Das Buch von der höchsten Wahrheit. Jan van Ruysbroeck
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In der That haben sie aber Gott verloren und alle Wege, die zu ihm führen können, denn sie haben ja nicht mehr Innerlichkeit und Andacht und heilige Übung als ein totes Tier. Es kommt aber auch vor, dass sie zu den Sak¬ramenten gehen, und Stellen aus der heiligen Schrift anführen, um sich desto besser beschönigen und decken zu können; dazu wählen sie aber aus der Schrift dunkle Worte, die sie fälschlich in ihrem Sinne drehen können, um anderen Menschen zu gefallen, und diese auf die Seite der falschen Ledigkeit zu ziehen, die sie fühlen.
Sehet, diese Leute meinen scharfsinniger und weiser zu sein, als irgend jemand anders, und trotzdem sind sie die plumpsten und rohesten die leben; denn was selbst Heiden und Juden und schlechte Christen, gelehrte und ungelehrte, durch natürliche Vernunft finden und verstehen, nicht einmal dazu können und wollen diese elenden Menschen kommen. - Vor dem Teufel könnt ihr das Kreuz machen, aber hütet euch ernstlich vor diesen verkehrten Menschen, und beobachtet sie scharf in ihren Worten und Werken.
Sie wollen lehren und von niemand Lehre annehmen, tadeln und von niemand getadelt sein, befehlen und niemand gehorchen. Sie wollen andere drücken, aber von niemandem gedrückt sein, wollen reden, was sie Lust haben, aber keine Widerrede dulden; sie kennen nur den eigenen Willen und sind niemandem unterthan: und das halten sie für geistliche Freiheit. Sie üben Freiheit des Fleisches, denn sie gewähren dem Leib, ewas ihm gelüstet; und das halten sie für Freiheit der Natur. Sie haben sich geeint in einer blinden dunklen Ledigkeit ihres eigenen Wesens, und meinen daselbst mit Gott eins zu sein, und halten das für die ewige Seligkeit. Dahin sind sie eingekehrt und das haben sie mit Eigenwillen und natürlicher Neigung in Besitz genommen, und um dessentwillen meinen sie über dem Gesetz, über den Geboten Gottes und der heiligen Kirche zu stehen. Sie fühlen ja über der wesentlichen Ruhe, die sie besitzen, nichts von Gott noch von Anderheit, da sich das göttliche Licht nicht in ihrem Dunkel zeigt. Es zeigt sich aber deshalb nicht, weil sie es nicht durch tätige Minne doch durch übernatürliche Freiheit gesucht haben.
Und darum sind sie von der Wahrheit und jeder Tugend in eine verkehrte Unähnlichkeit abgekommen, weil sie dahin die höchste Heiligkeit verlegen: dass der Mensch in jeder Hinsicht seiner Natur folge und ohne Zwang sei, auf dass er mit geneigtem Geiste in Ledigkeit wohnen könne, und daß er hinsichtlich der Lust des Fleisches bei jeder Bewegung nach außen kehren dürfe, um dem Fleisch genug zu tun und, schnell des Bildes gleichgültig geworden, ungehindert in die nackte Ledigkeit des Geistes wieder einkehren zu können. Seht, das ist eine höllische Frucht, die aus ihrem Unglauben erwächst, und damit wird der Unglaube genährt bis in den Tod.
Denn wenn die Zeit kommt, dass ihre Natur mit bitterem Weh und Todesangst beladen ist, dann werden sie voll von Bildern und friedlos und erschreckt von innen; dann verlassen sie ihre ledige Einkehr in die Ruhe und fallen in solche Hoffnungslosigkeit, dass niemand sie trösten kann; und da sterben sie wie tolle Hunde.
Ihrer Ledigkeit, der wird kein Lohn; wer aber böse Werke getan hat und darin stirbt, der gehört dem ewigen Feuer; - so lehrt unser Glaube. Ich habe euch nun das Böse gezeigt neben dem Guten, damit ihr das Gute umso besser verstehen und vor dem Bösen behütet werden möget. Solche Leute sollt ihr fliehen als die Todfeinde eurer Seelen, wie heilig sie auch erscheinen mögen in ihrem Gebaren, in ihren Werken, in ihrem Tun oder lassen. Denn sie sind der Boden des Teufels, und sind die gefährlichsten, die jetzt leben unter schlichten, ungelehrten und gutwilligen Menschen. Ich lasse es dabei bewenden und will wieder zu meiner Abhandlung zurückkommen, womit ich erst begonnen habe.
Einigung ohne Mittel.
