GEN CRASH. Peter Schmidt
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"Wie steht's mit einem Kaffee im Omartje?"
"Als Bestechung?" Ein vielsagendes Lächeln zog über sein Gesicht, das schlitzäugige Grinsen des orientalischen Basarhändlers, und ein großer orientalischer Basar war diese Stadt ja schließlich auch. "Keine Sorge, wir werden uns bestimmt handelseinig."
"Großer Gott", seufzte ich. "Ich dachte eigentlich, ein Kaffee würde reichen?"
Er griff nachdenklich ins Regal, als spiele er mit dem Gedanken, sein Marihuanapfeifchen anzuzünden – die altbekannte Verzögerungstaktik, um den Kaufpreis hochzutreiben. Dann schüttelte er den Kopf, nahm ein zusammengefaltetes Blatt aus dem großen Bildband am unteren Ende des Stapels und steckte es bedeutungsvoll grinsend ein. Ich bekam nur mit, dass es wie ein Grundriss aussah. Seine Wangen hatten eine frische, rosige Farbe bekommen. Es war wie in guten alten Zeiten. Geheimdienstarbeit regt die Blutzirkulation an.
"Lass uns erst mal an die frische Luft gehen, Adrian, hier drinnen verrottet mein Gehirn."
Wir gingen die Gracht an der Bibliothek entlang und bogen in die ruhigere Huidenstraat ein. Beil hatte einen dünnen braunen Ziegenledermantel übergeworfen, er verdeckte vorteilhaft seinen Bauchansatz, darunter war sein blauer Arbeitskittel zu erkennen. Gegenüber auf der Insel sah man die erleuchteten Fenster der Lesesäle. Das Universitätsgebäude mit seinen angeketteten Fahrrädern lag hinter uns, und die Straßen wurden leerer. Dafür waren die Bäume und Vordächer voller Möwen – ihre Schreie gingen mir auf die Nerven.
"Man munkelt, sie hätten einen Mann im Allerheiligsten", sagte er plötzlich in das Geschrei der Möwen hinein.
Ich blieb stehen und blickte mich nach den Passanten am Brückengeländer um. Ein junges Pärchen, das abwechselnd an derselben Zigarette rauchte. Er war mindestens einsfünfundneunzig groß und überragte das Mädchen um fast zwei Köpfe. Als sie fertig waren und die Fahrbahn überquerten, schnippte er seinen Joint nach den Enten, die unten auf dem dunklen Wasser schwammen.
"Wer ist 'sie' und wer ist 'man'?"
"Vor vier Tagen kam was über den Ticker. Du erinnerst dich an den altersschwachen Fernschreiber, den wir für die sogenannten 'Buchbestellungen' verwendet hatten? Er ist immer noch im Einsatz, nur dass jetzt wirklich bloß noch alte Schwarten damit bestellt werden. Mogadischu, Kairo, Gütersloh – die Van-Aaren-Bibliothek beschafft Ihnen jedes Druckwerk, Pornos und Aktfotografien ausgenommen. Das ist ein Service des Hauses, den sich der alte Aaren in den fünfziger Jahren höchstpersönlich einfallen ließ, um sein schlechtes Gewissen wegen seiner internationalen Waffenschiebereien zu beruhigen. Er dachte wohl, Bücher seien was Seriöses."
"Über den Ticker?", fragte ich. "Ist das nicht ziemlich leichtsinnig?"
"Galt einer Adresse in Zandvoort. Leichtsinnig wär's nur, wenn es jeder hergelaufene Meisterspion dechiffrieren könnte. Es war wie in alten Zeiten als Bestellung aufgemacht. Nur dass man dabei eine winzige, aber aufschlussreiche Kleinigkeit übersehen hatte."
"Die wäre?"
"Reykjavik."
"Reykjavik, aha."
"Na, fällt bei dir der Groschen, Addi?"
"Nein. Spann mich nicht auf die Folter, Jakob."
"Hat dir denn noch keiner gesteckt, dass Simons' Buchladen schließen musste?"
