Grundlegende Fragen spiritueller Sucher. Anton Weiß

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Grundlegende Fragen spiritueller Sucher - Anton Weiß

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intelligenten Mönch namens Kyogen sagt Meister Isan: „Ich will von dir nichts hören, was deinem Wissen und Studieren entspringt. Gib mir nur das letzte Wort über dein Wesen, bevor du geboren wurdest.“ Das stürzte Kyogen in tiefste Verzweiflung. Ohne Hoffnung, dass er jemals Erleuchtung finden werde, verließ er Meister Isan in Verzweiflung. Wenn er schon selbst nicht zur Erleuchtung kommen konnte, so wollte er wenigstens das Grab eines verstorbenen Meisters pflegen. „Eines Tages, als er die angehäuften Blätter, ohne auch nur einen einzigen Gedanken zu hegen, in der Verfassung von Nicht-Geist zusammenfegte, sprang ein kleiner Stein vom Besen weg und schlug gegen einen Bambusstamm. Bei diesem Ton erfuhr Kyogen große Erleuchtung“ (Hui 186f).

      Diese Geschichte ist deshalb so interessant, weil sie zwei der drei Elemente zeigt, die meines Erachtens Erleuchtung ausmachen:

      1 Das, worum es geht, kann nicht vom Verstand her erreicht werden

      2 Nur die Verzweiflung bewirkt die Transzendierung des Verstandes bzw. des Ichs

      Als das dritte Element, und zwar als das wichtigste, sehe ich die Transformation des Menschen an, die stattfinden muss. Um diese geht es bei allen Erleuchtungsbemühungen. Sie kann durchaus durch so ein Erlebnis wie es Kyogen widerfuhr, initiiert werden. Sie kann auch durch einen psychischen Zusammenbruch initiiert werden, wie es bei mir der Fall war. Eine plötzliche Erleuchtung aber kann nur der Beginn eines Prozesses sein, an dessen Ende die völlige Vernichtung des Ichs steht und damit das In–Erscheinung-Treten des Neuen Menschen, der er aber immer schon war - oder diese Vernichtung hat sich in einem früheren Leben schon ereignet. Ob Kyogen im weiteren Verlauf seines Lebens auf dem Weg der Transformation fortschreitet, geht aus der Geschichte nicht hervor, ich gehe aber davon aus.

      Ich habe bei vielen Erleuchtungs-Geschichten den Eindruck, dass es sich verhält wie bei einer Hochzeit: Die Hochzeit wird von allen als der Höhepunkt erlebt, dabei kommt das Entscheidende erst danach!!

      Auch von Ram Dass möchte ich eine ähnliche Erfahrung anfügen, der von sich folgendes berichtet: Er nimmt an einem neuntägigen Retreat in einem Zen-Kloster teil. „Es war ohne Zweifel die elendste, furchtbarste, grausamste, sadistischste Erfahrung meines Lebens. … Ich wurde völlig paranoid.“ Ihm wurde immer wieder die Frage gestellt: „Wie erkennt man seine Buddha-Natur durch das Klatschen der Hände?“ Nach vielen vergeblichen Antworten sagt zu ihm der Roshi: „Oh Doktor, Sie beantworten es gar nicht richtig. Vielleicht sollten wir Ihnen Ihr Geld zurückgeben.“ (Leider kann ich es nur sehr gekürzt wiedergeben.) „Ich war innerlich völlig zerschmettert.“ Nach fünf Tagen war ihm alles egal, und als ihm die Frage wieder gestellt wurde, sagte er: „Guten Morgen, Roshi.“ Der war entzückt und lächelte und sagte: „AH!!“ „Mit dem Gedanken, dass mir alles egal sei, da war ich plötzlich in diesen anderen Zustand übergegangen, bei dem auf einmal Feuer aus den Büschen strömte. … Er fragte mich ein Koan nach dem anderen und meine Antworten strömten einfach aus mir hervor. Ich befand mich genau im gegenwärtigen Augenblick, und ich hatte im Kopf keine Modelle mehr“ (56ff).

      Diese Ausführungen würden eine klare Unterscheidung erlauben, wenn nicht im Denken von Hui-neng (und anderen) immer wieder sichtbar würde, dass es auch ihm darum geht, „das Wirken des Buddha zu verwirklichen“ (Hui 181), was ja nichts anderes heißt, als vom Selbst her zu leben, was wiederum die Transzendierung des Ichs voraussetzt.

      Auch seine Erzählung vom „jungen Mönch“ weist darauf hin. Da Hui-neng also durchaus eine Verwandlung des Menschen als notwendige Implikation der Erleuchtung im Blick hat, bleibt die Frage, was durch die „plötzliche Erleuchtung“ bewirkt wird. Meine Erklärung: Wir Menschen sind eben verschieden, auch in der Hinsicht, an welchem Punkt auf dem geistigen Weg, den wir alle „gegangen werden“, wir stehen. Und auf diesem Weg sehe ich eine ganz entscheidende Zäsur: ein Davor und ein Danach.

