Leichenacker. Rudi Kost
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Leichenacker - Rudi Kost страница 5
»Der erste Fall für den Privatdetektiv?«, gab sie zurück. Es klang nicht begeistert. Nicht einmal spöttisch. Eher sauer.
»Quatsch. Ein öder Versicherungsfall.«
»Und welcher genau?«
»Baldauf in Bühlerzell. Wieder ein Fall von Vandalismus.«
»Das kann warten. Auf deinem Tisch türmen sich jede Menge unerledigter Fälle. Die arbeitest du erst mal ab.«
»Für Papierkram bist du besser geeignet. Ich bin ein Mann, ich brauche die freie Wildbahn.«
Sonja hatte ein Funkeln in den Augen, das mir gar nicht gefiel. Sie holte tief Luft, dann zischte sie: »Jetzt ist Schluss mit diesem Kinderkram. Ich habe keine Lust, mich andauernd bei unseren Kunden entschuldigen zu müssen, weil du deine Sachen nicht erledigst.«
»Ich bin in einer Sinnkrise«, wagte ich einzuwerfen.
»Scheiß drauf!« Sie wurde lauter. »Von diesem Papierkram, wie du das nennst, leben wir, das weißt du ganz genau. Oder ist dir das in deinem Größenwahn entfallen? Wir sind Partner, aber das sind wir die längste Zeit gewesen, wenn du nicht auch deinen Teil beiträgst. Ich will nicht die ganze Arbeit alleine machen müssen. Ich bin nicht deine Sekretärin.«
Ich war verdattert und, ja, auch etwas eingeschüchtert. So kannte ich Sonja überhaupt nicht. Für mich war sie die personifizierte Ausgeglichenheit, was an sich schon ein Ding der Unmöglichkeit ist und bei einer Frau sowieso. Immer fröhlich, immer freundlich, für jede Kabbelei zu haben. Etwas exzentrisch, gewiss, doch auf eine charmante Art.
Doch jetzt war sie zur Furie geworden.
Und sie war noch nicht fertig.
Sie packte mich am Arm. Ihr Griff war so hart, wie man es bei einer Frau ihrer Statur nicht vermutet hätte. Sie hatte den achten Dan und verbrachte viel Zeit im Sportstudio. Wie sich das anfühlte, hatte ich selber noch nicht zu spüren bekommen. Sie schob mich in mein Zimmer.
»Was ist los mit dir? Hast du deine Tage?«
»Und wenn, dann geht dich das einen Scheißdreck an!«
Also doch. Oder noch schlimmer, war sie vielleicht schwanger? Aber nein, da brauchte ich mir bei ihr nun wirklich keine Gedanken zu machen.
Ich schloss die Tür, wartete eine Weile und riss sie dann wieder auf. So schnell gab ich nicht klein bei.
»Oder sind das vielleicht die Wechseljahre?«
Was da angeflogen kam, war ein Kaffeebecher. Er verfehlte mich knapp und zerbarst am Türrahmen.
Scherben in einer braunen Lache. Liegen lassen oder zusammenkehren? Liegen lassen. Hier galt das Verursacherprinzip, sollte Sonja sich selber um die Sauerei kümmern.
Sie stand da, stemmte die Hände in die Hüfte und funkelte mich wütend an. Sie war ungeheuer sexy in ihrem Zorn, aber das sagte ich jetzt besser nicht. Ich sagte am besten überhaupt nichts mehr.
Was war nur los mit ihr? Ob ich sie fragen sollte? Aber ein Blick in ihre Augen belehrte mich eines Besseren. Nicht der richtige Zeitpunkt, entschied ich. Man muss wissen, wann man zu schweigen hat. Ich fürchtete einen neuerlichen Wutausbruch.
Also setzte ich mich hinter meinen Schreibtisch und starrte finster auf den Stapel Papierkram.
Sonja kam zur Tür und starrte mich genauso finster an.
»Willst du mich etwa beaufsichtigen?«, fragte ich.
