Der Gewalt keine Chance. Martina Dr. Schäfer

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Der Gewalt keine Chance - Martina Dr. Schäfer

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im Besingen der geliebten Person zusammenfließen, z. B. das Hohelied Salomos im Alten Testament.

      Vor allen Dingen signalisiert die echte Begeisterung und verbale Zuwendung, dass die geliebte und bewunderte Person höchst einmalig und keinesfalls austauschbar ist. Sie ist unersetzlich. Es gibt nur sie, und ohne sie würde die Erde untergehen, der Himmel einstürzen.

      Sowohl dem Starrer als auch dem verbalen Angreifer jedoch ist diese Einmaligkeit egal. Ganz im Gegenteil: Die sexuell attackierte Person muss austauschbar sein, sie ist wie die Gazellen der Savanne nur eine von vielen, dem Löwen ist es nur wichtig, irgendeine zu erwischen, welche genau, ist gleichgültig, Hauptsache, sie schmeckt und nährt ihn.

      Wie den Jäger, wie das Raubtier interessiert auch den sexuellen Angreifer nicht die Kommunikation oder der Austausch mit seinem Opfer. Es kann keine Diskussion zwischen den beiden geben, weil sie gar keine gleich starken Diskussionspartner sind. Für den sexuellen Gewaltmenschen kommt es auf Titten und Pos an, austauschbare Körperteile, die man fallen lässt, wenn man sich an ihnen aufgegeilt hat. Auch diese Austauschbarkeit trägt sehr zur Verunsicherung der Opfer bei.

      Der erfreuliche Zeitgenosse aus dem anderen Chor, von dem oben die Rede war, hatte noch eine weitere unangenehme Eigenschaft: Er murmelte zotige Bemerkungen in unsere Nacken und machte abfällige Aussagen über die Frauen, wenn sie an ihm vorbei durch enge Gänge auf die Bühne gingen. Auch hier bei konnten unsere Verbündeten helfen, denn als Eingesessene hatten wir Frauen und unsere Freunde letztlich doch auch mehr Macht als dieser nur leihweise anwesende Mensch aus einem anderen Chor.

      Die unflätigen Bezeichnungen jedoch, die abfälligen Bemerkungen, schmutzigen Witze und zweischneidigen Komplimente verletzen, wie es wahrscheinlich sonst nur wirkliche, körperliche Attacken tun.

      Kursteilnehmerinnen schildern, dass ihnen solche Verbalattacken eingefahren sind wie «ein Schlag in die Magengrube», als hätte der Verbaltäter ihnen tatsächlich zwischen die Beine gegriffen oder ihnen einen Zungenkuss aufgezwungen. Für solche Attacken braucht es nicht einmal das direkte Gegenüber der angegriffenen Person, das geht eventuell sogar durchs Telefon, via Glasfaserkabel um die halbe Welt! Die Verletzung durch Sprache ist jene, welche am weiträumigsten ausgeführt werden kann – und von daher kann die «Aura», die durch solche Verbalinjurien verletzt wird, kilometerweit reichen.

      Wieder wird es leichter sein, einen wildfremden Menschen in seine Schranken zu weisen als den Werkmeister, der das junge Mädchen morgens mit einer erotisierenden Bemerkung begrüßt, die dieses ganz sicher nicht von ihm hören möchte. Von seinem Meister will ein Lehrling Informationen über die auszuführende Arbeit hören, Tipps, Hinweise, auch Kritik und Anerkennung für gemachte Leistungen.

      Einen abhängigen Menschen, einen Schüler oder Lehrling, eine Nichte, Konfirmandin usw. sexuell mit Worten zu belästigen stellt einen eminenten Regelbruch dar. Die Regel der Ausbildung, Verwandtschaft oder spirituellen Betreuung erfordert nämlich eine ganz andere Sprache als die erotische – oder gar die abwertend sexuell gefärbte.

      Ebenso wie der sexuelle Blickkontakt ist auch eine sexuelle Sprechweise nur zwischen gleich starken Leuten gestattet, Menschen, die stärkemäßig auf der gleichen Ebene stehen und irgendwann im Verlaufe ihrer Beziehung miteinander vereinbarten, dass sie solch einen erotischen und sexuellen Diskurs miteinander eingehen wollen. Gleich stark bedeutet auch, dass die eine Seite einen solchen Diskurs klar ablehnen kann. Dann gehört es zur Regel des menschlichen und zivilisierten Miteinanders, dass sich die andere Person in dieser Hinsicht zurückzieht. Vielleicht kann man sich ja auch auf eine andere Ebene des Miteinanders einigen: zusammen wandern gehen, tanzen oder Karten spielen!

