Grundlegende Fragen spiritueller Sucher. Anton Weiß

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Grundlegende Fragen spiritueller Sucher - Anton Weiß

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einzige, was begriffen werden kann, ist meine Verfasstheit als Ich. Und das kann blitzartig geschehen. Diese Erkenntnis meiner Ausweglosigkeit im Ich würde ich als eine erste Stufe von Erleuchtung ansehen. Es ist der Beginn einer intensiven Auseinandersetzung, eines Ringens, das wohl in diesem Leben an kein Ende kommen wird.

      Dass es um die „Schau des eigenen ursprünglichen Wesens geht“ (Hui 19) ist einfach eine irreführende Aussage. Da kann ich noch so oft betonen, dass alles Reden nur hinweisende Funktion hat. Wenn ich solche Aussagen mache, dann kann das von Suchenden – und für solche ist das ja geschrieben – nur so verstanden werden, dass es darum geht, die „Schau des eigenen ursprünglichen Wesens“ anzustreben. Und das ist nicht möglich, denn damit wird das ursprüngliche Wesen zu einem Objekt gemacht, das geschaut werden könnte.

      Diese Verfasstheit, alles als Objekt zu betrachten, ist ja die fundamentale Gegebenheit der menschlichen Natur. Darin liegt die Subjekt-Objekt-Spaltung, in der sich der Mensch vorfindet, die ihm alles zum Objekt macht, einschließlich seiner selbst und seines Grundes, aus dem er lebt. Das ist ja die Krux des menschlichen Daseins; es ist das, was im christlichen Denken als Erbsünde bezeichnet wird. Und das ist so tief verankert, dass es einer ungeheueren Erschütterung bedarf, um das überhaupt zu begreifen, geschweige denn hinter sich zu lassen. Aber bevor sich das ereignet hat, kann man solche Ausdrucksweisen nur missverstehen und ist dann enttäuscht, wenn sich diese Schau trotz intensiven Bemühens nicht einstellt, weil es eben keine Schau eines ursprünglichen Wesens gibt!! Es gibt nur den totalen Zusammenbruch des denkenden Ichs – und dann schält sich der Mensch als der heraus, der er immer schon ist, in der Verbundenheit mit seinem ursprünglichen Wesen! Das war er immer schon, das hat er nie verlassen.

      Erleuchtung im Sinne einer Transzendierung des Ichs muss eine grundlegende Verwandlung des Menschen bewirken. Nur wenn das Ego transzendiert wird und damit der Mensch eine radikale Transformation erfährt, kann man von Erleuchtung sprechen. Nur ein Leben aus der Einheit mit seinem Selbst, das das bisherige Leben völlig verändert, kann als Erleuchtung angesehen werden. Damit gibt es einen entscheidenden und klaren Maßstab für die Erleuchtung. Sie ist kein innerpsychisch verbleibendes Geschehen, sondern hat notwendig Auswirkung auf das konkrete Leben. Und damit ist dieses Leben, diese Wirklichkeit des Daseins nicht Schein oder Illusion, sondern die einzige Wirklichkeit, die es gibt. Nur in ihr vollzieht sich Erleuchtung und wirkt sich darin aus. Erleuchtung im üblichen Sinne mag ein erhebendes Erlebnis sein, das steht hier aber keineswegs im Vordergrund. Im Vordergrund steht das Leben eines jetzt erst möglichen ganz normalen Lebens ohne jegliche Besonderheit, während ein Leben aus dem Ego immer wichtig, etwas Besonderes und Bedeutunghabendes ist. Es ist das, was bei Nisargadatta heißt: Sei einfach! Das ist Erleuchtung in dem Sinn, von dem ich spreche. Erleuchtung im ersten Sinn hat für mich wenig Bedeutung. Es ist das, was sich ein Ich erträumt, was aber nur marginale Bedeutung hat, eben weil es den Menschen nicht verändert. Sehr richtig bemerkt Jeff Foster: „Was für eine Riesenenttäuschung ist das für einen Verstand, der um so vieles mehr erwartet hat“ (126). Ich denke, dass ich nicht fehl gehe in der Einschätzung, dass sich alle Suchenden etwas völlig anderes unter Erleuchtung vorstellen, als es dann tatsächlich der Fall ist. Dem wird aber gerade durch die indische Advaita-Lehre Vorschub geleistet, durch den Zen-Buddhismus weniger.

      Ich möchte hier einige Begebenheiten aufzeigen, in denen sichtbar wird, dass in vielen spirituellen Texten sehr wohl zur Erleuchtung eine Veränderung des Menschseins gehört, wo sichtbar wird, dass alle sog. Erleuchtung nichts wert ist, wenn sie keine Verwandlung des Menschen bewirkt.

