BeOne. Martha Kindermann

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BeOne - Martha Kindermann BePolar-Trilogie

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sein?

      »Gibt es dafür Extrapunkte?« Dämliche Pute.

      »Nein, Taranee, du wirst sogar schneller und konzentrierter arbeiten müssen, um deinen Gegnern eins auszuwischen.«

      Ihr spitzer Mund verzieht sich zu einem arroganten Lächeln und lässt meine Hand zucken. Wochenlang war ich mit diesem Biest in der Einöde des Lofts eingesperrt und konnte jede Facette ihrer fiesen Gesichtsmimiken studieren. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hält sie keiner davon ab. Sie ist definitiv Trägerin des berüchtigten Killergens, auch wenn sie es vehement abstreitet die drei Eleven Morrie, Serge und Ronan ihrer eigenen Zirkumpolargruppe Schedir umgebracht zu haben – ich traue dieser Frau einfach alles zu!

      »Setzt bitte die Brillen auf und legt die Hände an die seitlichen Griffe der Terminals.« Jawohl, Rafael. Der Bildschirm beginnt zu leuchten und ein großzahliger schwarzer Countdown zählt von zehn rückwärts. »Drei, Zwei, Eins – Los! Ihr habt zehn Minuten!«

      Okay, Bunt. Sehr bunt. Viele bunte Steine. Sonst nichts. Das Szenario wirkt auf den ersten Blick etwas langweilig. Ein überdimensionaler Glaskasten erhebt sich vor mir und füllt sich in Zeitlupe mit allerhand skurrilen Formen. Zusammengesetzte Quadrate, die an verschiedene Buchstaben erinnern. Da gibt es ein L oder ein T, ein S oder das klassische O. Ich analysiere, konzentriere mich und schaffe es tatsächlich die beweglichen Körper an die lückenhaften Stellen im Glasraum zu schieben. Wow! Ich bin ein Telepath! Und es ist noch dazu super easy.

      Was ist das? Von Rechts werden lilafarbene Steine in das Glas geworfen, die einen Krieg mit meinen eigenen roten Steinen zu beginnen scheinen. Taranee! Lass es sein, Hexe! Cool down, Tristan! Nicht ablenken lassen! Einfach schneller sein. Die falschen Steine lassen sich problemlos mit einbinden, erfordern jedoch ein erhöhtes Maß an Umsichtigkeit.

      Scheiße, ein S – wohin damit? Verdammt, die Pixel werden schneller. Scheitere ich hier an einem Kinderspiel? Ich könnte… Nein, ich bin nicht Taranee! Ich werde nicht falschspielen und ihr meine Ausschussware rüberwerfen.

      »Tristan, hast du ein S übrig?« Fenjas Glas zu meiner Linken weist eine passende Lücke in ihrer türkisen Quadratlandschaft auf. Das ist die Idee! Warum gemein sein, wenn man sich doch gegenseitig helfen kann. Reflexartig lasse ich das rote S in Fenjas Glas wandern und bewahre das Fass vorm Überlaufen. Gutes Gefühl!

      »Das war mega, Fenja!«

      »Danke, sollen wir so weitermachen?«

      »Unbedingt, Schwester. Bei mir kommt grad ein unnützes T.«

      »Her damit.« Check!

      Ich wusste, dass Fenja genial ist und eine wahre Hackerqueen sowieso, aber wir beide zusammen rocken diese Challenge sowas von. Irre!

      »Time out!« Rafaels Stimme holt uns aus der Spielhölle und sorgt für ein allgemeines ›ach nööö‹ in der Schläferrunde. »Danke, das war doch ganz nett für den Anfang.«

      Die Untertreibung des Jahrhunderts. In den letzten zwei Spielminuten hat Team Tris-ja (coole Namenskombi) so viele Quadrate verschlungen, dass Taranee nur neidvoll Feuerspeien konnte.

      »Die Terminals spucken jede Sekunde euren persönlichen Punktestand aus, welchen ihr bis zur nächsten Runde in zwei Tagen als Erinnerung bei euch tragen dürft.« Punktestand? Ich dachte, wir sollten nur überleben?

      Au! Was war das? Mein rechter Unterarm brennt ganz fürchterlich. Ich ziehe die Ärmel des Overalls nach oben und bin sprachlos. 30457 steht da auf meine makellose Haut tätowiert. Mach das weg! Sieht doch voll scheiße aus!

      »Ich verbitte mir diese Art von Körperverletzung. Seid ihr irre geworden?« Taranee dreht völlig frei und auch die übrigen Acht schauen verdutzt auf ihre gezeichneten Extremitäten.

