Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой

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und die Brücke ist genommen. Und was das beste dabei ist, der Sergeant, welcher an der Kanone stand, auf deren Signal die Brücke in die Luft gesprengt werden sollte, dieser Sergeant sah, wie die Franzosen über die Brücke kamen und wollte schon schießen, aber Lannes stieß seine Hand zurück. Der Sergeant, welcher augenscheinlich klüger war als sein General, ging auf Auersperg zu und sagte: ›Fürst, man betrügt Sie! Da sind die Franzosen!‹ Murat sah, daß das Spiel verloren war, wenn er diesen Sergeanten zu Worte kommen ließ. Mit verstellter Verwunderung wandte er sich an Auersperg. ›Ich erkenne die vielgerühmte österreichische Disziplin nicht wieder‹, sagte er, ›und Sie erlauben einem Unteroffizier, so mit Ihnen zu sprechen?‹ Das war genial! Fürst Auersperg fühlte sich beleidigt und ließ den Unteroffizier arretieren. Ist das nicht ausgezeichnet – diese Geschichte mit der Brücke?«

      »Ist das nicht Verrat?« fragte Fürst Andree, indem er sich lebhaft die grauen Mäntel, den Pulverdampf, den Kanonendonner und den Ruhm vorstellte, die ihn erwarteten.

      »Nein, das ist kein Verrat, das ist nur kolossale Dummheit! Aber wohin?« fragte Bilibin Fürst Andree, der nach seinem Zimmer ging.

      »Ich reise ab.«

      »Wohin?«

      »Zur Armee.«

      »Aber Sie wollten ja zu Mittag bleiben?«

      »Nein, jetzt muß ich gleich abreisen.«

      Fürst Andree traf sogleich Vorbereitungen zur Abfahrt.

      »Wissen Sie, mein Lieber«, sagte Bilibin, als er zu ihm ins Zimmer trat, »ich habe darüber nachgedacht. Warum wollen Sie abreisen?«

      Fürst Andree blickte ihn fragend an.

      »Warum wollen Sie abreisen? Ich weiß, Sie halten es für Ihre Pflicht, jetzt zur Armee zu gehen, weil sie in Gefahr ist. Das begreife ich, mein Lieber, das ist Heroismus.«

      »Keineswegs«, erwiderte Fürst Andree.

      »Aber Sie sind Philosoph, also seien Sie es auch ganz. Sehen Sie die Sache von der andern Seite an und Sie werden finden, daß es im Gegenteil Ihre Pflicht ist, sich zu erhalten. Sie haben keinen Befehl, zurückzukehren, und von hier hat man Sie nicht entlassen, also können Sie hierbleiben und mit uns weiterreisen, wohin uns unser unglückliches Schicksal führt. Man sagt, wir gehen nach Olmütz. Das ist ein sehr niedliches Städtchen, und wir fahren ganz gemütlich in meiner Kalesche dahin.«

      »Genug der Scherze, Bilibin«, erwiderte Bolkonsky.

      »Ich spreche im Ernst und aus Freundschaft. Überlegen Sie einmal, welchen Nutzen bringt es, wenn Sie jetzt abreisen, während Sie hierbleiben können? Entweder erreichen Sie die Armee gar nicht, oder der Frieden wird abgeschlossen, oder die ganze Armee Kutusows wird zersprengt.«

      »Ich habe nichts zu überlegen«, sagte Fürst Andree kalt. ›Ich muß abreisen, um die Armee zu retten‹, dachte er innerlich.

      »Mein Lieber, Sie sind ein Held«, erwiderte Bilibin.

      34

      Noch an diesem Abend verabschiedete sich Bolkonsky vom Kriegsminister und reiste zur Armee ab, ohne zu wissen, wo er sie finden werde. Er mußte sogar befürchten, auf dem Wege nach Krems von den Franzosen überholt zu werden.

      Bei Etzelsdorf erreichte Andree den Weg, auf welchem mit großer Hast die russische Armee sich zurückzog. Der Weg war von Wagen aller Art so versperrt, daß es unmöglich war, mit der Equipage durchzukommen. Fürst Andree nahm von einem Kosakenoffizier ein Pferd und einen Kosaken mit und ritt hungrig und müde weiter, um das Hauptquartier aufzusuchen. Die schlimmsten Gerüchte über die Lage der Armee erreichten ihn unterwegs, und der Anblick der in Unordnung flüchtenden Truppen bestätigte diese Gerüchte.

