Raban und Röiven Die Figur der Hekate. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Die Figur der Hekate - Norbert Wibben Raban und Röiven

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Auch wenn in den letzten Wochen von keinen sonderbaren Ereignissen in den Zeitungen berichtet wurde, die ihnen zuzuschreiben wären, heißt das nicht, dass sie untätig sind. – Halt. Ich musste seit Sorchas Befreiung nicht mehr an Morgana, diese Urenkelin eines Dubharan denken. Ich hatte einmal geträumt, oder hellgesehen, wie sie verschwunden ist. Ob sie unser Land verlassen hat oder gar gestorben ist? Mir fällt ein, das hatte etwas mit einer Figur zu tun, die drei Frauen darstellt. – Ja, genau. Das war eine Darstellung der Hekate.«

      »Ich erinnere mich auch an die Figur«, krächzt der Kolkrabe. »Sie stand auf dem Tisch in dem Arbeitszimmer in Mynyddcaer.«

      »Richtig. Ich wollte sie damals in Sicherheit bringen, also an mich nehmen, da mir irgendetwas an der Figur komisch vorkam. In ihren Augen konnte ich das Glimmen eines grünlichen Funkens sehen. Es sah in meiner Traumsequenz so aus, als ob Morgana von einem plötzlich erscheinenden, grünlichen Lichtstrahl in die Figur gesaugt worden wäre. – In den letzten Wochen gab es viel Stress mit den letzten Prüfungen zum Schuljahresabschluss, dass ich das glatt vergessen habe. Hoffentlich war das kein Fehler! Womöglich könnte es sogar ein schlimmer Fehler sein!«

      »Den können wir doch einfach korrigieren«, erwidert Röiven, während er schon auf die Schulter des Jungen geflattert ist. »Worauf wartest du noch, auf nach Mynyddcaer! Holen wir uns die Figur.«

      »Halt, stopp! Ich nehme lieber meinen Haselstab mit, und wir sollten meinen Tarnumhang nutzen. Nicht, dass wir Morgana direkt in die Arme laufen. Vielleicht ist sie längst zurück und befindet sich in dem Arbeitszimmer.«

      »Das wäre nicht gut, gar nicht gut«, stimmt der schwarze Vogel zu.

      Raban geht zu seinem Schreibtisch und öffnet die oberste Schublade in der Mitte. Er entnimmt ihr den Umhang und den Armreif eines auserwählten Zauberers. Während der Schulzeit bewahrt er diesen dort immer auf und legt ihn nur bei Bedarf an. Es ist nur ein bronzener, fingerbreiter und schlichter Reif mit einem eingeprägten Sonnensymbol. Er wirkt am Handgelenk eines Jungen aber dennoch etwas seltsam. Den Tarnumhang hat er bisher noch nicht zu Ilea zurückgebracht. Das will er in den nächsten Tagen machen, sobald das Wetter besser wird. Dann würden sie durch die hügelige Landschaft spazieren und einen wunderbaren Tag zusammen verbringen. Raban reißt sich zusammen, um nicht ins Träumen zu kommen. Er schließt den Armreif um sein linkes Handgelenk und verspürt sofort den Wärmeimpuls, der ihm signalisiert, dass seine Zauberkräfte nun durch diesen magischen Reif um ein Vielfaches verstärkt werden. Danach breitet er den hauchdünnen Stoff vorsichtig über sich und den Raben auf seiner Schulter aus.

      »So, das macht uns für Morgana unsichtbar, falls sie dort sein sollte.« Der Junge hebt seinen Haselstab an, um damit notfalls zuschlagen zu können. Er holt tief Luft, dann spricht er: »Portaro!«

      Die Luft flirrt unter dem Umhang, wovon im Zimmer aber nichts bemerkt wird, da es bereits verlassen wirkt. Dann ist es das tatsächlich.

      Raban und Röiven kommen hinter der kleinen Kapelle an. Es sieht hier fast so aus wie immer. Lediglich Wildkräuter wuchern jetzt überall, die früher kurz gehalten wurden. Genauso still war es bei ihrem letzten Besuch auch. Der Junge umrundet langsam das Gebäude und lugt über den Innenhof. Auch hier wachsen Wildkräuter zwischen den Steinplatten empor. Das Gebäude, das bis vor ein paar Wochen noch als Seniorenheim genutzt wurde, liegt offenbar verlassen vor ihnen.

      Der Tarnumhang schützt den Jungen und den Kolkraben zwar vor fremden Blicken, den Regen hält er aber nicht ab. Es dauert nicht lange, und das kalte Nass läuft dem Jungen in den Nacken. Sein Sommershirt ist schnell durchnässt, da er nicht an Regenkleidung gedacht hat. Der schwarze Vogel hat es besser. Von dessen Gefieder perlt das Wasser ab, ohne es zu durchdringen.