      Exkurs: Davor und Danach

      Als ganz entscheidend auf dem Weg sehe ich die Frage an, ob sich ein Mensch im Davor oder im Danach befindet. Damit meine ich folgendes:

      Mein erschütterndes Erlebnis, das ich mit 65 Jahren hatte, stellt diesen Wendepunkt zwischen Davor und Danach dar. Dadurch wurde mir die Ausweglosigkeit im Ich gezeigt, die für mich heute eine absolute Gewissheit ist. Dieses Ich ist das, was Buddha im Moment der Erleuchtung mit Gehäuse bezeichnet, dessen Erbauer er nun erkannt hat.

      Dieses Ich ist ein in sich geschlossenes Gehäuse, ein unentrinnbares Gefängnis, das zerschlagen werden muss. Es gibt ein Buch von Heinz-Peter Röhr mit dem Titel: „Narzissmus“, das von dem Märchen der Gebrüder Grimm „Der Eisenofen“ ausgeht. Dieser Eisenofen ist das Ich, in das der Mensch unentrinnbar eingeschlossen ist.

      Das Zerschlagenwerden dieses Ichs ist keine Möglichkeit vom Ich her, sondern erfolgt von außerhalb, vom Jenseits des Ichs her. Erst nach diesem Zusammenbruch des Ichs, der bei mir die Gestalt der schlimmsten Depression mit psychotischen Begleiterscheinungen angenommen hatte, schälte sich ein Bewusstsein heraus, das jenseits des Ichs angesiedelt ist, das ich in Anlehnung an Meister Eckharts Seelenfünklein als Bewusstseinsfünklein erlebt habe, ein kleines Licht, das in diese dunkle Nacht hineingeleuchtet und mich gerettet hat. Es ist die Möglichkeit, sich in seinem Elend zu sehen und das auszuhalten. Diese Fähigkeit ist nicht mehr die Fähigkeit des Ichs, sondern transzendiert dieses Ich. Sie kommt aus der Tiefe des Menschseins, zu der das Ich keinen Zugang hat, und die erst im Zusammenbruch in Erscheinung tritt.

      Dieser Zusammenbruch bedeutet im Leben eines Menschen eine derartige Katastrophe, dass er mit Recht als Tod bezeichnet werden kann. Von diesem Tod redet z. B. U. G. Krishnamurti, der dieses Erleben als „Kalamität“ bezeichnet. Aber auch andere sprechen von einem Tod. Der Tod Jesu am Kreuz und die darauf folgende Auferstehung hat meiner Überzeugung nach deshalb eine so große Wirkung gehabt, weil er den Tod des Ichs mit den Höllenqualen symbolisiert, aus der heraus nur die Auferstehung erfolgen kann. Phönix aus der Asche ist Symbol für den gleichen Vorgang. Auch viele Märchen und Mythen, in denen der Held mit einem Drachen kämpft oder durch die Hölle gehen muss, zielen in diese Richtung.

      Bei Jed McKenna wird der Weg einer Frau – Julie – gezeigt, an der sehr deutlich die Verzweiflung auf dem Weg zur Transzendierung des Ichs geschildert wird.

      Auch die Geschichte von Kyogen veranschaulicht, wie erst die Verzweiflung und das dadurch erzwungene völlige Loslassen zur Erleuchtung führt.

      Erst nach diesem Ich-Tod, der nur überstanden werden konnte, indem vom Jenseits des Ichs her ein Licht sichtbar wurde, das den Menschen in seiner tiefsten Not trägt, kann nun tatsächlich vom Menschen, der nun nicht mehr nur im Ich steht, sondern eine transzendente Kraft erfahren hat, etwas aktiv zum Weiterschreiten auf dem spirituellen Weg getan werden.

      Der Tod des Ichs scheidet das Davor vom Danach. Vor diesem unausweichlichen und äußerst schmerzvollen Tod steht der Mensch total im Ich, und alles, was er tut, geschieht von seinem Ich her, auch alles, was er in Bezug auf den Versuch, sich aus seinem Ich zu befreien, unternimmt. Und das führt nie zum Erfolg!

      Und somit sehe ich folgende Möglichkeit in Bezug auf die Klärung der Frage, warum bei dem einen eine plötzliche Erleuchtung stattfinden kann, während bei einem anderen nur der äußerst schmerzhafte Tod eine unumgängliche Voraussetzung darstellt: Wir treten in diesem Leben von einer unterschiedlichen Startposition an. Und zwar besteht der entscheidende Unterschied darin, ob wir uns noch im Davor oder schon im Danach befinden. Wer sich in diesem Leben noch im Davor befindet, dem wird dieser schmerzliche Tod nicht erspart bleiben, wenn er dafür reif ist. Wer in diesem Leben schon im Danach antritt, der braucht diesen Tod nicht mehr zu durchleiden, denn er hat ihn ja schon hinter sich.

      Aber er steht immer noch im Ich und es bedarf noch einer intensiven Arbeit daran. Das Ich ist

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