Unter Musketenfeuer. Ole R. Börgdahl

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Unter Musketenfeuer - Ole R. Börgdahl Falk-Hanson-Reihe

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Weste, der mich kopfschüttelnd betrachtete.

      »Hast mich vorhin nicht erkannt, was?«, sagte er vorwurfsvoll.

      Ich richtete mich auf, als er in die Hocke ging. Ich schüttelte den Kopf. Er nahm die Mütze ab. Erst jetzt konnte ich sein Gesicht richtig sehen, ich versuchte mich zu erinnern. Er kam mir jedoch zuvor.

      »Björn Holm, ich bin auf der Odette gefahren, war einer von Lars Söders Piraten.«

      Und jetzt erkannte ich ihn. Björn Holms Familie stammte aus Lomma, sein Vater war einer unserer Zimmerleute. Den Sohn hatte es aber zur Handelsmarine gezogen. Mir war schon bekannt, dass er schließlich auf der Odette angeheuert hatte.

      »Piraten?«, wiederholte ich leise.

      Er grinste. »Du weißt doch, was wir gemacht haben.« Björn Holm sah sich kurz um. »Aber das das hier keiner mitbekommt.« Er zögerte kurz, sah sich noch einmal um. »Du hast ihm doch damals auch geholfen, dem Lars?«, sagte er.

      Ich überlegte. »Du meinst die Sache mit der Miliz?«

      »Ja, das mit den verdammten Bluthunden. Vor zwei Jahren war das. Wir hatten unser Schmuggelgut gerade gelöscht. Lars hatte noch etwas in Malmö zu erledigen. Da hat ihn wohl jemand verpfiffen. Er ist nicht am Treffpunkt erschienen, da sind wir mit der Odette wieder raus aufs Meer.«

      »Stimmt, ich habe ihm geholfen«, sagte ich zögernd.

      Und natürlich erinnerte ich mich sofort an jene Nacht. Ein Zufall, dass ich überhaupt zu Besuch in Lomma war. Ich hatte mir vom Kanalbau eine Woche frei genommen. Es war schon nach zehn an diesem Abend. Ich wohnte in einem Nebengebäude auf dem Anwesen meiner Eltern, hatte bereits das Licht gelöscht und mich zu Bett begeben. Ich kann nicht sagen, woher Lars Söder wusste, dass er mich dort und an diesem Tag antreffen würde. Sein leises Klopfen holte mich aus einem merkwürdig unruhigen Schlaf. Ich erkannte ihn nicht sofort, als ich ihm die Tür öffnete.

      Lars Söder stammte aus Malmö. Elias und ich hatten ihn aber erst in Stockholm kennengelernt, in unserem ersten Jahr auf dem Laboratorium mechanicum. Er war älter als Elias und ich. Er schloss die Schule lange vor uns ab und fuhr zur See. Erst später hörten wir, dass er sein eigenes Schiff hatte, die Odette. Der verbotene Handel war sein Geschäft, er soll sogar bis nach Amerika gefahren sein, brachte Kaffee, Tee, Tabak und Zucker mit. Bis zum Jahr 1811 konnte er seine Waren gefahrlos in Schweden anlanden. Das Risiko bestand nur, auf dem Weg dorthin abgefangen zu werden. Doch dann war auch das Königreich Schweden gezwungen, härter gegen Schmuggler vorzugehen, die Kontinentalsperre Napoléons durchzusetzen. Dem fiel Lars Söder zum Opfer.

      In seiner Not und um der Verfolgung zu entgehen, zog er mich in die Sache hinein. Ich war natürlich bereit ihm zu helfen, nachdem er mich geweckt und mir seine Situation geschildert hatte. Er wollte ein Pferd, um zu entkommen. Ich konnte ihn aber nicht alleine gehenlassen, und so begleitete ich ihn. Wir ritten an der Küste entlang Richtung Norden. Wir versuchten Lars’ Verfolgern zu entkommen. Es gelang nicht. Die Miliz war vorbereitet, rückte auch von Helsingborg aus gegen den Schmuggler vor. Die Musketen krachten bereits hinter uns. Im schnellen Galopp erreichten wir wieder mehr Abstand zur Infanterie der Verfolger.

      Lars strebte einem Treffpunkt zu. Er glitt schließlich vom Pferd, verabschiedete sich und stürzte ins Meer. Ich begriff es erst nicht, dann sah ich auf dem Wasser kurz ein Laternenlicht aufflackern. Draußen wartete ein Kutter und noch weiter draußen lag ganz sicher die Odette. Lars musste ein guter Schwimmer sein, um sich zu retten. Ich konnte ihm dabei nicht mehr helfen, ich musste mich selbst in Sicherheit bringen.