      Raban fröstelt und schüttelt sich. Nachdem sie nirgends Morgana oder sonst einen Menschen entdecken können, hastet er auf den Haupteingang zu. Während des kurzen Spurts über die Steinplatten spritzt Wasser in großen Lachen auf, sobald der Junge hineintritt.

      »Wenn jetzt jemand hierher schaut, wird er sich sehr wundern, warum die Pfützen plötzlich aufspritzen«, denkt Raban. Um sich und seinen Freund zu schützen, spricht er schnell »Protego«, als er sich an diesen Schutzzauber erinnert. Vor dem Fenster des Arbeitszimmers, in dem er bei ihrem letzten Besuch aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen hatte, bleibt er stehen und wirft einen forschenden Blick hinein. Doch drinnen ist in dem trüben Licht nichts zu erkennen.

      Raban murmelt kurz entschlossen: »Sgiath!«, um einen zusätzlichen Schutz aufzurufen. Dann spricht er: »Portaro!«

      Als das Flirren der Luft vorbei ist, steht der Junge regungslos neben dem Kamin. Er hält den Atem an und blickt sich forschend um. Hat sich hier seit ihrem letzten Besuch etwas verändert?

      Halt! Was ist das für ein Geräusch? Er hört vor Aufregung das Blut in den Ohren rauschen. Sein Herz beginnt zu rasen. Was passiert, wenn Morgana sie entdeckt? Rabans Blick fliegt hierhin und dorthin, aber er kann niemanden entdecken. Zum Glückt taucht die dunkelhaarige, große Frau, mit den seltsam gefärbten Augen, nirgends auf. Er atmet bewusst langsam ein und aus, um sich zu beruhigen. Doch das Geräusch ist erneut zu hören.

      »Was ist das? Es kommt mir bekannt vor, so ein kurzer, heller Ton.«

      »Ich sehe etwas, was du nicht siehst«, schrecken ihn die Gedanken seines Freundes auf. Er fährt richtig zusammen und hebt bereits seinen Haselstock, um damit einen möglichen Angriff abzuwehren.

      »Hey, bleib ruhig«, keckert der Rabe nun laut krächzend.

      »Still! Was fällt dir ein, so einen Lärm zu machen? Wenn Morgana hier lauert, ergeht es uns schlecht«, fordert der Junge gedanklich.

      »Aber hier ist doch niemand. Du sorgst dich unnötig, wirklich!« Die Antwort des Vogels erfolgt nun wieder gedanklich, auch wenn er sich offensichtlich sicher ist, mit seinem Freund in diesem Raum allein zu sein. »Und wie ist das, willst du nun meine Frage beantworten? Was sehe ich, das du nicht zu bemerken scheinst?«

      Raban schaut sich erneut in dem Dämmerlicht um, aber ohne seinen Platz zu verlassen. Der Kamin ist zu sehen und ein alter Arbeitstisch, vor dem ein ebenso betagter Stuhl steht. In dem Kamin befinden sich die Reste auseinandergefallener Holzscheite, die bei ihrem letzten Besuch noch etwas wohlige Wärme in diesem alten Gemäuer erzeugt hatten.

      Er schüttelt verwundert seinen Kopf. War seit ihrer Anwesenheit damals niemand hier, also auch nicht Morgana? Die beiden alten Kerzenhalter auf dem Arbeitstisch sehen aus wie damals. Es wurden keine neuen Kerzen hineingesteckt. Erneut blickt Raban in alle Zimmerecken. Sollte dort etwas sein, was Röiven bemerkt hat? In diesem Moment erklingt wieder der helle Ton.

      Diesmal kann Raban ihn lokalisieren und richtet seinen Blick nach unten.

      »Hast du es endlich bemerkt?«, keckert laut lachend der Kolkrabe.

      »Äh, du meinst? Von hier kam das Geräusch?« Verwirrt schaut der Junge nach unten. Raban fröstelt etwas und seine Arme, seinen ganzen Körper durchläuft ein kaum merkliches Zittern. Die leichten Sommersachen sind vom Regen völlig durchnässt und lassen den Jungen frieren. In diesem Moment geschieht es. Ein Wassertropfen löst sich am gebeugten Arm des Jungen und tropft von dort in eine große Wasserlache, die sich mittlerweile auf dem Boden gebildet hat. Ein helles »Pitsch«, ist zu hören, als der Tropfen schwer auf dem Boden aufschlägt.

      »Richtig. Du, besser gesagt,

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