Ömmes auf der krummen Straße. Klaus Blochwitz
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Читать онлайн книгу Ömmes auf der krummen Straße - Klaus Blochwitz страница 16
Jetzt wurde Hermann noch aufgeregter.
Er liefWilhelm entgegen, der vor der Haustür stand, und sagte ganz rappelig: „Es geht los, es geht los.“
Wilhelms Vater deutete auf den Schuppen und zustimmend folgten sie ihm. Sie hockten sich in dem dämmerigen Schuppen hin und Hermanns Vater begann die einzelnen Möglichkeiten auf zu zählen. Sie hörten gespannt zu, aber irgendwie war nicht das Richtige dabei, bis sich Jürgen leise und schüchtern meldete und vorschlug, er könne erst einen Faden mit der Fletsche aus dem Fenster rüber schießen und daran dann ein dickeres Seil rüber ziehen.
Wilhelms Vater begriff als erster diesen Vorschlag von Jürgen,er klopfte ihm anerkennend auf die dünne und knochigeSchulter. „… und an dem Seil lassen wir die Würste runtersausen!“
Jürgen war puterrot im Gesicht und wagte noch einzuwenden:„Man kann ja eventuell auch einen Korb nehmen oder ein größeres Tuch zusammen knoten.“
Wilhelms Vater sah Jürgen wieder überrascht an: „Gut, sehr gut. Den Korb hängen wir an einen Haken und mit einem zweiten Faden bremsen wir den Korb, sonst würde er zu schnell werden.“
Die zwei Erwachsenen und die drei Jungs grinsten sich hocherfreut an und Wilhelms Vater sagte: „Nächsten Sonntag gehtes los.“
Vor lauter Aufregung konnte Hermann nicht schlafen und war am Morgen hundemüde. Nach dem Frühstück waren seine Kumpels schon da und die fünf zogen los in Richtung Fußballplatz … Jupp und Karl waren schon da und während sich die Jungs umzogen, kamen die anderen dazu, die Mannschaft war damit komplett.
Es fand wieder mal eine Olympiade statt, diesmal in Finnland und es waren sogar deutsche Sportler dabei!
Ein argentinischer Rennfahrer fuhr mit einem deutschen Rennauto von Sieg zu Sieg.
Die drei Jungs wussten gar nicht, wie sie die Woche herum kriegen sollten, alles war für sie unwichtig, selbst Wilhelm hatte Probleme, in der Schule einigermaßen mit zu machen. In den Pausen wurde nur von dem kommenden Wochenende gesprochen, bis Hermann auf einmal besorgt sagte: „Wir müssen aufpassen und den Mund halten. Wir fallen schon auf, die großen Jungs beobachten uns dauernd.“
In den folgendenPausen blieben sie aus einander und beteiligten sich an den Spielen auf dem Schulhof. Endlich war es Wochenende und Sonntagmorgen fuhren die zwei Erwachsenen mit den Jungs auf Fahrrädern zum Bauernhof.
Franz, Herbert, Jupp und Karl guckten etwas erstaunt hinterher, denn das war ungewöhnlich, dass die drei etwas ohne sie unternahmen und dann auch noch mit zwei Vätern.
Vor dem Mittagessen waren sie zurück und die Jungs wurden losgeschickt, um allen Bescheid zu geben, dass alle nach dem Mittagessen zum Haus von Hermanns Vater kommen sollten. Gegen vierzehn Uhr waren alle da und Hermanns Vater erklärte, was los war.
Da war natürlich das wundern riesengroß und alle schrieen und redeten wild durcheinander. Dann ging es ans verteilen der Würste und Speckseiten.
Hermanns Vater sagte: „Solange es gut geht und machbar ist,werden wir die Sachen so weiter verteilen.“ Alle nickten dankbar und waren natürlich einverstanden. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass die krumme Straße durch die Kinder ordentlich was zu futtern bekam.
Nach dem vierten oder fünften Besuch der Räucherkammer meinten die beiden Väter,man müsste sich mal bei dem alten Knecht bedanken, der wisse genau Bescheid und gucke immer grinsend weg.
Beim nächsten Mal fragte Hermanns Vater den Alten und der sagte etwas verlegen, er würde gerne mal wieder einen Sonntag in einer Familie verbringen.