"Ich befasse mich schon lange nicht mehr mit der isländischen Verbindung."
"Dann allerdings. Es gibt wohl noch mehr Leute in der Firma, die unsere gute alte isländische Verbindung aus den Augen verloren haben. Simons starb vorigen Herbst an Altersschwäche, mit achtundsiebzig Jahren."
"Was du nicht sagst? Sah man ihm gar nicht an, als ich ihn vor drei Jahren in Monte Carlo traf. Da war er noch so fit, dass er zweimal wöchentlich am Barren turnte."
"Diese Nordländer wirken immer, als würden sie mühelos hundert Jahre alt. Wegen ihrer strohblonden Haare. Dann kommt ein langer strenger Winter …"
"Irgendwas war also faul an der Nachricht?"
"So faul wie Simons in seinem Sarg, Addi, wenn ich mal einen etwas unappetitlichen Vergleich ziehen darf. Reykjavik bestellte was bei uns, aber Reykjavik ist längst von der Liste gestrichen. Also nahm ich mir den Text zur Brust. Jagte ihn durch sämtliche bekannten Dechiffrierroutinen. Ich brauchte dabei nur aus meinem riesigen Fundus zu schöpfen." Er tippte sich bedeutungsvoll an die Stirn. "Sie hatten mir gesagt, ich könnte ruhig vergessen, was ich wüsste. Es sei Schnee von gestern. Beschränk dich ganz auf den Buchversand, Beil – da wollen wir dich haben, da bist du am richtigen Platz. Nur, Beil-Kindchen hat noch lange nicht vergessen, was hier oben schlummert. Sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie damit nicht meine Neugier herausforderten. Warum Island, wenn Island out ist, Addi? Was steckte dahinter? Wen wollten sie damit verscheißern? Mich doch wohl nicht. Ich sitze hier und packe Bücherkisten aus."
"Klingt alles ganz plausibel", bestätigte ich.
"Also machte ich mir ein paar Gedanken darüber."
"Wie jeder an deiner Stelle."
"Ich dachte in aller Ruhe darüber nach."
"Sollte man, Jakob, sollte man … Wir sind schließlich keine Postboten."
"Und genau dazu wollten sie mich machen, Adrian. Zum Briefträger. Also zeigte ihnen der alte Beil mal, was 'ne Harke ist. Drei Stunden Arbeit, und der Text lag vor mir wie ein offenes Buch. Ich hatte die Bestätigung an eine Adresse in Zandvoort weiterzuleiten, in chiffrierter Form, aber nach einem anderen Code. So geht man immer vor, aus Sicherheitsgründen. Die alte Version wird vernichtet oder als Notiz mit dem Stempel ERLEDIGT abgelegt – nachdem man aus Alibigründen die Bestellung ausgeführt hat, versteht sich. Um neu zu chiffrieren, muss man lediglich rechnen können, Tabellen vergleichen und nicht das geringste von der Nachricht selber verstehen. Aber diesmal verstand ich genau, was ich in den neuen Code übertrug."
"Unser Mann im Allerheiligsten?"
"Diesmal verzichtete ich darauf, dem alten Simons ein Buch über Moskauer Museen zu schicken. Einen architektonischen Schinken voller Gegenlichtaufnahmen und beleibter russischer Lehrerinnen, die ihren Schülern eine Lektion in Stadtgeschichte geben." Beil lächelte triumphierend. "Er hätte es ja doch nicht mehr zu den anderen ins Regal werfen können, um es irgendwann im internationalen Leihbuchverkehr auf die Reise zu schicken."
"Du willst sagen, wer einen Absender fingiert, der gar nicht mehr existiert, hat etwas zu verbergen, Jakob?"
"Und ob ich das sagen will."
"Da Simons den Auftrag nicht angenommen haben kann, wird er auch niemals etwas über seinen wirklichen Absender ausplaudern können?"
"Und was sagt uns das, Addi? – Sie sind noch vorsichtiger als sonst. Und warum sollten sie noch vorsichtiger sein?