Der Spiegel des Dharma mit Ergänzungen. Geshe Kelsang Gyatso
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Deshalb ist Leerheit ein sehr bedeutsames Objekt, wohingegen Leere lediglich leer ist – sie hat keine besondere Bedeutung. Wenn wir also sagen, der Geist sei leer, meinen wir damit, dass ihm immer Form, Gestalt und Farbe fehlen. Und wenn wir sagen, der Raum sei leer, meinen wir damit, dass ihm behindernder Kontakt fehlt. Und wenn wir sagen: «Mein Geldbeutel ist leer», dann heißt das, dass im Geldbeutel kein Geld ist. Somit verstehen wir, dass Leere und Leerheit sehr unterschiedliche Bedeutungen haben.
Die Funktion des Geistes ist, Objekte wahrzunehmen oder zu verstehen. Normalerweise sagen wir: «Ich sehe dies und das», weil unser Geist das Objekt sieht. Da unser Geist Dinge versteht, sagen wir: «Ich verstehe.» Somit sind unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Objekte Funktionen unseres Geistes. Ohne Geist haben wir keine Kraft, Objekte wahrzunehmen und zu verstehen.
Eine weitere Hauptfunktion des Geistes ist, Dinge zuzuschreiben. Ohne einen Namen können Dinge nicht existieren. Namen werden vom Geist zugeschrieben, indem er denkt: «Dies ist dies.» Deshalb existieren Dinge nur, weil der Geist sie zuschreibt. Hierdurch können wir verstehen, dass alles, sogar die Welt, vom Geist erschaffen ist. Es gibt keinen anderen Schöpfer als den Geist. Diese Wahrheit ist nicht schwer zu verstehen, wenn wir dies mit einem positiven Geist untersuchen.
Kurz gesagt ist der Geist somit etwas, dessen Natur leer wie Raum ist, dem immer Form, Gestalt und Farbe fehlt und dessen Funktion es ist, Objekte wahrzunehmen oder zu verstehen. Indem wir die Natur und Funktion des Geistes richtig verstehen, können wir begreifen, dass unser Geist vollkommen verschieden ist von unserem Körper, und dies beweist, dass nach unserem Tod unser Geist nicht endet, selbst wenn unser Körper dies tut. Der Geist verlässt den Körper und geht zum nächsten Leben, so wie ein Vogel sein Nest verlässt und zu einem anderen fliegt. Oder wenn wir zum Beispiel während des Schlafes träumen, bleibt unser Körper im Bett liegen, während unser Geist zur Traumwelt geht und so viele unterschiedliche Traumobjekte sieht und erlebt. Dies zeigt, dass unser Körper in dieser Welt bleibt, wenn wir sterben, unser Geist jedoch in sein nächstes Leben geht und wie im Traum so viele unterschiedliche Dinge seines nächsten Lebens sieht und erfährt. Mit diesem Verständnis werden wir an der Existenz zukünftiger Leben keinerlei Zweifel haben.
Gleich nach unserem Tod werden wir einen neuen Körper haben, den Körper eines Zwischenzustandswesens, das ein Lebewesen zwischen seinem vergangenen Leben und seiner nächsten Wiedergeburt ist. Im Allgemeinen beträgt die Lebensspanne der Zwischenzustandswesen nur neunundvierzig Tage. Innerhalb dieser Zeit werden sie als Mensch, Gott oder Halbgott, oder in den niederen Bereichen als Tier, hungriger Geist oder Höllenwesen wiedergeboren. Wenn wir als ein Mensch geboren werden, müssen wir menschliches Leiden erleben, und wenn wir als ein Tier geboren werden, müssen wir tierisches Leiden erleben und so weiter.
Wir sollten wissen, dass wir als Mensch in dieser Welt wiedergeboren wurden, da wir in unseren früheren Leben verunreinigte tugendhafte Handlungen begangen haben, die dazu führten, dass wir in dieser unreinen Welt als Mensch geboren wurden. Deshalb sind wir hier. Niemand hat uns in diese Welt geschickt, indem er sagte: «Du sollst in die Welt der Menschen gehen und dort leben.» In gleicher Weise werden Tiere in ihrem eigenen Bereich als Tier wiedergeboren, weil sie in ihren früheren Leben nichttugendhafte Handlungen begangen haben, die die Hauptursache dafür waren, diese Wiedergeburt anzunehmen.
Niemand hat die Macht oder Autorität, den Lebewesen zu sagen: «Du sollst in den menschlichen Bereich gehen, den Tierbereich, den Höllenbereich oder den Götterbereich.» Wir alle nehmen aufgrund unserer früheren Handlungen, oder Karma, die wir seit anfangsloser Zeit angesammelt haben, unterschiedliche Wiedergeburten an und erleben unterschiedliche Leiden.
