Winnetou. Karl May

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Winnetou - Karl May

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der Habicht gestoßen ist. Der Schimmel und das Maultier schossen, von den andern abgesondert, zwischen uns hindurch; wir jagten ihnen nach. Dabei rief mir Sam, der seinen Lasso zum Wurf schon über dem Kopfe wirbelte, zu:

      »Wieder Greenhorn! Werdet es auch ewig bleiben!«

      »Warum?«

      »Weil Ihr nach dem Schimmel trachtet, und das kann doch nur ein Greenhorn tun, hihihihi!«

      Ich antwortete ihm, aber er hörte es nicht, weil sein lautes Lachen meine Worte übertönte. Also er dachte, ich hätte es auf den Schimmel abgesehen. Meinetwegen! Ich überließ ihm also das Maultier und lenkte zur Seite, wo die Mustangs nun ängstlich schnaubend und wiehernd regellos durcheinanderjagten. Sam war dem Maultiere so nahe gekommen, daß er den Lasso warf. Die Schlinge fiel richtig; sie legte sich um den Hals des Tieres. Nun mußte Sam anhalten und, wie er mir ja so sorgsam angeraten hatte, sein Pferd nach rückwärts werfen, um den Ruck aushalten zu können, wenn der abgelaufene Lasso sich straff spannte. Er tat dies auch, aber um einen Augenblick zu spät; sein Pferd hatte sich noch nicht umgedreht, noch nicht eingestemmt und wurde von dem gewaltigen Rucke umgerissen. Sam Hawkens flog, einen unendlich brillanten Purzelbaum schlagend, weit durch die Luft und auf die Erde nieder. Das Pferd raffte sich rasch wieder auf und rannte weiter. Dadurch verlor der Lasso die Spannung, und das Maultier, welches festgestanden hatte und nicht umgerissen worden war, bekam Luft; es galoppierte auch fort und riß das Pferd, weil der Lasso am Sattelknopf befestigt war, über die Prairie dahin.

      Ich eilte zu Sam, um nachzusehen, ob er verletzt sei. Er war aufgestanden und rief mir erschrocken zu:

      »Alle Wetter! Da reißt mir Dick Stones Gaul mitsamt dem Maultiere aus, ohne auch nur Adieu zu sagen, wenn ich mich nicht irre!«

      »Habt Ihr Euch beschädigt?«

      »Nein. Steigt schnell ab, und gebt mir Euer Pferd. Ich muß es haben!«

      »Wozu?«

      »Ich will natürlich den beiden Ausreißern nach. Also steigt schnell herunter!«

      »Fällt mir nicht ein! Könntet wieder einen Purzelbaum riskieren, und dann wären alle beide Pferde zum Teufel.«

      Bei diesen Worten trieb ich mein Pferd weiter, dem Maultiere nach. Dieses war schon eine bedeutende Strecke fort, kam aber jetzt mit dem Pferde in Konflikt. Dieses wollte hierhin und jenes dorthin, und dadurch hielten sie einander auf, weil sie mit dem Lasso zusammenhingen. Darum holte ich sie bald ein. Es kam mir gar nicht in den Sinn, meinen Lasso zu gebrauchen, sondern ich griff nach dem andern, welcher die beiden Tiere verband, wickelte ihn mir einige Mal um die Hand und war nun sicher, das Maultier bändigen zu können. Ich ließ es zunächst weiterlaufen und galoppierte mit den beiden Pferden hinterdrein, zog aber den Riemen nach und nach kräftiger an, so daß die Schlinge sich immer mehr verengte. Dabei konnte ich das Tier ganz leidlich lenken; ich brachte es durch scheinbares Nachgeben soweit, daß es in einem Bogen dahin zurückkehrte, wo Sam Hawkens stand. Dort zog ich die Schlinge plötzlich so stark an, daß dem Maultiere der Hals zugeschnürt wurde; es verlor den Atem und stürzte zu Boden.

      »Haltet fest, bis ich den Racker festhabe, und laßt dann los!« rief Sam.

      Er sprang hinzu und stellte sich, obgleich das auf dem Boden liegende Tier mit den Beinen um sich schlug, hart neben dasselbe.

      »Jetzt!« sagte er.

      Ich ließ den Lasso los; das Maultier bekam Luft und sprang auf; ebenso schnell hatte sich Sam auf seinen Rücken geschwungen. Es blieb einige Augenblicke bewegungslos stehen, wie vor Schreck erstarrt; dann aber ging es in die Luft, bald vorn, bald hinten; dann sprang es plötzlich mit allen Vieren auf die Seite, machte einen Katzenbuckel, aber der kleine Sam saß fest.

