Knabenalter. Лев Толстой

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Knabenalter - Лев Толстой

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Mädel« genannt hatte, erwiderte, es können ja nicht alle klug sein, es müsse auch Dumme geben. Aber ihre Antwort, daß man sich irgendwann verändern müsse, befriedigte mich nicht, und ich fuhr fort zu fragen:

      »Warum muß man das?«

      »Wir werden doch nicht immer zusammen bleiben«, antwortete Katjenka leicht errötend und aufmerksam Philipps Rücken betrachtend, »Mamachen konnte bei eurer seligen Maman leben, weil sie befreundet waren, aber weiß Gott, ob sie mit der Gräfin, die, wie man sagt, so böse ist, übereinstimmen wird? Und auch sonst, irgendwann müssen wir uns ja doch trennen: ihr seid reich, ihr besitzt Petrowskoje, und wir sind arm, Mamachen besitzt gar nichts.«

      »Ihr seid reich, wir sind arm«, diese Worte und die Begriffe, die mit ihnen verbunden waren, erschienen mir außerordentlich sonderbar; nach meinen damaligen Begriffen konnten nur Bettler und Bauern arm sein, und diese Vorstellung von der Armut konnte ich durchaus nicht mit der graziösen, hübschen Katjenka in Verbindung bringen. Es schien mir, daß Mimi und Katjenka, wenn sie schon immer bei uns gelebt hatten, auch immer mit uns leben und alles mit uns teilen würden, anders konnte es gar nicht sein. Jetzt aber schwirrten mir tausend neue, unklare Gedanken über ihre Gleichstellung mit uns durch den Kopf, und ich schämte mich so sehr, daß wir reich und sie arm seien, daß ich errötete und mich nicht getraute, Katjenka anzusehen.

      »Was ist denn dabei, daß wir reich und sie arm sind«, dachte ich, »und warum ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Trennung, warum sollten wir nicht gleichmäßig teilen, was wir besitzen?« Aber ich begriff, daß man mit Katjenka darüber nicht sprechen konnte, und ein gewisser, praktischer Instinkt sagte mir schon im Gegensatz zu dieser logischen Betrachtung, daß sie recht habe und daß es nicht am Platze wäre, ihr meine Gedanken zu entwickeln.

      »Wirst du wirklich von uns fortgehen?« fragte ich, »wie sollen wir denn ohne einander leben?«

      »Was ist dabei zu machen? Es tut mir selbst weh, aber wenn es geschehen sollte, so weiß ich, was ich tu.«

      »Du willst Schauspielerin werden, so eine Dummheit!« unterbrach ich sie, weil ich wußte, daß es immer ihr Lieblingstraum gewesen war, zur Bühne zu gehen.

      »Nein, das habe ich gesagt, als ich noch klein war.«

      »Also was wirst du tun?«

      »Ich werde ins Kloster gehen, werde dort wohnen und in einem schwarzen Kleidchen und Samthäubchen umhergehen.«

      Und Katjenka begann zu weinen.

      Ist es dir, lieber Leser, in einem bestimmten Lebensabschnitt begegnet, daß du plötzlich gewahr wirst, deine Anschauungen von den Dingen verändern sich völlig, so als ob alle Gegenstände, die du bisher gesehen hast, dir plötzlich eine andere, noch unbekannte Seite zukehren? Eine solche moralische Umwälzung vollzog sich in mir zum erstenmal während jener Reise, von der ich auch den Anfang meines Knabenalters datiere.

      Zum erstenmal kam mir die Erkenntnis, daß wir, das heißt unsere Familie, nicht allein auf der Welt seien, daß alle Interessen sich nicht uns allein zuwenden, und daß auch noch andere Leute existieren, die mit uns nichts gemeinsam haben, sich nicht um uns kümmern und sogar von unserer Existenz nichts ahnen. Ich hatte das alles ohne Zweifel auch früher gewußt, aber ich hatte es nicht so gewußt, wie ich es jetzt erkannte; es war mir nicht zum Bewusstsein gekommen, ich hatte es nicht empfunden.

      Ein Gedanke wird zur Überzeugung nur auf einem bestimmten Wege, der oft ganz unerwartet ist und sich von den Wegen unterscheidet, welche ein anderer Geist durchläuft, um dieselbe Überzeugung zu erlangen. Mein Gespräch mit Katjenka, das mich sehr rührte und mich zwang, über ihre zukünftige Lage nachzudenken, war für mich dieser Weg. Wenn ich die Dörfer und Städte betrachtete, durch welche wir fuhren, in denen jedes Haus wenigstens von einer solchen Familie, wie die unsere, bewohnt war, wenn ich die Frauen und Kinder ansah, die mit momentaner Neugier unserem Wagen nachblickten und für immer unseren Augen entschwanden, die Krämer, die Bauern, die uns nicht nur nicht grüßten, wie ich das in Petrowskoje gewöhnt war, sondern uns nicht einmal eines Blickes würdigten, dann ging mir zum erstenmal die Frage durch den Kopf: Was beschäftigt sie wohl, wenn sie sich gar nicht um uns kümmern? Und aus dieser einen Frage bildeten sich andere: Wie und wovon leben sie? wie erziehen sie ihre Kinder? lehren sie sie? erlauben sie ihnen zu spielen? wie bestrafen sie sie? und so weiter.

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