Hadschi Murat. Лев Толстой

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Hadschi Murat - Лев Толстой

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davon. Als er sein Pferd anhielt, hörte er nichts mehr von seinen Verfolgern, auch die Hähne waren nicht mehr zu hören; dafür klang das Rauschen des Wassers im Walde jetzt vernehmlicher, und von Zeit zu Zeit ertönte der klagende Schrei eines Uhus. Die dunkle Wand des Waldes schien in nächste Nähe gerückt. Es war jener Wald, in dem Hadschi Murat von seinen Muriden erwartet wurde. Als er den Waldrand erreicht hatte, machte er halt, holte tief Atem, ließ einen lauten Pfiff ertönen und horchte dann in die Nacht hinaus. Im nächsten Augenblick schon ertönte ein gleicher Pfiff aus dem Walde. Hadschi Murat bog vom Wege ab und ritt quer durch den Wald. Als er etwa hundert Schritte zurückgelegt hatte, sah er ein Feuer zwischen den Baumstämmen schimmern; menschliche Gestalten lagerten um das Feuer, dessen Schein auf ein in der Nähe grasendes, an drei Beinen gefesseltes, jedoch sattelfertiges Pferd fiel.

      Es waren vier Männer, die um das Feuer herumsaßen. Einer von ihnen erhob sich rasch, kam auf Hadschi Murat zu und griff nach seinem Zügel und dem Steigbügel. Es war Hadschi Murats Blutsbruder Chanefi, der sein Hauswesen und seine Güter verwaltete.

      »Löscht das Feuer aus«, sagte er, während Hadschi Murat vom Pferde stieg.

      Die Leute am Feuer begannen sogleich, es auszulöschen, indem sie die brennenden Haufen auseinanderwarfen und die glimmenden Äste austraten.

      »Ist Bata hier gewesen?« fragte Hadschi Murat, auf den Filzmantel zutretend, der auf der Erde hingebreitet lag.

      »Ja. Er ist schon lange fort, mit Chan Mahoma.«

      »Welchen Weg haben sie eingeschlagen?«

      »Diesen da,« antwortete Chanefi; er zeigte nach einer Richtung, die jener entgegengesetzt war, aus der Hadschi Murat gekommen.

      »Es ist gut,« sagte Hadschi Murat und begann seine Büchse zu laden. »Wir müssen Wachen ausstellen, sie haben mir nachgesetzt,« sprach er dann zu einem der Männer, der noch damit beschäftigt war, das Feuer auszulöschen.

      Es war der Tschetschenze Hamsalo, den Hadschi Murat angesprochen hatte. Hamsalo ging zu dem Filzmantel hin, ergriff eine im Futteral steckende Büchse, die dort lag, und begab sich schweigend an den Rand der Lichtung, nach jener Seite, von der Hadschi Murat hergekommen war. Eldar, der abgestiegen war und sein Pferd, wie auch dasjenige Hadschi Murats, mit hochgestrecktem Kopfe an den Bäumen in der Nähe festgebunden hatte, begab sich gleichfalls mit der Büchse über der Schulter an den Rand der Lichtung. Das Feuer war ausgelöscht, und der Wald erschien nun nicht mehr so schwarz wie vorher. Am Himmel blinkten, wenn auch nur mit schwachem Schimmer, die Sterne.

      Hadschi Murat sah zu den Sternen auf – er suchte das Siebengestirn, das bereits bis zur Hälfte des Himmels emporgestiegen war. Sie sagten ihm, daß es lange nach Mitternacht sei, und daß es längst Zeit sei, das Nachtgebet zu verrichten. Er ließ sich von Chanefi das Becken reichen, das stets beim Gepäck mitgeführt wurde, zog seinen Filzmantel an und begab sich an das Wasser.

      Er zog seine Schuhe aus und nahm die Fußwaschung vor, worauf er mit bloßen Füßen auf den ausgebreiteten Filzmantel trat, niederhockte und zunächst, Augen und Ohren mit den Fingern zuhaltend, mit nach Osten gewandtem Gesichte das übliche Gebet sprach.

      Als er das Gebet beendet hatte, kehrte er an den Lagerplatz zurück, setzte sich dort neben den Sätteln und Quersäcken auf den Filzmantel, stützte die Ellbogen auf die Knie, ließ den Kopf sinken und vertiefte sich in seine Gedanken.

      Hadschi Murat hatte stets an sein Glück geglaubt. Wenn er etwas unternahm, war er von vornherein fest davon überzeugt, daß der Erfolg ihm sicher sei, und er hatte in der Tat während seines stürmischen, von Kampf und Streit bewegten Lebens fast immer Glück gehabt. Er hoffte, daß es auch diesmal nicht anders sein würde. Er stellte sich vor, daß er mit den Truppen, die ihm Woronzow zur Verfügung stellte, gegen Schamyl ziehen, ihn gefangen nehmen und an ihm Rache nehmen würde, daß alsdann der Zar ihn dafür belohnen und er nicht nur über Awarien, sondern auch über die gedemütigte Tschetschna herrschen würde. Mit diesen Gedanken beschäftigt, war er unversehens eingeschlafen.

