In Amerika. Gerstäcker Friedrich

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In Amerika - Gerstäcker Friedrich

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in seinem eingefriedeten Hofraum los. Das geschehen, wusste er auch sicher, dass kein Neger den inneren Raum betrat, denn weit mehr als die Peitsche des Aufsehers fürchteten sie das furchtbare Gebiss der Bestien – aber das sollte ihn nicht schützen.

       Jim Sherard stand gerade in seinem Zimmer in der oberen Etage eines kleinen Häuschens, das er mit zwei jungen Sklavinnen, die seine Dienerschaft bildeten, bewohnte, und war beschäftigt, seine Wäsche und sonstige Gegenstände zusammenzupacken, nur das eine ging ihm dabei im Kopf herum, wohin er sich von hier aus wenden solle. Waren diese Soldaten wirklich nur eine versprengte Patrouille – wie er noch immer glaubte – so wäre es gar nicht nötig gewesen, weit fortzugehen, denn er konnte dann recht gut in der Nachbarschaft bleiben. Rückte aber wirklich Shermans ganze Macht nach, dann wäre es doch am Besten gewesen, sich so rasch als möglich dem Norden zuzuwenden, denn nachher war die Geschichte hier unten für eine Weile ausgespielt und er konnte seine Zeit viel ruhiger im Norden abwarten – Menschen seines Gelichters fand er da oben noch immer genug.

       Jauchzendes Gebrüll draußen auf der Straße, das näher und näher kam, trieb ihn rasch und erschreckt ans Fenster; aber er sah nur eine dunkle Masse, die sich den Weg herunter wälzte und allem Anschein nach sein Haus zum Ziel hatte – wollten sie zu ihm?

       Ein Todesschreck ergriff ihn, denn was ihm in dem Fall bevorstand, wusste er gut genug, schon seiner gefürchteten Hunde wegen – aber gerade diese konnten ihm auch Sicherheit geben. In deren Bereich wagte sich keiner der Schwarzen, denn sie wären von ihnen zerrissen worden; durch seinen Hof konnten sie aber nicht, ohne die frei darin herumlaufenden Bestien zu passieren, und hinten sein Haus war unten mit Eisengittern versehen, also ein Einbruch dort eben so wenig möglich. Außerdem befand sich seine lange Büchse mit zwei Revolvern im Haus, und Schusswaffen hatten die Nigger ja nicht und durften sie überhaupt nicht führen, verstanden auch deshalb gar nicht damit umzugehen – wie Mr. Sherard wenigstens dachte. Er wusste nicht mehr, dass auf jeder Plantage wenigstens ein Neger war, der von dem Besitzer gewöhnlich für die Jagd gehalten wurde, und in den dazu passenden Jahreszeiten Schnepfen, Enten und Kaninchen und dann und wann auch wohl einmal einen vereinzelten Hirsch für die Küche einlieferte.

       Jedoch es blieb ihm nicht einmal Zeit zum Überlegen, denn wie eine Sturmflut wälzte die Masse herbei und hielt wenige Minuten später vor seiner Umzäunung, während Nigger und Bull, die beiden Bluthunde, mit noch vier anderen Bestien in gleicher Stärke in fast rasender Wut gegen die Umzäunung ansprangen und die draußen haltenden Neger zu erreichen und zu fassen suchten. Aber das dauerte nicht lange, und hätten die Bestien gewusst, welche Gefahr ihnen hier drohe, sie würden scheu genug zurückgewichen sein.

       Dass die Wütenden da draußen hielten, schrieb Sherard natürlich ihrer Furcht vor den Hunden zu; im nächsten Moment aber schon knallten acht bis zehn Schüsse, und heulend und winselnd brachen die sonst so blutgierigen Hunde zusammen, während einzelne der nur verwundeten, jetzt freilich zu spät, zum Haus zurückzukriechen suchten. – Noch ein Schuss und noch einer – jetzt steckten sie alle Viere von sich und die in Jubel aufheulende Rotte wälzte sich, wie eine schwarze Lawine, über die Fenz und dem Hause zu.

       Weiter sah Sherard nichts – die Gedanken flogen ihm wirr durchs Hirn – sein Pferd! Wo aber wäre ihm Zeit geblieben, das zu satteln – sein Gepäck – den Mantelsack, den er schon geschnürt, griff er auf – er wusste, das ihm nur noch Minuten gestattet waren, sich zu retten.

       So floh er die Treppe hinunter, um aus der Hintertür die Straße zu gewinnen, die in das Innere und die Berge führte; kaum erreichte er aber den hinteren Garten, als er auch schon dort lauernde, dunkle Gestalten sah. Der Weg dahin war ihm abgeschnitten, und jetzt blieb ihm nur als einzige Rettung das zum Glück noch nicht geschnittene Zuckerfeld auf der linken Seite, das allerdings nur einen schmalen Streifen bildete, an das sich aber auch ein sumpfiger und noch nicht urbar gemachter Teil des Waldes anschloss.