      »Entspannt euch, Leute! Was in der Akademie geschieht, bleibt in der Akademie. Keiner da draußen wird die mickrige Zahlenfolge zu Gesicht bekommen, wenn ihr das nicht wollt.« Er lacht und reibt sich vorfreudig die Hände. »Aber lasst uns keine Zeit verschwenden, es gibt noch viele freie Stellen auf euren unerfahrenen Körpern zu füllen. Bereit für Runde zwei?«

      Aber Hallo! Ich habe mit meiner ehrbaren Teilen-macht-Freude-Methode 7620 Punkte mehr als die Betrügerin Taranee erzielt, auch wenn ich noch nicht sagen kann, wo der Grund dafür liegt. Vielleicht gab es einen Test im Test und Kombination war lediglich eine Teilaufgabe? Egal, ich habe Blut geleckt und will weiterspielen. Schön, die miese Realität für 90 min hinter mir zu lassen und Spaß an der neuen Arbeit zu finden. In Midden werden wir nicht gegen Pixel und Buchstaben kämpfen, so viel ist klar. Wir ziehen gegen Polars Präsidentin, die eine intrigante Bitch ist, ihren skrupellosen Stab von hartherzigen Ministern ohne Courage und die derzeitige Verfassung. Die Armee vernachlässigter Dritter, die als Babys den Armen der Eltern entrissen und zu willenlosen Killermaschinen ausgebildet wurden, habe ich noch gar nicht angeführt. Uff, Spaß sollten wir also in jeder freien Minute genießen!

      Die Wagenstadt

      »Aufstehen! Die Chefin hat jetzt Zeit für euch.«

      Den dreizehn Strichen, die Sly an die Blechwand des Wohnwagens gekratzt hat nach zu urteilen, sind wir seit fast zwei Wochen in den Fängen der Boliden und warten auf diesen Moment. Wir warten, dass Daloris Sanderbrink, die Anführerin der Aussteigerbande, sich zu einem Treffen herablässt.

      Seit wir die Wagenstadt mit verbundenen Augen betreten haben, sitzen wir in diesem Gefängnis mit geschwärzten Fenstern und bemitleiden uns. Wir haben eine Toilette, deren Tür man nicht abschließen kann, eine Küche mit Mikrowelle und Wasserkocher, um Instantpulver in Nahrungsmittel verwandeln zu können, und ein paar Bögen Papier und Stifte. Die Schlafsäcke sind so alt wie Daloris selbst und unsere Rücken grün und blau vom unebenen Boden, auf dem wir jede Nacht schlafen sollen. Tamika und Sly haben versucht, sich auf der eingebauten Eckbank niederzulassen, nachdem ich dankend abgelehnt und mich an Tams Seite zurückgezogen habe. Es ist eng, die Nächte hier unten sind frisch, aber ich habe stets eine warme Hand, die mich hält, wenn ich schweißgebadet aufwache. Eine Hand, die mir jetzt zärtlich über die Wangen streicht, damit ich aufwache und mich auf unseren ersten Freigang vorbereite.

      »In fünf Minuten klopfe ich an die Tür. Wer dann nicht bereit ist, bleibt für weitere zwei Wochen in diesem Wagen, verstanden?«

      »Verstanden, GAM. Danke, sehr nett von dir.« Sly versteht es, sich bei dem bulligen Glatzkopf beliebt zu machen. Er schleimt ihn mit Nettigkeiten zu und prompt erhalten wir mehr Essen oder neues Papier. »Bis gleich, Bruder.«

      Ich muss schmunzeln. Das wird der Bruder gar nicht gerne hören. Er ist Soldat und kein Kumpel, dem man mal eben cool gegen die Schulter boxt.

      Die Tür fällt ins Schloss und Tam zu meiner Rechten prustet los. Hier ist nichts zum Lachen, aber auch gar nichts, doch wir vier haben einen Weg gefunden, uns die endlosen Stunden ertragbar zu machen. Nachdem in den ersten drei Tagen kaum jemand ein Wort sprach und Tamika nur zum Toilettengang ihren zerrissenen Schlafsack mit verheulten Augen verließ, haben wir nun einen gemeinsamen Tagesrhythmus gefunden, der uns am Durchdrehen hindert: Aufstehen. Hafergrütze essen, die uns Sly alltäglich mit frischen Phantasiezutaten verfeinert. Morgensport, für den sich Tam stetig neue Übungen aus den Fingern saugt. Schlachtplanrunde, um einen möglichen Ausbruch vorzubereiten. Mittagessen, wenn man Tütensuppe mit Entenfutter so nennen kann. Dehnungsübungen, die sich Tamika auf die Fahne geschrieben hat. Spielenachmittag, damit wir nicht verblöden. Abendbrot mit – Überraschung – Haferschleim und schlussendlich die Gutenachtgeschichte,

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