      »Dieser russischen Armee, welche das englische Gold vom Ende der Welt hierherführte, werden wir dasselbe Schicksal bereiten wie der österreichischen bei Ulm«, lauteten die Worte eines Tagesbefehls von Bonaparte an sein Heer, an welche sich Fürst Andree jetzt erinnerte, und diese Worte erregten seine Bewunderung für den genialen Kriegshelden sowie das Gefühl des beleidigten Stolzes und die Hoffnung auf Ruhm.

      »Wenn aber nichts anderes übrigbleibt als zu sterben«, dachte er, »nun gut, wenn es sein muß, so werde ich das nicht schlechter verstehen als ein anderer.«

      Fürst Andree blickte mit Verachtung nach diesen unendlich langen, chaotischen Zügen von Truppenmassen, Wagen, Batterien, welche einander drängten und überholten auf dem schmutzigen Weg. Von allen Seiten, von hinten und von vorn, hörte man das Knarren der Wagen, das Stampfen der Pferde, Peitschenhiebe, Geschrei und Schimpfworte der Soldaten und Offiziere. Am Rande des Weges lagen gefallene Pferde, zerbrochene Wagen, Soldaten, welche hier ihren Truppenteil verloren hatten und dann in den benachbarten Dörfern plündernd umherschwärmten. Die Soldaten standen bis zu den Knien im Schmutz. Die Offiziere, welche den Marsch lenken sollten, ritten bald vorwärts, bald rückwärts zwischen den Wagenzügen. In dem allgemeinen Lärm waren ihre Stimmen kaum vernehmbar, und man sah an ihren Mienen, daß sie an der Möglichkeit zweifelten, dieser Unordnung Einhalt zu tun.

      »Das ist es, das liebe, rechtgläubige Kriegsheer!« dachte Bolkonsky.

      Er wollte einen der Leute fragen, wo das Hauptquartier sei und fuhr zu einem Wagenzug heran. Gerade vor ihm fuhr ein seltsames Fahrzeug vorüber, welches zwischen einem Bauernwagen und einer Kalesche die Mitte hielt. Ein Soldat lenkte die Zügel, unter dem Verdeck saß eine Frau ganz mit Tüchern umwunden.

      Fürst Andree ritt näher und wollte schon eine Frage an den Soldaten richten, als verzweifeltes Rufen der Frau, welche in dem Wagen saß, seine Aufmerksamkeit erregte. Ein Offizier schlug den Soldaten, der die Kalesche lenkte, weil er die anderen überholen wollte. Die Frau stieß ein heftiges Geschrei aus. Als sie Fürst Andree erblickte, sah sie aus der Kutsche heraus und rief: »Herr Adjutant! Um Gottes willen, helfen Sie. Was soll das sein? Ich bin die Frau eines Arztes vom siebenten Jägerregiment. Man läßt mich nicht durch! Wir sind ermüdet und haben die Unsrigen verloren!«

      »Kehr um!« schrie zornig der Offizier dem Soldaten zu. »Kehr um mit deinem Weibsbild!«

      »Herr Adjutant, helfen Sie! Was soll das heißen?« rief die Frau.

      »Lassen Sie gefälligst das Fahrzeug durch! Sehen Sie denn nicht, daß es eine Dame ist?« sagte Fürst Andree zu dem Offizier. Dieser blickte ihn an ohne zu antworten und fuhr wieder auf den Soldaten los.

      »Ich fresse dich auf! … Zurück!«

      »Lassen Sie ihn durch, sage ich Ihnen!« wiederholte Fürst Andree in bestimmterem Tone.

      »Und wer bist denn du da?« schrie der Offizier plötzlich in trunkener Wut. »Wer bist du? Hier habe ich zu befehlen und nicht du! Fort mit dir!«

      »Das Adjutantchen hat er gut abgefertigt«, sagte eine Stimme in der Nähe.

      Fürst Andree sah, daß der Offizier sich in der Trunkenheit in einem Anfall plötzlicher Wut befand, in dem Leute nicht wissen, was sie sprechen; er sah, daß seine Einmischung zugunsten der Frau in dem Wagen eben das hervorgebracht hatte, was er am meisten in der Welt fürchtete, was die Franzosen das Lächerliche nennen. Noch hatte der Offizier die letzten Worte nicht ausgesprochen, als Fürst Andree mit vor Wut verzerrtem Gesicht auf ihn zuritt und die Peitsche erhob.

      »Lassen Sie sie durch!«

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