      Ich nahm sein Pferd am Zügel und ritt in die Brandung hinein, damit sich für die Verfolger die Hufspuren verloren. Ich legte gut dreihundert Yards an der Küste entlang zurück. Erst dann ging ich wieder über den Strand auf das höhergelegene Land und in den Schutz eines Wäldchens. Ich konnte sie von dort aus gut sehen. Sie hatten Laternen und erkannten die Stelle, an der ich mit den Pferden ins Wasser gegangen war. Die Infanterie stellte sich zu Schützenreihen auf, Befehle wurden gegeben und erneut krachten die Musketen.

      Ich schätzte die Zeit ab und fragte mich, ob Lars seinen Kutter erreicht hatte. Auf dem Meer war nichts zu sehen. Die Miliz schoss weiter, noch drei, vier Salven. Eine zweite Abteilung suchte den Strand ab. Die Laternen zeigten mir an, wo sich die Männer bewegten. Sie suchten weit ab von meinem Versteck und so blieb ich noch.

      Es musste eine halbe Stunde vergangen sein, seit Lars über das Wasser entkommen war. Die Suchtrupps waren wieder zu den Schützen gestoßen, die Miliz hatte sich am Strand in Formation aufgestellt. Die Leute waren schon Abmarsch bereit, als es auf dem Meer plötzlich einen Lichtblitz gab, dem sofort ein Donnern folgte. Ich konnte das Pfeifen hören, dann klatschte die Kanonenkugel, die augenscheinlich von der Odette abgefeuert worden war, nur zehn, zwanzig Yards von der Brandungslinie entfernt ins Wasser. Die Infanterie begann zu rennen. Es machte für sie keinen Sinn, den Angriff mit ihren Musketen zu beantworten. Sie liefen eher Gefahr, weiteres Kanonenfeuer auf sich zu ziehen.

      Ich blieb eine weitere halbe Stunde in meinem Versteck und sah auf dem Meer tatsächlich noch einmal einen Laternenschein. Der Moment reichte aus, um zu sehen, dass die Odette unter Segeln stand und sich von der schwedischen Küste entfernte.

      »Dann stimmt es, dass du ihm den Hals gerettet hast«, stellte Björn Holm fest. »Er hat damals keinen Namen genannt ...«

      »Es ging mir aber doch auch um meine Sicherheit«, unterbrach ich ihn. »Sie hätten das Pferd gefunden und wären dann auf uns gekommen, wenn ich Lars alleine hätte reiten lassen.«

      Björn Holm nickte. »Das mag sein. Am Ende hat es ihn dann doch erwischt, ihn, alle Kameraden und die Odette auf den Grund des Meeres gebracht. Eine unserer Fregatten, ein Riese, gegen den die Odette keine Chance hatte. Die Bulletins haben ja alles groß gefeiert. Und heute pfeifen wir auf das was der Franzose sagt und helfen den Engländern und den Russen wo wir nur können. Es hat Lars zu früh erwischt.«

      »Und du bist entkommen?«, fragte ich.

      »Schicksal. Ich bin von Bord, hatte mir das Bein gebrochen. Einen Monat später ist es dann passiert.«

      »Und jetzt?«

      »Führe ich ein ruhiges Leben«, sagte Björn Holm. Er zögerte ein, zwei Sekunden. »Ich dachte du seist bald Herr über die Ziegelei und jetzt gehst du zu den Soldaten?«

      »Woher weist du das?«, fragte ich.

      »Man hört, was man hört. Du folgst dem Kronprinzen gegen diesen verdammten Napoléon.«

      »Das werden wir noch sehen, ob es überhaupt wieder zum Krieg kommt«, antwortete ich ausweichend.

      »Der Krieg geht weiter, ist ja nur ein Waffenstillstand.« Björn Holm lächelte. »Der Napoléon sammelt jetzt seine Kräfte und schlägt dann wieder zu, wie schon im Frühjahr. Da wird auch der Bernadotte, dieser andere Franzose, nichts daran ändern können.«

      »Was weißt du denn davon?«, fragte ich vorsichtig.

      »Was soll ich wissen.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, dass die Preußen und die Russen in Sachsen stehen. Denen kam der Waffenstillstand ganz recht, aber das wird ihnen am Ende nichts nutzen, auch wenn wir ihnen mit den dreißigtausend Mann zur Seite eilen, die erst kürzlich ausgehoben wurden.«

      »Dann bin ich wohl einer von den dreißigtausend«, sagte ich schnell.

      »Das ist doch mein Reden. Aber du brauchst mir nicht zu sagen, warum du das machst, ich glaube ich weiß das

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