Hadschi Murat. Лев Толстой

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Hadschi Murat - Лев Толстой

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du sagst!« bemerkte Panow.

      »Weißt du noch, wie ich damals das Geld vertrank? Auch das geschah nur aus lauter Sehnsucht. Wie es so über mich kam, sagte ich mir: Nun wirst du dich mal ganz gehörig bezechen!«

      »Es wird aber manchmal noch schlimmer, wenn man trinkt.«

      »Gewiß, auch das hab' ich schon erlebt – doch was soll ich machen?«

      »Wonach sehnst du dich denn eigentlich so sehr?«

      »Wonach ich mich sehne? Nach der Heimat, nach den Meinigen sehn' ich mich.«

      »Ihr seid wohl sehr reich?«

      »Nicht gerade reich, aber wir hatten zu leben. Ganz gut haben wir gelebt,« sagte Awdjejew und erzählte dem Unteroffizier zum soundsovielten Male seine Lebensgeschichte.

      »Ich bin nämlich freiwillig für meinen älteren Bruder eingetreten,« sagte er. »Er hatte fünf Kinder, und ich war eben jung verheiratet. Mütterchen bat mich so sehr, und da dachte ich: ›Was kommt mir's schon drauf an, vielleicht vergelten sie es mir einmal.‹ Ich ging zum Gutsbesitzer – ein guter Herr war's, den wir hatten – und er sagte zu mir: ›Das ist brav von dir, geh nur.‹ Na, und so bin ich eben für den Bruder eingesprungen.«

      »Das war sehr schön von dir,« meinte Panow.

      »Ja, und möchtest du's wohl glauben, Antonytsch: jetzt sehne ich mich heim! Warum bin ich eigentlich für den Bruder eingesprungen? frag' ich mich. Er spielt jetzt den Herrn, und ich kann mich hier schinden. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer wird's. Das mag wohl sündhaft sein, aber was soll ich machen?«

      Awdjejew schwieg.

      »Wollen wir nicht wieder ein Pfeifchen rauchen?« fragte er nach einem Weilchen.

      »Na, dann stopf' sie mal wieder!« meinte einer von den Soldaten.

      Doch sie kamen nicht mehr dazu, die Pfeife zu rauchen. Kaum hatte sich Awdjejew erhoben und mit dem Stopfen der »Pfeife« begonnen, als sich durch das leise Rauschen des Windes Schritte auf dem Wege vernehmen ließen. Panow griff nach seinem Gewehr und stieß Nikitin mit dem Fuße an. Nikitin erhob sich und nahm seinen Mantel auf. Auch Bondarenko, der vierte Soldat, stand auf.

      »Was für 'nen schönen Traum hatte ich doch, Brüder!« begann er.

      Awdjejew ließ einen leisen Zischlaut hören, zum Zeichen, daß er schweigen solle, und die Soldaten standen da und lauschten. Die leichten Schritte von Leuten, die offenbar keine Stiefel trugen, kamen näher. Immer deutlicher und deutlicher hörte man in der Dunkelheit das Rascheln der trockenen Blätter und Zweige. Dann vernahm man ein Gespräch in der an Kehllauten reichen Sprache der Tschetschenzen. Bald hörten die Soldaten nicht nur die Stimmen, sondern sahen auch zwei Schatten, die im matten Schimmer der sternhellen Nacht zwischen den Bäumen hinhuschten. Der eine Schatten war länger, der andere kürzer. Als die Schatten in einer Linie mit dem Posten waren, trat Panow mit zweien seiner Kameraden, das Gewehr im Anschlag, auf die Straße hinaus.

      »Halt! Wer da?« rief er.

      »Tschetschenze, friedlich,« sagte der Kleinere der beiden Ankömmlinge, der kein anderer war als Bata. »Gewehr iok, Säbel iok,« sagte er, auf sich selbst zeigend. »Fürst sprechen.«

      Der Größere der beiden stand schweigend neben seinem Gefährten. Auch er war unbewaffnet.

      »Es werden Sendboten sein,« erklärte Panow, zu den Kameraden gewandt. »Wir müssen sie zum Oberst bringen.«

      »Fürst Woronzow sprechen, sehr nötig, große Ding«, sagte Bata.

