Der Alpdruck. Ханс Фаллада

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Der Alpdruck - Ханс Фаллада

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–, und hatte dieser Schurke, dieser Verbrecher, dieser Verräter am eigenen Volke ihre Bitten um eine Flasche, ja, nur um ein Glas Wein nicht stets mit dem Bemerken zurückgewiesen, er habe selbst nichts mehr, die SS habe ihm alles weggetrunken –?! Und jetzt stellte sich heraus, daß doch noch Wein da war, viel Wein vermutlich, ein Keller voll, viele Keller voll, der ihnen gegen alles Recht vorenthalten war, den jetzt Kinder auf die Straße schütteten –!

      Und die beiden Greise stellten sich einander gegenüber, ihre eben noch sorgengrauen Gesichter waren wie vom Widerschein des Weins lieblich gerötet, bis in ihr weißes Haar hinein. Sie klopften sich gegenseitig auf die im letzten Jahre so schlaff gewordenen, längst nicht mehr hosenfüllenden Bäuche und schrien einander die geliebten Namen der von ihnen bevorzugten Kreszenzen ins Gesicht. Der eine Kleine, immer im grünen Jägeranzug, reiner Anbeter des Moselweins, der andere Lange, stets in Hemdsärmeln, mehr den französischen Weinen hold. Wie sie da bäucheklopfend umeinander tanzten und brüllten, schienen sie bereits trunken von dem Wein, den sie noch gar nicht hatten. Die höchst ungewisse Stunde, der kaum erst zu Ende gehende Krieg, die vielleicht nahe Gefahr waren vergessen, jede Erinnerung an lange ertragene Qual verdrängt durch die Aussicht auf einen Trunk. Und als sie nun, einander ständig steigernd, beschlossen, mit zwei Handwagen sofort in die Stadt zu ziehen und auf der Stelle die ihnen widerrechtlich vorenthaltenen Weine zu holen, glichen sie Doll völlig jenen, die sich auf einem ausbrechenden Vesuv zum Tanzen anschicken.

      Gottlob hatten sie beide Frauen, und diese Frauen sorgten dafür, daß heute aus dem geplanten Ausfluge nichts mehr wurde, zumal der Lärm von durchfahrenden schweren Fahrzeugen sich von der Stadt her klar über den See schallend ständig verstärkte. »Aber«, sagte Doll und kehrte damit zu seinen Drahtenden zurück, »aber kommt etwas anders, als wir jetzt erwarten, werden wir immer schuld sein, daß sie nicht in den Wald flohen. Wie wir überhaupt an allem, was kommen wird, schuld sein werden ...«

      »Ich habe ihnen doch mit keinem Worte ab- oder zugeredet«, verteidigte sich die junge Frau.

      »Es kommt nicht darauf an, was du geredet hast«, antwortete Doll und riß mit einer Zange eine Drahtkrampe vom Pfosten los. »Sondern es handelt sich vielmehr darum, daß die lieben Nachbarn jetzt einen Sündenbock für alles, was schiefgeht, gefunden haben.« Er wickelte einen Draht auf. »Sie werden uns nichts ersparen, verlaß dich darauf! Sie waren in den vergangenen Jahren schon immer darauf aus, die Schuld für alles, was geschah, stets bei den andern, nie bei sich zu suchen – warum sollten sie sich geändert haben –?!«

      »Wir werden es mit Fassung ertragen«, antwortete die junge Frau mit lächelndem Trotz. »Wir sind schon immer die bestgehaßten Menschen im Städtchen gewesen – ein bißchen mehr oder weniger macht da auch nicht viel aus, nicht wahr?«

      Damit nickte sie ihm zu und ging in das Haus zurück.

      Der Rest des Nachmittags verging qualvoll langsam. Noch einmal kamen sie wieder in dieses schreckliche Warten hinein, das sie doch endgültig vorüber hofften – und wie oft sollten sie in den nun folgenden Tagen und Monaten noch warten, warten, warten! Manchmal unterbrach Doll seine Arbeit und ging allein oder mit seiner Frau bis an das Seeufer, von wo sie über das Wasser fort eine Zeile der Stadtstraße sehen konnten. Aber sie sahen allein die hohlen, toten Häuser, ohne ein Zeichen menschlichen Lebens, nur ihr Ohr wurde erfüllt von dem Geräusch nicht abreißenden Rollens, Dröhnens, Hupens, eines riesigen Trosses, der ungesehen, gespensterhaft westwärts durch die Stadt zog.