       Da entdeckten ihn in seiner hellen Kleidung die dort draußen stehenden Neger und stießen ein wildes Geheul aus, während sie zugleich versuchten, die Hoftür zu sprengen. In Todesangst warf sich Sherard gegen die nächste Fenz, um sie zu überklettern. Schon war er oben, als sein Mantelsack an einem vorragenden Splitter hängen blieb und zurückfiel. Er warf den zagenden Blick nach seinen Verfolgern; aber in demselben Augenblick brach die Hoftür zusammen, und jetzt lag seine mögliche Rettung nur noch in verzweifelter und ungesäumter Flucht. Sein Eigentum musste er zurücklassen – sein Geld führte er ja doch in der Brusttasche bei sich, und wie er sich von der Fenz in das Zuckerrohr warf, verschwand er rasch in dessen dichten Schatten.

       Die Verfolger suchten ihn allerdings auch dort, aber er hatte schon vor ihnen das Dickicht erreicht, und ohne Hunde wären sie kaum imstande gewesen, ihn da aufzuspüren.

       Während nun ein Teil der Neger die Wohnung des verhassten Sklavenhändlers erst plünderte und dann anzündete, hatte sich der größte Teil des Schwarms schon gegen Urguards Plantage geworfen, denn der sonst so gefürchtete „Massa“ hatte die M a c h t verloren. Seine bisherigen Sklaven, die er oft schlimmer als Tiere behandelt, waren plötzlich M e n s c h e n geworden – Menschen, die nicht mehr im Staube kriechend der Peitsche demütig ihre Rücken beugten, sondern jetzt, von Grimm und Rache erfüllt, der jahrelangen Misshandlungen wegen, die Kräfte, nach deren Wert er sie gekauft, benutzten, um sie nun gegen ihn – und Gott weiß, mit welcher Wonne – zu verwenden.

       Der Weg zur Plantage hinaus mochte kaum eine halbe englische Meile lang sein, und etwas hatten sich die Meuterer ja doch auch bei dem Haus des Yankee aufgehalten. In der Zeit war aber Mr. Urguard auch schon Warnung zugekommen, und zwar durch seinen eigenen Niggerdiener Ben, der da draußen herumspionierte und sich selber, nicht allein in seiner ziemlich guten Stellung, sondern auch an seinem eigenen Leben bedroht sah, wenn die Nigger die Oberhand erhalten sollten. Mr. Urguard lachte trotzig auf, als ihm Ben seine Befürchtung mitteilte. S e i n e Leute hatte er sich, wie er meinte, „gezogen“ und wusste recht gut, dass keiner von ihnen auch nur ein freches Wort gegen ihn wagen würde. Die Truppe von fremden Reitern, die nur irgendwo versprengt sein mochte, musste doch machen, dass sie von hier wieder fortkam, und wie es nachher den rebellischen „Niggern“ ging, konnten sie sich etwa denken.

       D i e Vorsicht gebrauchte er allerdings, seine sämtlichen Gewehre zu laden, und vier von seinen Negern, auf die er sich glaubte fest verlassen zu können, nahm er auch in sein Haus – wenn sie ja gebraucht werden sollten; dann aber trotzte er viel zu sehr auf sein R e c h t als Sklavenhalter, um sich noch weiteren Befürchtungen hinzugeben. Die Schwarzen waren „vor Gott und den Gesetzen“ sein Eigentum. Er konnte damit schalten und walten, wie er wollte, und hätte den sehen mögen, der da wagte, auch nur ein einziges Wort hineinzureden.

       Er befahl Ben, seine Neger zusammenzurufen und sie dann, so lange die Soldaten in der Nachbarschaft waren, fest in ihren Wohnungen zu halten, dass sie mit jenen in keine Verbindung treten konnten – aber wo staken die Neger! In dem Feld, in dem sie gearbeitet hatten, war keiner von ihnen mehr zu sehen; nur die Frauen und Kinder hatten in angeborener Scheu ihre Arbeit nicht verlassen; armes, gedrücktes Volk, das keine wirkliche Freiheit für möglich hielt und immer nur die Folgen seines Ungehorsams fürchtete. War es denn auch denkbar, dass sie frei werden sollten und dass i h r Herr seine Ansprüche auf sie aufgeben sollte? Nein. Wenn die Weißen hier wieder fortzogen, kümmerte sich kein Mensch mehr um sie, und wenn sie gesündigt, büßten sie mit blutigem, grausam zerfleischtem Rücken das Vergangene.

       Die Straße herunter kam der Schwarm. Die Damen saßen eben in dem unteren Salon bei ihrem Kaffee. Sie hatten gehört, dass Unionskavallerie in Belleville eingerückt sei, teilten aber vollkommen die Meinung des Mr. Urguard, dass es nur ein durch Lees Armee versprengtes Corps26 sein könne, das auf der Flucht sich genötigt gesehen hatte, hier eine kurze Rast zu suchen, um ihren Tieren die notwendige Ruhe zu gönnen. Je weniger man sie deshalb beachtete, desto besser, denn sie mussten und sollten es fühlen, dass der Süden sie hasste und nichts mit ihnen wolle zu tun haben.

      

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