      »Gut, wir bringen euch hin,« versetzte Panow. »Du kannst sie mit Bondarenko hinbringen,« wandte er sich zu Awdjejew.

      »Übergib sie dem diensttuenden Offizier und komm wieder zurück. Sei aber vorsichtig – laß sie immer vorausgehen!«

      »Na, da hat das hier auch noch mitzureden«, sagte Awdjejew und machte mit dem Bajonett eine Bewegung, als wollte er zustechen. »Sowie sich einer verdächtig macht, gibt es so was!«

      »Nicht doch, wir wollen ihn doch ganz hinbringen«, meinte Bondarenko.

      »Na, geht nun – vorwärts, marsch!«

      Als die Schritte der beiden Soldaten, die mit den Boten davonzogen, in der Ferne verhallt waren, begaben sich Panow und Nikitin wieder an ihren Platz.

      »Was Teufel haben die Kerle hier in der Nacht zu suchen?« sagte Nikitin.

      »Es muß wohl irgend etwas Wichtiges sein,« entgegnete Panow. »Es ist recht frisch geworden«, fügte er dann hinzu, wickelte seinen Mantel auseinander, zog ihn an und setzte sich unter den Baum, gegen dessen Stamm er sich lehnte.

      Zwei Stunden darauf kehrten Awdjejew und Bondarenko zurück.

      »Na, habt ihr sie richtig hingebracht?« fragte Panow.

      »Ja. Beim Oberst war man noch auf, wir brachten sie gleich dorthin. Sind doch ganz prächtige Jungen, diese Kahlköpfe, sag' ich dir«, fuhr Awdjejew fort. »Bei Gott! Hab' mich sehr gut mit ihnen unterhalten.«

      »Du unterhältst dich mit aller Welt gut,« sagte Nikitin mürrisch.

      »Nein, wirklich – ganz wie die Russen sind sie. Der eine ist verheiratet. ›Maiuschka,‹ frag' ich ihn – ›bar?‹ – ›Bar‹, sagte er. ›Schafe,‹ frag' ich ihn, ›bar?‹ – ›Bar‹, sagt er, ›viele.‹ ›Pferdchen,‹ frag' ich ihn, ›bar?‹ – ›Ein Paar,‹ sagt er. Und so ging es weiter. Prächtige Leute, wirklich!«

      »Was heißt da prächtig!« sagte Nikitin. »Trifft er dich irgendwo allein, dann schlitzt er dir den Bauch auf, ohne sich zu bedenken.«

      »Der Tag wird bald anbrechen,« meinte Panow.

      »Ja, die Sterne werden schon blasser«, sagte Awdjejew, sich niedersetzend. Und die Soldaten verstummten wieder.

      3

      Die Fenster der Kaserne und der kleinen Soldatenhäuschen waren längst dunkel, und nur in einem der großen Häuser der Festung waren noch alle Fenster erhellt. In diesem Hause wohnte der Kommandant des Kurinischen Regiments, Fürst Semjon Michajlowitsch Woronzow, ein Sohn des Oberstkommandierenden gleichen Namens, der als Statthalter in Tiflis residierte. Der junge Woronzow lebte mit seiner Gattin Maria Wassiljewna, einer gefeierten Petersburger Schönheit, in der kleinen kaukasischen Festung mit größtem Aufwand, wie noch nie ein Mensch in dieser Gegend gelebt hatte. Woronzow aber, und ganz besonders seiner Frau, schien es, daß sie hier nicht nur ein sehr bescheidenes, sondern geradezu ein entbehrungsvolles Leben führten.

      Jetzt, um die Mitternachtsstunde, saß der Hausherr in dem großen Salon mit dem den ganzen Fußboden bedeckenden Riesenteppich und den herabgelassenen schweren Portieren im Kreise seiner Gäste an dem von vier Kerzen erleuchteten Spieltisch und spielte mit ihnen Karten. Fürst Woronzow war ein blonder Mann mit langem Gesichte; er trug die Uniform eines Flügeladjutanten, mit Namenszug und Achselschnüren; sein Partner beim Spiel war ein Kandidat der Petersburger Universität, ein junger Mensch von mürrischem, struppigem Aussehen, den die Fürstin vor kurzem als Lehrer ihres Sohnes aus erster Ehe engagiert hatte. Ihre Spielgegner waren zwei Offiziere, der

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