»Ja.«
Allmählich reichte es. »Hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln.«
»Du bist wie ein kleines Kind. Du denkst nur an dich, und wenn man dir dein Spielzeug wegnimmt, weinst du.«
»Was immer es ist, wir können reden. Aber lass deinen Frust nicht an mir aus.«
Wortlos drehte sie sich um und knallte die Tür zu. Es schepperte ziemlich.
Dann eben nicht.
Ich rief bei Baldauf an, dass es später würde, und widmete mich genervt dem Papierstapel.
Obenauf lag der Brief einer Rechtsanwältin aus Aalen. Dr. Nele Bögelsack-Aufderheyde. Heiliger Strohsack, eine Doppeltussi! Ich sah sie vor mir: schwarze Hornbrille, streng toupiertes Haar, bestimmt ein paar Pfunde zu viel. Kein Make-up und ein schmallippiger Mund.
Als ich den Brief gelesen hatte, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mitunter kann Papierkram sogar Spaß machen.
Einer meiner Kunden hatte in Aalen einen Auffahrunfall gehabt. Nichts Dramatisches, der übliche Blechschaden, wie er tagtäglich tausendfach vorkommt. Der Geschädigte holte sich seinen eigenen Gutachter, was sein gutes Recht war, die Unterlagen landeten auf meinem Tisch. Normalerweise prüft man die Sachlage flüchtig und winkt den Fall dann durch – reine Routine.
Irgendetwas jedoch hatte mich stutzig werden lassen. Ich konnte nicht sagen, was, nur dass es weit hinten geklingelt hatte. So ein unbestimmtes Gefühl, das man nicht greifen kann. Das ärgerte mich, denn ich wollte mich nicht mit losen Fäden herumschlagen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen.
Ich hatte die Unterlagen noch ein paar Tage liegen lassen. Nicht aus Faulheit, sondern weil ich Klarheit wollte.
Irgendwann war mir die Verbindung eingefallen. Das Unfallauto war ein betagtes BMW E30 Cabrio, aus jenen Zeiten, als die Autos noch Stil hatten. Ich hatte mich selber mal in eine solche Karre verguckt, war aber, wenn auch schweren Herzens, schnell wieder zur Vernunft gekommen. Ich brauche ein Auto, das zuverlässig fährt, und ich bin kein Schrauber.
Genau so ein Wagen war vor nicht allzu langer Zeit von einem anderen meiner Kunden gerammt worden, auch ein Auffahrunfall, in Winnenden diesmal. Das konnte natürlich Zufall sein, diese Kisten waren noch immer zahlreich unterwegs.
Ich kramte die Akte heraus, und siehe da, es handelte sich um dasselbe Auto. Nur der Halter hatte mittlerweile gewechselt. Das Ingenieurbüro, das den Schaden begutachtet hatte, war hingegen identisch.
Das alles musste nichts zu bedeuten haben. Trotzdem recherchierte ich ein wenig, ließ meinen Privathacker Rolf zudem in ein paar Datenbanken stöbern, in denen wir nichts zu suchen hatten, und schrieb dann einen freundlichen Brief, dass wir im aktuellen Fall die Reparaturkosten nicht in voller Höhe übernehmen könnten, da eine Mitschuld des Geschädigten Mario Lohse nicht auszuschließen sei. Er hatte nämlich, wie mein Kunde geschildert hatte, ziemlich abrupt, sehr heftig und ohne jeden ersichtlichen Grund gebremst.
Vor Gericht wären wir damit sicher nicht durchgekommen, aber ich wollte einfach wissen, wie Lohse darauf reagieren würde.
Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem Brief seiner Anwältin. Allmählich begann der simple Auffahrunfall interessant zu werden.
Ich griff zum Telefon. Frau Doktor sei leider nicht da. Einen Termin? Und wegen was? Heute? Leider nicht. Morgen ebenfalls nicht, Frau Doktor sei außer Haus. Am Mittwoch? Aber erst um neunzehn Uhr. Gut, Frau Doktor erwarte mich dann.
Hatte einen langen Arbeitstag, die Frau Doktor. Das