Buddha gab ausführliche Erklärungen, durch die wir die Verbindung verstehen können zwischen unseren Handlungen in vergangenen Leben, die entweder tugendhaft oder nichttugendhaft waren, und unseren Erfahrungen in diesem Leben, die entweder Glück oder Leiden sind.
Um diese Verbindung zu beweisen, führte Buddha ebenfalls viele Beispiele an. Einst lebte ein Mann namens Shri Datta, der viele äußerst negative Handlungen beging. Später, als er alt war, bat Shri Datta Buddha, ihm Ordination zu gewähren. Um Ordination zu empfangen, heißt es, benötigen wir zumindest ein klein wenig tugendhaftes Potenzial in unserem Geisteskontinuum, das eine Ursache für Befreiung ist, den dauerhaften inneren Frieden, der «Nirvana» genannt wird. Doch als Buddhas hellsichtige Schüler Shri Datta prüften, konnten sie kein einziges derartiges Potenzial finden und erklärten ihn für die Ordination ungeeignet. Diese Schüler konnten jedoch nicht die subtilen Potenziale sehen, die nur von erleuchteten Wesen gesehen werden. Als Buddha in Shri Dattas dunklen Geist schaute, sah er ein winziges Potenzial für Tugend. Er erklärte seinen Schülern: «Vor vielen Äonen war Shri Datta eine Fliege, die auf etwas Pferdedung in der Nähe des Stupas eines Buddha landete. Es regnete stark und das Wasser trug den Dung mit der Fliege um den Stupa herum. Obwohl die Fliege keine Absicht hatte, den Stupa zu umrunden, erhielt sie dennoch allein durch den Anblick des Stupa Buddhas Segnungen, und diese hinterließen in ihrem Geist ein tugendhaftes Potenzial, um Befreiung zu erlangen.» Dann gewährte Buddha ihm die Ordination. Infolgedessen nahm Shri Dattas positives Potenzial zu und er erlangte noch im gleichen Leben Befreiung.
In den Lamrim Anleitungen heißt es, dass allein der Anblick eines Bilds von Buddha in unserem Geist ein Potenzial oder eine geistige Prägung hinterlässt, die eine Ursache der Erleuchtung ist. Das ist so, weil Buddhas vollkommen rein sind, jenseits des Kreislaufs unreinen Lebens, Samsara. Dieses Potenzial ist innerhalb unseres unreinen Geistes. Obwohl das Gefäß, unser Geist, unrein ist, ist sein Inhalt, das Potenzial, das allein vom Anblick eines Bilds von Buddha stammt, immer rein. Dieses Potenzial wird für uns von großer Bedeutung sein, wie uns die Geschichte von Shri Datta zeigt.
Eine andere Frage, die wir uns stellen müssen, ist: «Warum brauchen wir dauerhafte Befreiung von Leiden?» Das ist so, weil eine vorübergehende Befreiung von einem besonderen Leiden nicht reicht, selbst Tiere erleben eine solche Befreiung. Im Moment sind wir vielleicht frei von körperlichem Leiden und geistigem Schmerz, doch ist dies nur vorübergehend. Später in diesem Leben und in unseren zahllosen zukünftigen Leben werden wir endlos immer wieder unerträgliches körperliches Leiden und geistigen Schmerz erleben müssen. Deshalb besteht kein Zweifel daran, dass wir dauerhafte Befreiung von all den Leiden dieses Lebens und unserer zahllosen zukünftigen Leben erlangen müssen. Im Buddhismus wird diese dauerhafte Befreiung «Nirvana» genannt. Wir können diese Befreiung nur erreichen, indem wir Buddhas Lehren umsetzen, insbesondere Buddhas Lehren über Selbstlosigkeit, oder Leerheit. Leerheit wird im Wesentlichen in Teil Zwei dieses Buches, im Kapitel Schulung in Meditation über Leerheit erläutert. Eine ausführliche Erklärung findet sich im Buch Moderner Buddhismus.
Buddhas Lehren, oder Dharma, sind die praktische Methode, um den wirklichen Sinn menschlichen Lebens zu finden. Da Dharma sehr tiefgründig ist, sollten wir, wenn wir Dharma Bücher lesen, immer wieder über ihre Bedeutung nachdenken, bis sie unser Herz berührt. Dies ist für jeden sehr wichtig.
Nun folgen einige ergänzende Erläuterungen. Erstens müssen wir in Bezug auf Der Spiegel des