Ihr erinnert euch, dass ich vorhin zeigte, wie alle Heiligen und alle guten Menschen mit Gott durch Mittel vereinigt sind. Nun will ich weiter erklären, wie sie alle mit Gott ohne Mittel geeinigt sind. Wenige sind es in diesem Leben, die dazu geeignet und genügend erleuchtet sind, um es fühlen und verstehen zu können. Wer daher die drei Einigungen, von denen ich spreche, in sich fühlen und erkennen soll, der muss vollständig und mit seinem ganzen Sein Gott leben, indem er der Gnade und den Antrieben Gottes in allen Tugenden und innerlichen Übungen genügt und folgsam ist.
Durch die Minne muss er erhoben werden, und in Gott sich und all seinem Thun ersterben; und zwar so, dass er selbst mit allen seinen Kräften weicht, und die Umgestaltung seitens der unbegreiflichen Wahrheit, die Gott selbst ist, sich vollziehen lässt. Dazu ist es nötig, dass er lebend ausgehe in Tugenden, und sterbend eingehe in Gott; in diesem beiden liegt sein vollkommenes Leben, und beides ist in ihm zusammengefügt wie Materie und Form, wie Seele und Leib. Und weil er sich hierin übt, so hat er klares, an Verständnis reiches und überströmendes Gefühl, denn er ist Gott hingegeben mit aufgerichteten Kräften, rechter Meinung, herzlicher Begierde, unablässiger Lust und mit lebendigem Ernste seines Geistes und seiner Natur.
Und weil er sich so übt und in Gottes Gegenwart hält, so überwältigt ihn die Minne, und, wie auch immer sie ihn bewege, er wächst fortwährend in Minne und allen Tugenden. Die Minne aber bewegt allzeit, dem Nutzen und der Tauglichkeit eines jeden entsprechend.
Von himmlischem Wohl und höllischem Weh.
Die nutzbringendsten Antriebe, die ein solcher Mensch fühlen kann, und zu denen er sich eignet, sind himmlisches Wohl und höllisches Weh, und die Fähigkeit, beiden zu antworten mit den entsprechenden Werken, die dazu gehören. Das himmlische Wohlsein erhebt den Menschen über alle Dinge in das freie Vermögen, Gott zu leben, und ihn zu minnen auf jede Weise, nach welcher Herz und Seele begehrt. Dann kommt die höllische Qual und beugt den Menschen nieder in ein Elend und in ein Entbehrender Labung und des Trostes, die er je vorher empfand.
In diesem Elend zeigt sich bisweilen das Wohl und bringt eine Hoffnung mit sich, die niemand leugnen kann. Und darauf fällt man wieder in eine Hoffnungslosigkeit, in der es keinen Trost gibt.
Wenn der Mensch Gott in sich fühlt mit reicher, voller Gnade, das nenne ich himmlisches Wohlsein oder himmlische Gesundheit, denn dann ist der Mensch weise und klar bei Verstand, überfließend von himmlischer Beleh¬rung, heiß und mild in Liebe, überfließend und trunken vor Freude, stark im Gefühl, kühn und schnell bereit zu allem was er weiß, das Gott wohlgefällt, und vieles derart, was nur die wissen können, die es fühlen. Wenn aber die Wagschale der Minne sinkt, wenn Gott sich mit all seiner Gnade verbirgt, dann fällt der Mensch wieder in Trostlosigkeit, in Qual und dunkles Elend, als ob er nimmermehr genesen sollte; dann fühlt er sich nicht anders als ein armer Sünder, der von Gott wenig oder nichts weiß. Aller Trost von Seite der Kreaturen ist ihm ein Verdruss; Geschmack und Trost von Gott wird ihm nicht. Und dann spricht seine Vernunft in ihm: wo ist nun dein Gott? Wohin ist alles gekommen, was du je von Gott fühltest?
Dann werden Tränen seine Speise bei Tag und Nacht, wie der Prophet sagt. Soll nun der Mensch von dieser Qual genesen, so muss er betrachten und empfinden, dass er nicht sich angehört, sondern Gott; und so muss er in freiem Willen Gottes den Selbstwillen vernichten und mit dem Verstand zu Gott hinwenden, in Zeit und Ewigkeit. Sobald der Mensch das ohne Betrübnis des Herzens, mit freiem Geiste tuen kann: sofort wird er gesund, und fühlt
den Himmel in die Hölle und die Hölle in den Himmel. Wie immer die Wagschale auf und niedergehe, er bleibt im Gleichgewicht. Was auch die Minne giebt oder nimmt, - wer sich selbst verleugnet, und Gott minnt, findet den Frieden. Wer im Leid ohne Widerwillen lebt, dessen Geist bleibt frei und unbewegt und er ist im stan¬de, unvermittelte Einheit mit Gott zu fühlen.
Denn die Einigung durch Mittel, die hat er erreicht im Reichtum der Tugend. Und deshalb fühlt er wenn er einträchtig und eines Willens mit Gott ist, Gott in sich samt der Fülle seiner Gnade, als eine lebendige Gesundheit eines Zustandes und seines Wirkens.
Warum nicht alle guten Menschen dahin gelangen.
Ihr könntet mich nun