      Folgende Begebenheit erzählt Ajahn Brahm von sich selbst:

      Bei einer Meditation stürzen „tiefste Erkenntnisse“ über ihn herein und er war überzeugt: „Das war es. Die Erleuchtung.“ Leider hielt sie nicht sonderlich lang an. Am Tag nach der Nacht seiner Erleuchtung standen zwei unterschiedliche Gerichte auf dem Tisch. Der Abt bediente sich vor ihm und nahm sich von dem herrlichen Schweinecurry. Doch anstatt die Schüssel zu Brahm weiterzureichen, „schüttete er das leckere Schweinecurry zu dem vergammelten Fischcurry und rührte alles genüsslich um. … Ich war sprachlos. Ich schäumte. Ich war wutentbrannt“ schildert Brahm seine Situation. „Wie ein Blitz traf mich dann die Erkenntnis: Erleuchtete haben keine Lieblingsspeisen, werden nicht wütend und belegen ihren Abt nicht mit Schimpfnamen. … Doch ich war fuchsteufelswild, und das bedeutete, dass ich ganz und gar nicht erleuchtet war“ (197ff).

      Auch eine zweite Geschichte in „Die Kuh, die weinte“ verdeutlicht den Unterschied zwischen Erleuchtung und Erleuchtung: Ein junger japanischer Mönch wollte so rasch wie möglich Erleuchtung erlangen und meditierte allein auf einer Insel nahe einem berühmten Kloster auf dem Festland. Als der Klosterdiener, der ihn versorgte, wieder mit seinem Boot anlegte, übergab ihm der Mönch eine Botschaft für den Abt des Klosters, auf dem er sich teures Pergament, eine feine Feder und Tinte bester Qualität wünschte. Der Abt sollte wissen, wie weit er es nach drei Jahren Einsamkeit gebracht hatte. Die nächsten Tage machte sich der Mönch nach vielen Meditationen ans Werk und schrieb in denkbar schönster Schrift auf das edle Pergament folgendes Gedicht:

      Nach drei Jahren einsamer Meditation

      können die vier weltlichen Winde

      den gewissenhaften jungen Mönch

      nicht länger rühren.

      In der Gewissheit, es endlich geschafft zu haben und in der Überzeugung, dass er bald selbst zum Abt gedrängt würde, ließ er das Gedicht dem Abt zukommen.

      Als der Klosterbruder in der darauffolgenden Woche die Pergamentrolle zurückbrachte, riss der Mönch voller Aufregung das Band ab und entrollte das Pergament. Sein Gesicht wurde schneeweiß. Der Abt hatte hinter jede Zeile mit rotem Kugelschreiber „Furz!“ geschrieben.

      Das war zu viel. „Die Augen des jungen Mönchs wurden schmal vor Empörung“ und er ließ sich vom Diener augenblicklich zum Abt rudern. „Wütend stürzte er in das Büro des Abts, knallte das Pergament auf den Schreibtisch und verlangte eine Erklärung.“ Der Abt las das Gedicht laut vor, legte das Pergament weg, musterte den jungen Mönch und fuhr fort: „Hmm … Die vier weltlichen Winde können dich, junger Mönch, also nicht mehr rühren. Und doch haben dich vier kleine Fürze quer über den See geweht!“ (194ff).

      In beiden Erzählungen wird deutlich, dass Erleuchtung nur als solche anzusehen ist, wenn sie eine Verwandlung des Menschen bewirkt. Das allein ist maßgebend. Wenn das Streben nach dem Einssein mit dem Absoluten und dessen Erleben nicht zur Folge hat, dass der Mensch nun aus einem verwandelten Menschsein heraus sein Leben gestaltet, ist es nichts wert.

      Es erinnert mich an das Hohe Lied der Liebe bei Paulus im Neuen Testament: „Und wenn ihr alle Geistesgaben und alle Erkenntnisse und Weisheit hättet, hättet aber die Liebe nicht, so würde es euch nichts nützen.“

      So wie der junge Mönch glaubt, Erleuchtung erlangen zu können, ist sie als Objekt vorgestellt, d. h. es ist der Versuch des Ichs, Erleuchtung zu erlangen, und das muss scheitern.

      Er wäre viel besser beraten gewesen, an seiner Eitelkeit, seiner Arroganz und Wichtigkeit zu arbeiten als nach dem Einssein mit dem All-Einen zu streben. Nun ist er dazu gezwungen. So ist das Schicksal. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Ich-Tendenzen durch das Sich-eins-Wissen mit dem Absoluten abgebaut würden. Das sind tief verwurzelte Muster, die auszumerzen ein Leben wohl nicht ausreicht (vgl. den Vogel mit dem Seidenschal). Für viele reicht dieses eine Leben nicht dazu aus, sich überhaupt in seinem Ich-Sein zu durchschauen (das ist bei dem jungen Mönch noch gar nicht erfolgt), geschweige denn korrigierend einzugreifen. Und wer einzugreifen versucht wird schnell merken, wie sehr alles an der Oberfläche bleibt, was durch eigenes Bemühen erreicht wird. Es fällt beim kleinsten Windhauch um!

      Dieses Scheitern, von dem ich als Voraussetzung zur Erleuchtung überzeugt bin, wird

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