Leichenacker. Rudi Kost

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Leichenacker - Rudi Kost

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Genuss verbindet, ging ich in den anderen Raum hinüber zu Harry’s Bar und Vinothek und beäugte seine Be­stände.

      Ich zog einen Untertürkheimer Goldkapsel-Riesling von Wöhrwag aus dem Regal, ein feiner Tropfen. Harry hatte auch Whisky, das hatte ich bisher völlig übersehen. Also dann noch einen Talisker, bitteschön.

      Ich bestellte einen Cappuccino, setzte mich vor dem Laden auf die Bank und zündete mir eine Zigarette an. Ich nahm einen tiefen Zug und musste fürchterlich husten. Herrgott, schmeckte das widerlich!

      Ich klemmte mir die Kippe in den Mundwinkel wie Bogey. Der Rauch ließ meine Augen tränen. Das war noch nicht perfekt, das musste ich noch üben.

      Xaver Hintermeier kam vorbei, Oberstudienrat (Deutsch, Geschichte) und selbsternannter Philosoph, der mit verschwurbelten Volkshochschulvorträgen seine wenigen Zuhörer nervte. Er schob eine beachtliche Wampe vor sich her. Der verbliebene Haarkranz stand ab, als stünde er unter Strom.

      Er sah mich und blieb abrupt stehen. Lange starrte er mich mit düsterer Miene an, dann kam er auf mich zu.

      »Du siehst zufrieden aus«, sagte er.

      »Du nicht.«

      Er machte eine wegwerfende Handbewegung und lachte kurz, aber bitter auf.

      »Etwas ist zerbrochen«, sagte er.

      »Was?«

      »Das Glück? Die Zukunft? Das Leben? Jedenfalls liegen die Scherben auf dem Boden.«

      »Aha.«

      »Und jetzt die alles entscheidende Frage: zusammenkehren oder liegen lassen?«

      Ich nickte mitfühlend. »Kenn ich. Habe selber schon genügend solcher Scherben zusammengekehrt. Und wenn du sie liegen lässt, trittst du prompt hinein. Das schmerzt.«

      »Aber vielleicht brauchen wir manchmal gerade diesen Schmerz. Damit wir zur Besinnung kommen.«

      »Das Leben ist nicht einfach.«

      »Doch. Du musst es nur in die Hand nehmen. Dich entscheiden.«

      Dann konnte ja nichts mehr schief gehen. Ich hatte mich entschieden, das neue Schild an meinem Haus war der Beweis. Ich hatte den Schritt in die Zukunft getan. Ob ich’s ihm sagen sollte? Ich musste es sagen, Werbung war wichtig. Zu dumm, dass ich noch keine Visitenkarten hatte.

      »Interessant, dass wir gerade jetzt darüber reden. Ich habe meine Zukunft neu geordnet. Seit heute bin ich Privatdetektiv, ganz offiziell.«

      »Du?« Der Lehrer brach in schallendes Gelächter aus. »Dillinger, du spinnst.«

      Er ging von dannen, sichtlich heiterer als zuvor. Es schien, als hätte ich ihn glücklich gemacht. Ich sah ihn den Kopf schütteln und vor sich hin glucksen. »Privatdetektiv! Das hat dieser Stadt gerade noch gefehlt.«

      Der Tag war trotzdem immer noch schön, und auch ich schlenderte weiter.

      Aus der »MiederTruhe« trat Isabel, die hinreißendste und gerissenste Immobilienhändlerin der Region. Auch so eine Vergangenheit von mir.

      Sie schüttelte ihre wilde rote Mähne.

      »Wow, der Privatdetektiv!«

      »Woher weißt du denn das?«, fragte ich verblüfft.

      »Du weißt doch, ich erfahre alles. Privatdetektiv! Finde ich« – Küsschen links, Küsschen rechts – »sexy. Ich liebe harte Jungs. Schau mal, ich habe extra deswegen einen neuen BH gekauft.« Aus ihrer Tüte zog sie ein luftiges Etwas. »Und? Was sagst du dazu?«

      »Kann ich nur am lebenden Objekt beurteilen.«

      »Zu dir oder zu mir?«

      »Jetzt? Musst du nicht arbeiten?«, fragte ich.

      »Meinen Termin kann ich verschieben.«

      »Aber ich meinen nicht.«

      »Schade.«

      Mit übertriebenem Hüftschwung ging sie davon. Ich war nicht der einzige, der ihr hinterher sah.

      Vor dem »Salzwerk«, seiner Stammkneipe, saß Berger, Kellers Assistent, mit einer Frau. Ich sah sie nur von hinten und fragte mich wieder einmal, wie der kleine, dicke Kerl mit seinen Hochwasserhosen, dieser Wendeimport aus Sachsen, zu so einem Prachtexemplar kam.

      Dann drehte sie sich zur Seite und zeigte mir ihr Profil, und in mir keimte Schadenfreude. Ich kannte sie. In der »UnverzichtBar« hatte ich einmal belanglos mit ihr geflirtet und hatte sie dann den ganzen Abend an der Backe kleben gehabt.

      Die Frau war ein wandelndes Klischee: ausnehmend hübsch, fantastische Figur, aber sie quatschte ohne Punkt und Komma und von lauter Sachen, die keinen Menschen interessierten. Das war eine von der Sorte, von der man im Schwäbischen so charmant sagt, dass man ihre Gosch extra totschlagen müsse.

      Selbst Berger mit seinem Elefantengemüt wirkte gequält. Er sah mich, und ich winkte ihm fröhlich zu. Berger verdrehte leicht die Augen.

      In der Haalstraße röhrte ein roter Ferrari. Wer den jetzt wohl fuhr? Hatte schon einen Wahnsinnssound, dieses Gerät. Das musste ich mir doch noch einmal überlegen. Aber dann natürlich in Gelb. Oder wie wäre es mit einem Maserati? Darüber musste ich ernsthaft nachdenken. Es gab schon zu viele Porsche im Umland.

      Architekt Kunzmann kam mir entgegen. »Schon gehört? Der Schreibwarenhändler heiratet.«

      »Eine Türkin, ich weiß.«

      »Nein, die ist aus Thailand. Hübsches Ding. Sehr jung.«

      »Thailand? Bist du sicher?« Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu.

      »Wenn ich’s sage!«

      »Nun ja, warum nicht?«

      In der »Suite 21« saß Anwalt Dehmel und winkte mich zu sich.

      »Ich habe mir sagen lassen, du hörst auf? Schade.«

      »Bitte?« Ich sah ihn entgeistert an.

      »Du machst deinen Laden dicht, habe ich gehört, und wirst Privatdetektiv.«

      »Blödsinn.«

      »Hätte mich auch gewundert. Du und Privatdetektiv!« Er lachte.

      »Das allerdings stimmt«, erklärte ich.

      »Bitte?«

      »Ich bin Versicherungsvertreter und Privatdetektiv. Beides.«

      »Ach so.«

      »Du kannst mich engagieren. Im Fernsehen ist das so. Der Anwalt hat einen Privatdetektiv für die Laufarbeit.«

      Dehmel sah mich lange schweigend an und nickte dann.

      »Vielleicht habe ich tatsächlich etwas für dich. Draußen auf dem Land grummelt es. Einige Bauern

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