„Das kriegen wir hin!“ Gesagt, getan,vierzehn Tage später saß der alte Knecht mächtig aufgekratzt bei Hermanns Familie am Mittagstisch und hatte Spaß satt. Der Mann war wirklich alt und er war immer Knecht gewesen. Von der Sprache her konnte man erkennen, dass er aus dem Osten stammen musste.
Seine Geschichte erinnerte stark an die Geschichte der Nachbarin, die sie während des Kaffees nach der Beerdigung erzählt hatte.Trotz seines echt sau harten Lebens war der Alte erstaunlich fidel, keine Spur von Verbitterung, im Gegenteil, er war eine richtige Ulknudel. Das einzige, was er bedauerte, war, dass er durch den Krieg alles verloren hatte, sein Zuhause, seine Familie,seine Arbeit, eben alles. Aber vorbei sei vorbei, meinte er und trank mit Freude den Selbstgebrannten, den ein Nachbar herein gereicht hatte. Als zum Kaffee, na ja, was man eben so Kaffee nannte, auch noch ein selbstgebackener Kuchen auf den Tisch kam, war der Alte selig.
Die Männer brachten den Alten nach dem Abendessen zurück. Die Leute auf dem Bauernhof guckten etwas erstaunt, sagten aber nichts.
Alle paar Wochen wurde der alte Knecht sonntags in eine Familie geholt und alle hatten eine Menge Spaß dabei.
Ömmes fragte nach, ob noch jemand ein Bier haben wolle,aber alle drei schüttelten den Kopf, bezahlten ihre Deckel und verließen die Kneipe. Sie blieben noch einen Moment an der Ecke stehen und schauten die krumme Straße hoch.„Mensch“, staunte Wilhelm immer wieder, „es hat sich eine Menge in den Jahren getan.“
Die Bäume an den Straßenrändern waren mächtig gewachsen, die Straßenlaternen hatten Mühe, ihr Licht durch die dichten Blätter zu bringen, die Häuser mit ihren gepflegten Vorgärten sahen prima aus und das schönste war, dass sich hier alle wohl fühlten.
Wilhelm schaute nach Ömmes, auch dort ging jetzt das Licht aus. Zuhause merkte sich Wilhelm vor, dass er beim nächsten Mal den Stammtisch über die versprochene Feier für Herbert und Jürgen informieren musste.Diese Feier wurde mit einem riesen Elan und großer Begeisterungin Angriff genommen.
Als Franz dann noch bekannt gab, dass er und seine Selma ihren bereits vergangenen, nichtgefeierten Hochzeitstag mit feiern möchten, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.
Auch Hermann und Brigitte fragten vorsichtig an, ob sie ihren Hochzeitstag mitfeiern dürften,weil sie wegen der Arbeiten am Haus keine extra Feier machen können – die krumme Straße schnappte fast über.
Vier Wochen später war es dann so weit, die ganze Straße war geschmückt, die vier Hochzeitspaare trafen sich vor Herberts Haus und gingen dann geschlossen mit allen Nachbarn in einem schönen Zug zu Ömmes.
Sogar ein Lokalreporter war gekommen.
Ömmes hatte selbst von außen sein Haus festlich geschmückt, die Fahnen wehten im leichten Wind, der große Saal war von Ömmes wie immer mit viel Phantasie und Geschicktoll geschmückt worden und wurde mit vielen Ah’s undOh’s bewundert.
Als alle Platz genommen hatten, stand Rudi auf und bat mit erhobener Hand um Ruhe, erstaunt sahen alle auf Rudi, der lächelte leicht und sagte, wenn es recht wäre,möchte er ein paar Worte zu diesem Tag an die Hochzeitspaare richten und überhaupt mal so was sagen.
Die ganze Hochzeitsgesellschaft klatschte begeistert Beifall.
Rudi sprach vonden Anfängen der krummen Straße nach dem Krieg, wie sich alle irgendwie durch gewurschtelt haben; wie sich die Nachbarschaft einander geholfen hat; wie selbst die Kinder mit ihrem Steine-Picken, mit ihrem Geschick, Essen aufzutreiben, ihrer Arbeit beim Bauern mitgeholfen haben, über die Runden zukommen; wie sich bei den jungen Leuten die neue Zeit zeigte mit Schule, Lehre, Bundeswehr, Beruf und dann von den Mädchen, den Hochzeiten und