      Endlich – die Dämmerung war schon nicht mehr fern – rief die junge Frau aus dem Hause, es werde gleich Abendessen geben. Doll, der in der letzten Stunde mehr gespielt als gearbeitet hatte, packte sein Handwerkszeug zusammen, trug es in den Schuppen und wusch sich in der Sommerküche. Dann saßen sie in der Ecke um den runden Abendbrottisch: die alte Großmutter, Doll, sein Weib und die beiden Kinder. Die Unterhaltung lief nur zwischen der alten Großmutter und ihrer Tochter hin und her. Die greise Frau, die, fast gelähmt, nur in ihrem Lehnstuhl saß, war begierig nach Neuigkeiten und ihre Tochter heute Abend willig genug, sie ihr zu geben (was durchaus nicht immer der Fall war). Die Großmutter wollte alles ganz genau wissen, sie hörte eine Sache lieber drei- als einmal und setzte der Tochter gewaltig mit Fragen wie diesen zu: »Und was sagte sie dann? – Und was hast du dazu gesagt? – Und was hat die darauf gesagt?«

      Sonst hatte Doll gerne diesen weiblich breit dahinplätschernden Gesprächen gelauscht, immer gespannt darauf, welche Veränderungen bei der nächsten Wiedererzählung der Stoff im alten Kopf der Großmutter erfahren haben würde. Aber heute Abend, da seine gute Stimmung vom Morgen bis auf den allerletzten Rest verbraucht war, konnte er nur mit äußerster Überwindung dieses »Geschwätz« ohne Widerspruch ertragen. Er wußte, das war ungerecht, aber eben ungerecht zu sein, gelüstete es ihn jetzt.

      Plötzlich rief der Junge am Tisch halblaut: »Russen –!!!« Ein Geräusch an der Tür ließ alle verstummen und starren, die Tür öffnete sich, und drei Russen traten in die Stube.

      »Alle sitzen bleiben!« befahl Doll halblaut und trat, die linke geballte Faust zum Gruß erhoben, den Besuchern entgegen, an seiner Seite die junge Frau, die den Befehl, sitzen zu bleiben, nicht auf sich bezogen hatte. Jetzt konnte Doll wieder lächeln, die Spannung, die zornige Ungeduld waren von ihm gewichen, die Zeit des Wartens war vorüber, im Buche des Schicksals war eine ganz neue Seite aufgeschlagen ... Er sagte lächelnd: »Towaritsch!« und streckte den drei Besuchern die rechte Hand zum Gruß entgegen.

      Nie würde Doll Art und Aussehen jener ersten drei Russen vergessen, die damals sein Haus betraten. Der vorderste von ihnen war ein junger schlanker Mann mit einer schwarzen Binde über dem linken Auge. Er war flink in seinen Bewegungen, etwas Helles ging von ihm aus, er trug einen blauen Waffenrock und eine Lammfellmütze auf dem Kopfe.

      Der hinter ihm wirkte gegen diese eher drahtige, zierliche Gestalt wie ein Riese, er schien bis an die Deckenbalken der Stube zu reichen. Er hatte ein großes, graues Bauerngesicht mit einem riesigen, hängenden Schnauzbart, in dessen Schwarz sich schon viele graue Fäden mischten. Das Auffallendste an diesem Riesen war ein kurzer, krummer Säbel in einer schwarzen Lederscheide, den er schräg vor seinem in einen grauen Rock gehüllten Leibe trug. Der dritte Mann, der hinter diesen beiden stand, war ein einfacher, noch sehr junger Soldat, mit einem Gesicht, das sich erst zu bilden anfing. Er trug eine Maschinenpistole mit segmentförmig gebogenem Ladestreifen unter dem Arm.

      Dies waren die drei Russen, die so lange erwarteten Gäste, auf die Doll mit erhobener, geballter linker Faust und ausgestreckter Rechter zutrat, das Wort »Towaritsch« auf den Lippen.

      Aber während er so tat, während er so noch vor den dreien stand, geschah etwas Seltsames. Die geballte linke Faust sank herab, Dolls Rechte verkroch sich in eine Tasche, und sein Mund wiederholte das Wort nicht, das doch eine Verbindung zwischen ihm und den dreien herstellen sollte. Auch lächelte er nicht mehr, sondern sein Gesicht hatte einen finsteren, grüblerischen Ausdruck angenommen. Plötzlich senkte er die Augen, die eben noch die drei angesehen hatten, und blickte auf die Erde.

      Wie lange diese Szene gedauert haben mochte, ob zwei oder drei Minuten oder nur wenige Sekunden, konnte Doll später nicht sagen. Plötzlich ging der Blaurock zwischen ihm und der Frau durch, die beiden andern folgten, ins Innere des Hauses hinein. Weder Herr noch Frau Doll gingen ihnen nach, sie standen stumm da, eines vermied des andern Blick. Dann hörten sie den Jungen rufen: »Da sind sie schon wieder!«

      Wirklich sahen sie die drei Russen jetzt auf der Rückseite des Hauses. Sie hatten es durch die Sommerküche verlassen; das rasche Durchgehen durch die freilich nicht mehr als vier Räume, die das Blockhaus enthielt, hatte nur einen Augenblick gedauert. Nun gingen sie, als wüßten sie genau Bescheid, ohne zu zögern oder sich nur umzusehen, an den Schuppen entlang, betraten den Bootssteg, stiegen ins Boot, warfen es los und waren ein wenig später hinter dem Ufergebüsch verschwunden.

      »Die sind weg!« rief der Junge wieder.

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