwand giebt, reichliche Kleider mitzunehmen. - Die Leute haben ja sonst nichts, sich Kleinigkeiten von den Eingeborenen einzutauschen."
„Und sowie Du im Wald drin bist," sagte Adolphe immer noch kopfschüttelnd, „hetzt der alte Seehund von Harpunier Dir die ganze Einwohnerschaft hinterher - wie willst Du ihnen entgehen? - René, René es ist wahr, das Land liegt wohl verlockend genug vor uns da, und selbst mir /11/ zuckt's in den Knochen, einmal frei darauf herum zu spazieren und von diesem - verdammten Marterkasten los zu kommen, aber - ich weiß doch nicht - hast Du einmal das Schiff verlassen und wirst wieder eingefangen, so kommst Du nachher erst in eine Hölle, wenn Du vorher in keiner gewesen bist. Ich glaube nicht, daß es zwei Tage dauert, ehe sie Dich wieder haben - und die zwei Tage verlebst Du wie ein gehetzter Wolf."
„Und es hilft doch nichts," lächelte Rcné trübe; „ich hab's mir einmal in den Kopf gesetzt, und ich führ' es aus, mag daraus entstehen, was da will. Schlimmer kann's nicht werden."
„Doch, doch," sagte Adolphe, „es kann noch viel, viel schlimmer werden. Du hast es noch nicht gesehen, wenn es an Bord eines Schiffes einmal recht schlimm ist," setzte er schaudernd hinzu - „und ich verlang' es ebenfalls nie, nie wieder zu erleben. Außerdem bist Du der Sprache gar nicht mächtig - wie willst Du Dich den Leuten verständlich machen? René, es geht in der Welt Alles nach Eigennutz - bist Du erst einmal älter, wirst Du das auch selber erfahren - und die Eingeborenen hier wissen recht gut, daß sie von einem entlaufenen Matrosen nicht viel Gutes und gar keinen Nutzen zu gewärtigen haben, während ihnen der Capitain eine Masse Sachen geben kann, die für sie und ihr einfaches Leben förmliche Schätze sind."
„Ich habe Geld bei mir," sagte René rasch. - „Peste, Ich brauche des alten Schuftes Blutgeld nicht, mir meine Bahn auch im schlimmsten Fall zu erkaufen, wenn cs denn nicht anders sein kann."
„Das ist schon ein sehr großer Vortheil," lächelte Adolphe, „und cs werden wenig Matrosen von Walfischfängern weglaufen, die wirklich einen Franc in der Tasche haben, aber der Capitain bleibt immer im Vortheil. - Aexte, Beile, Kattune und Schmuck, und besonders Spirituosen sind ihnen weit lieber als Geld, und über derlei Sachen hast Du doch nicht zu verfügen."
„Vernünftiger Weise magst Du Recht haben, Adolphe," lächelte der junge Mann auf alle diese Argumente - „und /12/ ich glaube selbst, daß es ein fast verzweifelter Schritt ist, auf einer so kleinen Insel zu entlaufen - die Möglichkeit ist immer eher da, daß man eingefangen wird."
„Sag' lieber die Wahrscheinlichkeit," unterbrach ihn Adolphe.
„Und meinethalben auch die Wahrscheinlichkeit," murmelte René zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch, „ich habe mir aber noch nie etwas so fest vorgenommen, ohne es durchzuführen, und - den Versuch will ich machen, oder zu Grunde gehen.'"
„Gut," lachte Adolphe, „sobald Du einmal so weit gekommen, ist es nicht nöthig, mehr darüber zu sprechen. Meine Wünsche für Dein Wohl hast Du übrigens, und ich wollte nur, daß ich Dir in irgend etwas dabei nützlich sein könnte; ich sehe nur nicht ein wie."
„Wer weiß, wie sich das Alles machen kann," sagte René - „aber auf dem Quarterdeck werfen sie schon wieder die Falle los - in der Mitternachtswache möcht' ich Dir noch etwas sagen."
„Ship about," unterbrach ihn hier der eintönige Ruf; die Leute traten sämmtliche an ihre Posten, und das Schiff wurde über den andern Bug gelegt, jetzt wieder vom Lande abhaltend. Mit der nächsten Morgendämmerung hatten sie die Küste, und zwar eine kleine Art Bai, die von zwei auslaufsenden Korallenriffen gebildet wurde, gerade vor sich, und der Ruf des ersten Harpuniers sammelte die Leute in sein Boot. Mehrere dort schon aufgeschichtete Sachen, Handels- und Tauschartikel für die Eingeborenen, wurden hineingelegt - das Boot schwang frei und auf das Wasser nieder, und die Mannschaft legte sich in die Ruder.
„Was sind das für Pakete da vorn?" sagte der Harpunier, als sie eben von Bord abgestoßen waren, „wer hat die eingeworfen?"
„Ein paar Hemden und andere Kleinigkeiten, Mr. Rowsy," erwiderte Einer der Leute - „wir wollten uns auch 'was von Früchten eintauschen!"
„Und