      Wie auch immer, die angemachte Person bestimmt, was sie in ihr Ohr hineinlassen will, egal ob in der direkten Konfrontation oder via Telefon. Da Menschen aber ihre Ohren nicht so gut verschließen können wie ihre Augen, ist es gerade auf der sprachlichen Ebene wichtig, die Quelle der unangenehmen Bemerkungen und ekligen Witze auszuschalten. Das machen wir ja locker, wenn z. B. im Zugabteil jemand lauthals solche Sprüche klopft; zur Not holt man sich die Hilfe beim Schaffner, damit dieser den Typen zum Schweigen bringt.

      Die mädchenfeindlichen Witze eines niederbayrischen Gymnasiallehrers einzudämmen dürfte den Schülerinnen schon um einiges schwerer fallen, ebenso die frauendiskriminierenden Tiraden eines Professors weit vorne am Pult des großen Hörsaales, insbesondere, wenn der über Wohl und Wehe des weiteren Studienganges zu befinden hat. Jegliche sexuelle Gewalt hat diese zwei Seiten: die Tat selber und den Zustand der Abhängigkeit, in dem sie geschieht und der eine Gegenwehr so schwierig macht. Aber wir haben ein Recht darauf zu bestimmen, womit wir unsere Ohren füllen wollen und womit nicht.

       Schlagworte

      Verwirrung, Verunsicherung und Austauschbarkeit

       Regeln

      Starren verboten. Meine Ohren gehören mir.

      1.3 Meine Haut gehört mir oder: Wer liebt, lässt los

      Nach den äußeren Grenzen, die uns Ohren, Augen und Nase signalisieren, nach «Gartenzaun» und «Flügelspannweite», «Raumkapsel » oder «Haus» kommt nun die innerste Grenze, die Haut – gewissermaßen das «Wohnzimmer» –, die es manchmal zu schützen gilt. Die Haut ist nun wirklich jener Bereich, den kein Mensch, dem wir nicht vertrauen, berühren darf. Nur Menschen, die wir lieben und denen wir Vertrauen schenken, lassen wir so nahe an uns heran, dass sie uns berühren können.

      Das gilt aber auch für jene Lebensbereiche und Situationen, in denen wir gezwungenermaßen mit anderen Leuten zusammen sind. Bei allem Gedrängel in öffentlichen Verkehrsmitteln versuchen die meisten, direkte Berührungen zu vermeiden. Passiert es doch, weil der Busfahrer vielleicht etwas arg abrupt auf die Bremse tritt, so entschuldigt man sich bei seinem Nebenmann für die Rempelei.

      Vielen Schülerinnen und Schülern ist die gut gemeinte, joviale Berührung durch Lehrkräfte unbehaglich. Es ist das Machtgefälle, das diese Berührung unangenehm macht. Bei aller Freundlichkeit bleibt sie doch eine Geste «von oben» «nach unten». Lehrlinge sind nicht allzu begeistert, wenn der Meister die Hand auf ihre Schulter legt, selbst wenn die Geste Anerkennung ausdrücken soll. Junge Frauen sind sich selten sicher, ob das Getätschel auf den Rücken durch einen Vorgesetzten wirklich nur gut gemeint ist.

      Es gilt hier also grundsätzlich, dass nur die Frau, das Mädchen selber bestimmt, wer sie anfassen darf. Braucht sie zum Beispiel Trost, wird sie sich der Person schon zuwenden, der sie in einer schwierigen Situation vertraut. Es gibt Menschen in ihrem Leben, denen sie ohne Probleme bei Kummer um den Hals fällt, um sich auszuweinen, aber es gibt eben auch Menschen, denen würde sie sich niemals so nähern, selbst wenn gerade eben ihre Welt zusammengebrochen ist und niemand sonst in der Nähe weilt.

      Gerade die Berufswelt, Schule und Ausbildung sind, als generell professionalisierte Orte, keine, an denen man sich «an die Haut» geht. Die Berührung der Haut hat immer etwas Privates an sich. Sie gehört, zumindest in unserer Kultur, in die privaten Lebenszusammenhänge und findet innerhalb des Intimbereichs statt. Dieser Intimbereich selber hat verschiedene Bereiche einer mehr oder weniger starken «Privatisierung». So ist es Sitte, dass Menschen sich zur Begrüßung und zur Verabschiedung die Hände reichen. Dies wird als Akt der Höflichkeit gesehen, und Kinder werden dazu angehalten, «das Händchen» zu geben – möglichst auch noch das «richtige»!

      Der Händedruck eines Menschen kann viel über sein Wesen aussagen. Schlaff-feuchte Hände verursachen ein Unbehagen; Leute mit kalten Händen tun einem leid, besonders wenn man ihnen nahe steht; ein warmer, kräftiger Händedruck ist sympathisch, aber ein zu fester Händedruck

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