Die Kosaken. Лев Толстой
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»Warum sind sie nur so selbstzufrieden, diese Herren?« sagte er sich, an jene zurückdenkend. »Und mit welchem Recht bilden sie diesen besonderen Zirkel, in den aufgenommen zu werden nach ihrer Meinung für jeden andern eine ganz besondere Ehre ist? Etwa darum, weil sie Flügeladjutanten sind? Es ist doch entsetzlich, für wie dumm und gemein sie die andern halten! Ich habe ihnen nun freilich gezeigt, daß mir an ihrem Verkehr nicht das geringste liegt. Mein Gutsverwalter Andrej würde allerdings große Augen machen, wenn er hörte, daß ich mit einem so vornehmen Herrn wie Saschka B., der Oberst und Flügeladjutant ist, auf dem Duzfuß stehe ... Übrigens hat auch niemand an jenem Abend so viel getrunken wie ich; ich habe den Zigeunern ein neues Lied beigebracht, das allgemein gefiel. Mag ich schon Dummheiten genug begangen haben, so bin ich doch trotz alledem ein wackerer, lieber Junge.«
Der Morgen fand Olenin auf der dritten Station. Er trank Tee, legte mit Wanjuscha die Bündel und Koffer um und nahm zwischen ihnen ganz vernünftig und ordnungsgemäß Platz. Er wußte, wo sich jedes Stück seiner Sachen befand, wo das Geld steckte, und wie viel es betrug, wo der Paß, das Reisebillett und die Chausseegeld-Quittung lag – und alles das schien ihm so praktisch arrangiert, daß er ganz vergnügt ward und die weite Reise ihm wie eine einzige lange Spazierfahrt erschien.
Im Verlauf des Morgens und der Mittagsstunde war er ganz in arithmetische Berechnungen vertieft: wieviel Werst er zurückgelegt hatte, wieviel noch bis zur nächsten Station, bis zur nächsten Stadt, bis zum Mittagessen, bis zum Tee, bis Stawropol übrig blieben, und welchen Bruchteil der gesamten Route die zurückgelegte Strecke ausmachte. Dann berechnete er auch, wieviel Geld er hatte, wieviel die Bezahlung aller Schulden erfordern würde, und welchen Teil seines Gesamteinkommens er monatlich für seinen Unterhalt verwenden könne. Am Abend, nachdem er den Tee eingenommen, stellte er fest, daß bis Stawropol noch sieben Elftel des ganzen Weges übrig blieben, daß seine Schulden etwa ein Achtel seines gesamten Vermögens ausmachten und bei einiger Sparsamkeit in sieben Monaten abgetragen werden konnten – und nachdem er alle diese beruhigenden Feststellungen gemacht hatte, wickelte er sich fest ein, streckte sich auf dem Boden des Schlittens aus und begann wieder zu träumen.
Seine Phantasie beschäftigte sich jetzt schon ganz mit der Zukunft, dem Kaukasus. Alle seine Zukunftsträume waren belebt von den Bildern der Amalat-Beks, der Tscherkessinnen, der Berge und Schluchten, der reißenden Ströme und aller möglichen Gefahren. Alles das stand nur ganz unklar und trüb vor seiner Seele; aber der Ruhm, der ihn lockte, und der Tod, der dort jeden Augenblick drohte, gaben dieser Zukunft ein tieferes Interesse. Jetzt tötete und unterwarf er mit ganz außerordentlicher Tapferkeit und allgemein bewunderter Kraft zahllose Bergbewohner; dann ist er selbst ein Bergbewohner und verteidigt Seite an Seite mit ihnen seine Unabhängigkeit gegen die Russen. Auch seine alten Moskauer Bekannten sind mit dabei. Saschka B. kämpft bald mit den Russen, bald mit den Bergbewohnern, doch immer gegen ihn. Monsieur Capelle, der Schneider, nimmt seltsamerweise gleichfalls an seinen Triumphen teil. Und wenn ihm bei alledem die alten Demütigungen, Schwächen und Verirrungen wieder einfallen, so ist ihm die Erinnerung an sie nur angenehm. Es liegt auf der Hand, daß dort, inmitten der Berge, Ströme, Tscherkessen und Gefahren diese Verirrungen sich nicht mehr wiederholen werden. Er hat sie nun schon einmal vor sich selbst gebeichtet, damit sind sie abgetan.
Noch eine Vorstellung war da, die ihm ganz besonders teuer war und sich in alle seine Zukunftsträume einschlich. Das war die Vorstellung vom Weibe. Dort, inmitten der Berge, erscheint das Weib ihm in der Gestalt einer tscherkessischen Sklavin von schlankem Wuchs, mit langen Haarflechten und treu ergebenen, abgrundtiefen Augen. Er stellt sich eine einsame Berghütte vor, und auf der Schwelle steht »sie« und erwartet ihn, während er müde, mit Staub, Blut und Ruhm bedeckt, zu ihr heimkehrt. Und er vergegenwärtigt sich ihre Küsse, ihre Schultern, ihre süße Stimme, ihre Demut. Sie ist so reizvoll, doch dabei so scheu, ohne Bildung und von groben Sitten. Sie ist aber zugleich klug, gelehrig, begabt und eignet sich rasch alles nötige Wissen an. Mit Leichtigkeit lernt sie fremde Sprachen, liest die Erzeugnisse der französischen Literatur und versteht sie. »Notre dame de Paris« zum Beispiel wird ihr sicher gefallen. Sie kann auch französisch sprechen, und im Salon zeigt sie mehr angeborene Würde als irgendeine Dame der höchsten Gesellschaft. Sie kann singen – einfach, voll Kraft und Leidenschaft.
»Ach, was für Unsinn!« spricht er zu sich selbst. Doch da sind sie eben auf einer Station angekommen, ein Schlittenwechsel erfolgt, und er muß ein Trinkgeld geben. Und von neuem wendet sich dann seine Phantasie jenem »Unsinn« zu, den er vorhin verlassen, und wieder tauchen vor seiner Seele die Tscherkessinnen auf, und er träumt von Ruhm, von der Heimkehr nach Russland, der Ernennung zum Flügeladjutanten, einer reizenden Frau.
»Aber wie denn – es gibt doch keine Liebe«, sagt er zu sich selbst, »und alle Ehrenstellen sind Unsinn. Doch die sechshundertachtundsiebzig Rubel? ... Nun, das eroberte Land wird mir mehr Reichtum gewähren, als ich in meinem ganzen Leben aufbrauchen kann. Übrigens wird es nicht gut sein, daß ich diesen Reichtum für mich allein verbrauche. Ich werde ihn verteilen müssen. Doch an wen?