Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft. Bernhard Domschcke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft - Bernhard Domschcke страница 14

Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft - Bernhard Domschcke Zeitzeugen des Sezessionskrieges

Скачать книгу

Die Rationen wurden mit jedem Tage erbärmlicher und namentlich wurde uns hier und da Fleisch geliefert, welches man keinem Hunde vorsetzen würde. Im Januar 1864 erhielten wir Fleisch, welches viele für Mauleselfleisch hielten (was es vielleicht auch war) obschon andere es für das Aas verendeter Tiere erklärten. Diese Vermutung mag richtig gewesen sein, denn zu derselben Zeit lasen wir in den Zeitungen, dass eine Herde Vieh auf der Eisenbahn von Danville nach Richmond in den Wagen vor Hunger und Kälte umgekommen sei. Es war durchaus nicht unwahrscheinlich, dass man das Fleisch dieser Tiere den Gefangenen gab. Zuweilen wurde uns auch eingesalzenes Fleisch geliefert, welches aber ebenso wenig zu gebrauchen war; es war hart, zäh und über alle Maßen salzig, sodass es, gekocht oder gebraten, nicht genießbar war. Den ärmsten unserer Genossen blieb nichts übrig, als die kleine Ration von Reis oder Bohnen in Wasser, ohne irgendwelchen Schmalz, zu kochen. Diese elende Suppe, nebst einem Laib Maisbrot, war ihre einzige Nahrung, wenn nicht einer der Bessergestellten ihnen zuweilen mit einer Kleinigkeit aushalf. Einzelne und namentlich die "königliche Familie" lebten im Überfluss; am Weihnachtsabend hatten sie eine vorzügliche Mahlzeit, welche gleichsam zum Hohne für die anderen, auf einer Tafel in der Küche aufgestellt war. Sie hatten ziemlich alles, was auf dem Markte von Richmond zu haben war und schmatzten vergnügt, während andere mit hungrigem Magen sich auf ihr hartes Lager begaben.

      An den Öfen war, wie bereits angemerkt, immer ein geschäftiges Leben und es fehlte auch nicht an komischen Szenen: Dem Einen gelang es nicht, das in der Regel nasse Holz zum Brennen zu bringen; er schnitzte kleine Stücke, setzte sie in Brand und blies dann aus Leibeskräften, um das im Ofen aufgesetzte Holz zu entfachen, aber trotz aller Bemühungen entwickelte sich nichts als Rauch aus dem glimmenden, nassen Kiefernholze. Ein zweiter war ungeschickt genug, seinen eigenen oder den Kessel eines anderen umzustoßen, wovon die Folge ein trauriges Gesicht oder eine laute Verwünschung war. Einem dritten passierte das Malheur, dass, als er, das Geschirr mit dem zubereiteten Mahle in der Hand, die in das obere Stockwerk führende Treppe hinaufstieg, er auf derselben ausglitt und den Kessel verlor, welcher mit lautem Gepolter die Treppe hinabstürzte; die Mahlzeit war zunichte gemacht und diejenigen, welche das Unglück sahen, waren unbarmherzig genug, zu lachen. Es ist schlimm, wenn ein Hungriger seine Mahlzeit verliert, namentlich dann, wenn er nichts hat, um dieselbe zu ersetzen. Der Hungrige steht dann wie vernichtet vor der auf dem Fußboden liegenden Speise und blickt mit rührender Wehmut auf das unwiederbringlich Verlorene. Dem Hungrigen geht dies sehr nahe, sein Nachbar lacht darüber.

      Die Küche war sehr oft mit Rauch ganz angefüllt, sodass es eine Pein war, in derselben zu kochen. Mehrmals mussten wir stundenlang in diesem Rauche bleiben, wenn nämlich genaue Abzählung gehalten werden sollte. In diesem Falle mussten alle die Säle verlassen und sich in die Küche begeben. Nachdem die Beamten sich überzeugt hatten, dass keiner zurückgeblieben war, wurde das Namensverzeichnis verlesen und jeder hatte, nachdem sein Name aufgerufen worden war, sich in die Säle zurückzubegeben. Ein solcher Anwesenheitsappell war überaus langweilig und der Rauch erhöhte die Unbehaglichkeit. Die Küche diente ferner als Fechtsaal. Eine Anzahl von Offizieren hatte sich Säbel aus Holz angefertigt und übte sich im Fechten. Auch die Rationen wurden in der Küche ausgeteilt. Eine Türe führte aus derselben direkt auf die Straße, war aber nur einige Stunden des Tages geöffnet und in diesem Falle natürlich bewacht.