      »Bringt mich nicht herunter!« rief er mir zu. »Jetzt wird es das Letzte versuchen und mit mir davonrasen. Wartet hier auf mich; ich bring es gezähmt zurück!«

      Aber da hatte er sich geirrt. Es ging keineswegs mit ihm durch, sondern es warf sich plötzlich nieder und wälzte sich. Es konnte dem kleinen Kerl alle Rippen brechen; er mußte aus dem Sattel. Ich sprang aus dem Sattel, ergriff den am Boden schleifenden Lasso wieder und schlang ihn schnell zweimal um die starke Wurzel eines daneben stehenden Busches.

      Da hatte das Maultier seinen Reiter abgestreift und sprang auf. Es wollte fortstürmen, aber die Wurzel hielt fest; der Lasso wurde angespannt und die Schlinge zog sich wieder scharf zusammen; das Tier stürzte abermals nieder.

      Sam Hawkens hatte sich auf die Seite retiriert, betastete sich die Rippen und die Schenkel, zog ein Gesicht, als ob er Sauerkraut mit Pflaumenmus gegessen hätte, und sagte:

      »Laßt die Bestie laufen; die bändigt kein Mensch, wenn ich mich nicht irre.«

      »Das wäre! Möchte mich von keinem Maultiere beschämen lassen, dessen Vater kein Gentleman, sondern ein Esel gewesen ist. Es wird gehorchen müssen. Paßt auf!«

      Ich schlang den Lasso von der Wurzel ab und stellte mich mit weit ausgespreizten Beinen über das Tier. Sobald es Luft bekam, sprang es auf. Jetzt kam es vor allen Dingen auf den kräftigsten Schenkeldruck an, und da war ich dem kleinen Sam wohl über. Eine Pferderippe muß sich unter dem Schenkel des Reiters biegen; das drückt die Eingeweide zusammen und macht Todesangst. Während das Maultier dieselben Mittel, mich abzuwerfen, wie vorher bei Sam versuchte, nahm ich den Lasso auf, welcher, vom Halse herabhängend, auf der Erde lag, wand ihn zusammen und faßte ihn dann hart hinter der Schlinge fest. Diese zog ich an, sobald ich bemerkte, daß sich das Tier niederwerfen wollte; durch diese Manipulation und den Schenkeldruck wurde es auf den Beinen gehalten. Es war ein böser Kampf, ich möchte sagen, Kraft gegen Kraft; ich begann aus allen Poren zu schwitzen; aber das Maultier schwitzte noch weit mehr; der Schweiß rann ihm vom Leibe, und vom Maule troff der Schaum in großen Flocken. Seine Bewegungen wurden schwächer und mehr unwillkürlich; sein erst wütendes Schnauben ging in ein kurzes Husten über, dann endlich brach es unter mir zusammen, nicht mit Willen, sondern weil es von seiner letzten Kraft verlassen worden war. Da blieb es bewegungslos und mit verdrehten Augen liegen. Ich holte tief, tief Atem; es war mir, als ob in meinem Körper alle Sehnen und Bänder zerrissen wären.

      »Heavens, was seid Ihr für ein Mensch!« rief Sam.

      »Ihr habt ja mehr Kräfte als das Tier gehabt! Könntet Ihr Euer Gesicht sehen, so würdet Ihr erschrecken!«

      »Glaube es.«

      »Eure Augen sind herausgetreten, Eure Lippen geschwollen und Eure Wangen förmlich blau!«

      »Das kommt daher, daß man ein Greenhorn ist und sich nicht abwerfen lassen will, während ein Anderer, der Meister in der Mustangjagd ist, klüger war und sich abstreifen ließ, nachdem es ihm vorher gar passierte, daß er sein eigenes Pferd ans Maultier hing und beide dann spazierenlaufen ließ.«

      Er machte ein doppelt jämmerliches Gesicht und bat im kläglichsten Tone:

      »Schweigt davon, Sir! Ich sage Euch, es kann dem tüchtigsten Jäger einmal so etwas passieren. Ihr habt gestern und heut zwei gute Tage gehabt.«

      »Hoffe, noch mehr solche Tage zu erleben. Dafür waren sie für Euch um so schlimmer. Wie steht es denn mit Euren Rippen und den andern Knöchelchens?«

      »Weiß nicht. Werde sie nachher einmal zusammensuchen und zählen, sobald mir besser ist. Jetzt klappern sie mir allüberall im Leib herum. Das war eine Bestie, wie ich noch keine zwischen den Beinen gehabt habe! Hoffe, daß sie nun zu

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