      Er sah im Traum, wie er mit seinen tapferen Getreuen unter Gesang und lautem Kampfgeschrei: »Hadschi Murat kommt!« gegen Schamyl losstürmte, wie er ihn samt seinen Frauen gefangen nahm, und er hörte das Schluchzen und Weinen der Weiber. Er erwachte aus dem Traum: das Kampflied »La Illaha!«, das Kriegsgeschrei »Hadschi Murat kommt!« und das Weinen der Frauen Schamyls war in Wirklichkeit nichts anderes als das Heulen, Weinen und Lachen der Schakale, die ihn aus dem Schlafe aufgestört hatten. Hadschi Murat hob den Kopf empor, sah nach dem bereits zwischen den Baumstämmen hindurchschimmernden Morgenhimmel und fragte einen der Muriden, der ein wenig abseits von ihm saß, ob Chan Mahoma schon zurück sei. Als er vernahm, daß Chan Mahoma noch nicht da sei, ließ er den Kopf von neuem sinken und schlummerte sogleich wieder ein.

      Er wurde durch die muntere Stimme Chan Mahomas geweckt, der mit Bata von seiner Sendung zurückgekehrt war. Chan Mahoma setzte sich sogleich zu Hadschi Murat hin und begann ihm zu erzählen, wie die Soldaten ihn empfangen und zum Fürsten selbst geführt hätten, wie er mit dem Fürsten selbst gesprochen habe, wie der Fürst hocherfreut gewesen sei und versprochen habe, mit ihnen jenseits des Migik, auf der Schamylskischen Lichtung, wo die Russen Holz fällen wollten, zusammenzutreffen. Bata unterbrach immer wieder den Bericht seines Gefährten und flocht seinerseits allerhand Einzelheiten ein.

      Hadschi Murat fragte seine Boten ganz eingehend und genau nach dem Wortlaut der Antwort, die Woronzow auf Hadschi Murats Anerbieten, zu den Russen überzugehen, erteilt hätte. Sowohl Chan Mahoma, wie auch Bata, antworteten einstimmig, der Fürst habe versprochen, Hadschi Murat als seinen Gast zu empfangen und aufs beste zu behandeln. Hadschi Murat erkundigte sich noch über den Weg, und als Chan Mahoma ihm versicherte, daß er den Weg ganz genau kenne und ihn sicher hinführen würde, nahm er Geld aus der Tasche und gab Bata die versprochenen drei Silberrubel. Seinen Leuten aber befahl er, aus den Quersäcken die kostbaren goldverzierten Waffen und die Lammfellmütze mit dem Turban hervorzuholen, sich selbst aber äußerlich so blank und sauber zu machen, daß sie in den Augen der Russen wohl bestehen könnten. Während sie die Waffen, das Sattelzeug, das Geschirr und die Pferde putzten, ward der Sternenhimmel bleicher und bleicher. Bald wurde es ganz hell, und der Morgenwind rauschte leise durch die Wipfel der Bäume.

      5

      Am frühen Morgen, noch in der Dunkelheit, waren zwei Kompanien mit Beilen unter dem Kommando Poltorazkijs bis auf zehn Werst vor das Schachgirinskische Tor hinausmarschiert, hatten eine Vorpostenkette vorgeschoben und sich, sobald es zu tagen anfing, an das Fällen der Bäume gemacht. Gegen acht Uhr begann der Nebel, vermischt mit dem dichten, stickigen Rauch der in den Lagerfeuern knisternden feuchten Baumzweige, höher zu steigen. Die mit der Niederlegung des Waldes beschäftigten Soldaten, die einander vorher auf fünf Schritte nicht mehr gesehen, sondern nur noch gehört hatten, konnten jetzt sowohl die Lagerfeuer wie den von den Baumstämmen versperrten, quer durch den Wald führenden Weg deutlich unterscheiden. Die Sonne erschien von Zeit zu Zeit als ein leuchtender Fleck im Nebel, um dann für eine Weile wieder unsichtbar zu werden. In einer kleinen Lichtung abseits vom Wege saßen auf den Trommeln Poltorazkij und sein Subalternoffizier Tichonow, ferner zwei Offiziere der dritten Kompanie und ein ehemaliger Offizier der Chevaliergarde namens Baron Freese, ein Bekannter Poltorazkijs vom Pagenkorps her, der wegen eines Duells degradiert worden war. Um die Trommeln herum lagen leere Flaschen, Zigarettenstummel und Papierhüllen, in denen die Offiziere ihr Frühstück mitgebracht hatten. Sie hatten sich durch ein Glas Branntwein und einen Imbiss gestärkt und dann ein Glas Porter getrunken. Der Tambour war eben dabei, eine neue Flasche zu entkorken. Poltorazkij war, obschon er nicht ausgeschlafen hatte, doch in jener ganz besonderen, sorglos heiteren und gehobenen Stimmung, die ihn inmitten seiner Soldaten und Kameraden jedesmal überkam, sobald Gefahr ihn umwitterte.

      Die Offiziere unterhielten

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