      Wären die Esswaren, welche die Sanitätskommission uns schickte, gerecht verteilt worden, so hätte mancher von uns nicht zu hungern brauchen. Jene Gesellschaft, welche viel Gutes tat und an allen Orten zur Linderung der Leiden unserer verwundeten, kranken und gefangenen Soldaten wesentlich beitrug, sendete uns große Mengen von Kleidungsstücken und Esswaren, deren Verteilung die Rebellen-Beamten der "königlichen Familie" übertrugen. Wenn aber jemals Ungerechtigkeiten begangen wurden, so geschahen sie bei dieser Verteilung. Manche, welche die Günstlinge der "Familie" waren, erhielten im Überfluss und andere nichts; wer keinen Freund in der "Familie" hatte, ging leer aus. Es galt unter uns als eine ausgemachte Tatsache, dass die Rebellen-Beamten des "Libby" einen Teil der Sendungen der Sanitätskommission erhielten und dass die "Familie" selbst sich am reichlichsten bedachte, namentlich mit Esswaren. Als Agent der "Familie" fungierte ein gewisser Captain Forbes, welcher in strikter Übereinstimmung mit den Instruktionen von Sanderson und dessen Spießgesellen handelte und sich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, arrogant gegen diejenigen benahm, welche sich nicht des Schutzes oder der Empfehlung eines Mitgliedes der "Familie" zu erfreuen hatten. Letztere stellte sich so an, als ob sie es sei, welche die Waren geliefert habe. Es grämte uns arg, dass der gute Zweck, welchen die Sanitätskommission im Auge hatte, auf diese Weise zum Teil vereitelt wurde. Wir hatten schon früher bei anderen Gelegenheiten die Beobachtung gemacht, dass es bei der Verteilung der Waren nicht mit rechten Dingen zuging und im "Libby" hatten wir nur ein weiteres flagrantes Beispiel. Fast bei allen wohltätigen Unternehmungen wissen sich korrupte, unsaubere Burschen heranzudrängen und sich in die Verwaltung einzuschleichen, um ihrer angeborenen Unehrlichkeit ein neues Feld zu öffnen oder um Gelegenheit zu haben, ihre erschlichene Autorität fühlen zu lassen.

      Wie im "Libby", so waren auch unter der Bevölkerung von Richmond Teuerung, Not und Hunger an der Tagesordnung. Fast täglich versammelten sich Kinder und Erwachsene vor dem "Libby", um ein Stück Maisbrot von uns zu erhalten. Der Ärmere bettelte bei dem Armen. In der Stadt war freilich die Ansicht verbreitet, dass wir mindestens hinreichende Lebensmittel hätten, denn die Lügenzeitungen ließen keine Gelegenheit vorübergehen, ohne dem Publikum das Märchen aufzutischen, dass das Kommissariat uns bestens verpflege und dass unsere Freunde im Norden uns außerdem die reichsten Vorräte sendeten. Der "Examiner" erzählte eines Tages mit der größten Unbefangenheit, dass das "Libby" zwar ein Gefängnis sei, in Bezug auf die Verpflegung der Gefangenen aber einem guten Hotel keineswegs nachstehe, denn die Gefangenen hätten Überfluss nicht nur an gewöhnlichen Nahrungsmitteln, sondern auch an den ausgesuchtesten Delikatessen. Ein anderes Mal wurde darauf hingewiesen, dass es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit sei, die gefangenen "Barbaren", welche den heiligen Boden des Südens widerrechtlich betreten hätten, um zu plündern, zu sengen und zu brennen und die Unschuld der südstaatlichen Damen zu gefährden, human zu behandeln und gut zu füttern, während die konföderierten Soldaten, welche die Freiheit des Südens und die Sicherheit des häuslichen Heeres verteidigten, in schlechter Kleidung am Rappahannock River und in Tennessee lagern und darben müssten. Diese öfter wiederkehrenden Äußerungen der Presse mochten viele zu der Meinung geführt haben, dass das "Libby" eine große Vorratskammer sei und wir im Überfluss schwelgten. Dass die Teuerung und Not in Richmond groß war, erfuhren wir umständlich von den Wachen, mit welchen einzelne von uns des Abends von den Fenstern der Küche aus verstohlen sprachen. Sie erzählten, dass die meisten von ihnen kaum genug erhielten, um ihr eigenes Leben zu fristen, während ihre Familien geradezu dem Elend preisgegeben seien. Die Wachen nahmen gern Brot von uns und einige durstige Offiziere tauschten mit ihnen Maisbrot gegen schlechten Apfelbranntwein, dessen schlimme Wirkungen bei den Betroffenen nicht ausblieben. Auch die Zeitungen konnten, obschon sie über unangenehme Dinge nicht gern zu sprechen pflegten, nicht umhin, gelegentlich die herrschende Teuerung, die armseligen Finanzverhältnisse des Südens überhaupt und den Schaden und die Verluste zu erwähnen, welche die Konföderation durch den Krieg erlitten hatte. Was sie als eine ganz besondere Kalamität ansahen, war, dass so viele Neger mit ihren "heuchlerischen Freunden" auf und davon gingen, wodurch die Arbeitskraft vermindert und der Weiße gezwungen wurde, selbst zu arbeiten, wenn er sein Leben erhalten wollte. Im "Examiner" vom 7. Dezember '63 war eine Mitteilung über Suffolk enthalten, in welcher besonders hervorgehoben wurde, "dass die weißen Herren und Damen alle Arbeit verrichten müssten, welche früher von den Dienstboten verrichtet wurde." Wäre nicht die bleiche Not bei diesen "Damen und Herren" erschienen, so hätten sie gewiss nicht zur Arbeit gegriffen, denn Arbeit war nach den Begriffen der Südstaatler eine Schande, namentlich solche Arbeit, welche zuvor von den Negern verrichtet worden war. "Not lehrt beten" heißt es im alten deutschen Sprichwort, aber im Süden heißt es: "Not lehrt arbeiten".

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте

Скачать книгу