Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann
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meiner Mutter sowie der Fürstin Nachricht davon gegeben habe. Leonardus schien über meinen plötzlichen Eifer verwundert;
ohne in mich zu dringen, suchte er doch auf diese und jene Weise zu erforschen, was mich wohl darauf gebracht haben könne,
nun mit einemmal auf meine Einweihung zum Klosterleben zu bestehen, denn er ahndete wohl, daß ein besonderes Ereignis mir
den Impuls dazu gegeben haben müsse. Eine innere Scham, die ich nicht zu überwinden vermochte, hielt mich zurück, ihm die
Wahrheit zu sagen, dagegen erzählte ich ihm mit dem Feuer der Exaltation, das noch in mir glühte, die wunderbaren
Begebenheiten meiner Kinderjahre, welche alle auf meine Bestimmung zum Klosterleben hindeuteten. Leonardus hörte mich
ruhig an, und ohne gerade gegen meine Visionen Zweifel vorzubringen, schien er doch sie nicht sonderlich zu beachten, er
äußerte vielmehr, wie das alles noch sehr wenig für die Echtheit meines Berufs spräche, da eben hier eine Illusion sehr möglich
sei. Überhaupt pflegte Leonardus nicht gern von den Visionen der Heiligen, ja selbst von den Wundern der ersten Verkündiger
des Christentums zu sprechen, und es gab Augenblicke, in denen ich in Versuchung geriet, ihn für einen heimlichen Zweifler zu
halten. Einst erdreistete ich mich, um ihn zu irgend einer bestimmten Äußerung zu nötigen, von den Verächtern des katholischen
Glaubens zu sprechen und vorzüglich auf diejenigen zu schmälen, die im kindischen Übermute alles Übersinnliche mit dem
heillosen Schimpfworte des Aberglaubens abfertigten. Leonardus sprach sanft lächelnd: »Mein Sohn, der Unglaube ist der ärgste
Aberglaube«, und fing ein anderes Gespräch von fremden gleichgültigen Dingen an. Erst später durfte ich eingehen in seine
herrliche Gedanken über den mystischen Teil unserer Religion, der die geheimnisvolle Verbindung unsers geistigen Prinzips mit
höheren Wesen in sich schließt, und mußte mir denn wohl gestehen, daß Leonardus die Mitteilung alles des Sublimen, das aus
seinem Innersten sich ergoß, mit Recht nur für die höchste Weihe seiner Schüler aufsparte. –
Meine Mutter schrieb mir, wie sie es längst geahnet, daß der weltgeistliche Stand mir nicht genügen, sondern daß ich das
Klosterleben erwählen werde. Am Medardustage sei ihr der alte Pilgersmann aus der heiligen Linde erschienen und habe mich
im Ordenskleide der Kapuziner an der Hand geführt. Auch die Fürstin war mit meinem Vorhaben ganz einverstanden. Beide sah
ich noch einmal vor meiner Einkleidung, welche, da mir, meinem innigsten Wunsche gemäß, die Hälfte des Noviziats erlassen
wurde, sehr bald erfolgte. Ich nahm auf Veranlassung der Vision meiner Mutter den Klosternamen Medardus an. –
Das Verhältnis der Brüder untereinander, die innere Einrichtung rücksichts der Andachtsübungen und der ganzen Lebensweise
im Kloster bewährte sich ganz in der Art, wie sie mir bei dem ersten Blick erschienen. Die gemütliche Ruhe, die in allem
herrschte, goß den himmlischen Frieden in meine Seele, wie er mich, gleich einem seligen Traum aus der ersten Zeit meiner
frühsten Kinderjahre im Kloster der heiligen Linde umschwebte. Während des feierlichen Akts meiner Einkleidung erblickte ich
unter den Zuschauern des Konzertmeisters Schwester; sie sah ganz schwermütig aus, und ich glaubte Tränen in ihren Augen zu
erblicken, aber vorüber war die Zeit der Versuchung, und vielleicht war es frevelnder Stolz auf den so leicht erfochtenen Sieg, der
mir das Lächeln abnötigte, welches der an meiner Seite wandelnde Bruder Cyrillus bemerkte. »Worüber erfreuest du dich so,
mein Bruder?« frug Cyrillus. »Soll ich denn nicht froh sein, wenn ich der schnöden Welt und ihrem Tand entsage?« antwortete ich,
aber nicht zu leugnen ist es, daß, indem ich diese Worte sprach, ein unheimliches Gefühl, plötzlich das Innerste durchbebend,
mich Lügen strafte. – Doch dies war die letzte Anwandlung irdischer Selbstsucht, nach der jene Ruhe des Geistes eintrat. Wäre
sie nimmer von mir gewichen, aber die Macht des Feindes ist groß! – Wer mag der Stärke seiner Waffen, wer mag seiner
Wachsamkeit vertrauen, wenn die unterirdischen Mächte lauern? –
Schon fünf Jahre war ich im Kloster, als nach der Verordnung des Priors mir der Bruder Cyrillus, der alt und schwach worden, die
Aufsicht über die reiche Reliquienkammer des Klosters übergeben sollte. Da befanden sich allerlei Knochen von Heiligen, Späne
aus dem Kreuze des Erlösers und andere Heiligtümer, die in saubern Glasschränken aufbewahrt und an gewissen Tagen dem
Volk zur Erbauung ausgestellt wurden. Der Bruder Cyrillus machte mich mit jedem Stücke sowie mit den Dokumenten, die über
ihre Echtheit und über die Wunder, welche sie bewirkt, vorhanden, bekannt. Er stand rücksichts der geistigen Ausbildung unserm
Prior an der Seite, und um so weniger trug ich Bedenken, das zu äußern, was sich gewaltsam aus meinem Innern hervordrängte.
»Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus,« sagte ich, »alle diese Dinge gewiß und wahrhaftig das sein, wofür man sie ausgibt? –
Sollte auch hier nicht die betrügerische Habsucht manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes
Heiligen gilt? So z.B. besitzt irgend ein Kloster das ganze Kreuz unsers Erlösers, und doch zeigt man überall wieder so viel
Späne davon, daß, wie jemand von uns selbst, freilich in freveligem Spott, behauptete, unser Kloster ein ganzes Jahr hindurch
damit geheizt werden könnte.« – »Es geziemt uns wohl eigentlich nicht,« erwiderte der Bruder Cyrillus, »diese Dinge einer
solchen Untersuchung zu unterziehen, allein offenherzig gestanden, bin ich der Meinung, daß, der darüber sprechenden
Dokumente unerachtet, wohl wenige dieser Dinge das sein dürften, wofür man sie ausgibt. Allein es scheint mir auch gar nicht
darauf anzukommen. Merke wohl auf, lieber Bruder Medardus, wie ich und unser Prior darüber denken, und du wirst unsere
Religion in neuer Glorie erblicken. Ist es nicht herrlich, lieber Bruder Medardus, daß unsere Kirche darnach trachtet, jene
geheimnisvollen Fäden zu erfassen, die das Sinnliche mit dem Übersinnlichen verknüpfen, ja unseren zum irdischen Leben und
Sein gediehenen Organism so anzuregen, daß sein Ursprung aus dem höhern geistigen Prinzip, ja seine innige Verwandtschaft
mit dem wunderbaren Wesen, dessen