Nachspiel. Roland Reitmair

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Nachspiel - Roland Reitmair

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schwachen, ewig gleichen Dialogen zuhören ...

      Nach einer Schicht in der Fabrik, wo du acht oder zehn Stunden lang die produzierten Stücke gezählt hast. Das ist wie ein Leben lang auf einer Autobahnbrücke stehen und die Autos zählen, die vorbei fahren ... irgendwann springt man.

      Handwerk ist nichts mehr wert. Rationell muss alles sein. Die Vereinfachung erhöht den Lebensstandard. Sagt man. Dabei zerstört sie das Denken. Der Bauer muss nicht hart am Feld schuften, sondern sitzt am Traktor. Der Maschinenschlosser fräst und dreht nicht mehr, er überwacht die Arbeiten eines Computers. Die Hausfrau putzt und schrubbt nicht mehr, sie saugt, die Wäsche erledigt auf Knopfdruck eine Maschine, vollautomatisch.

      Trotz dieser Erleichterungen arbeiten alle wie die Blöden und vielleicht noch zusätzlich in der Freizeit schwarz, damit sie sich den Fernseher auch leisten können, mit dem sie dann ihren letzten Rest Freizeit verbringen. Oder das Fitnessstudio, weil sie sonst zu wenig Bewegung haben.

      Zweifellos, die organisierte Welt bietet unendliche Vorteile und Möglichkeiten. Nutzen können diese Vorteile allerdings nur wenige. Nutzen können sie nur jene, die an den Schalthebeln sitzen – und wenn es die einer Gemeinde sind.

      Aber der Edtauer ist schon so ein Kerl, der müsste doch eigentlich für seine Gemeindebürger da sein, stattdessen vertritt er nur das Interesse des reichsten Bauherren im Ort und so einer schimpft sich Sozialdemokrat ...“

      Gottfried wurde es irgendwann zu viel. Er kannte den Text. Auch Gustl wiederholte sich mit seinen Ausführungen wie ein Schichtarbeiter am Fließband. „Ich geh jetzt rüber“, sagte er, „muss morgen wieder früh raus ...“

      Gustl nickte nur, „Ok. Mach das. Gute Nacht – wir geben nicht auf, Gottfried! Wir geben nicht auf! Den werden wir biegen, den Vorgartentyrannen ...“

      „Ja machen wir!“, lachte sein Cousin, dann fiel die Tür ins Schloss.

      Gustl fühlte sich krank. Da war wieder dieses fiebrig-elektrische Kribbeln in der Magengegend, dieses Ziehen in der Schulter, den Arm entlang bis in die Fingerspitzen und das Druckgefühl oberhalb des linken Oberschenkels.

      IV

      Aufgewachsen ist Gustl in Böckstein, einem kleinen Ortsteil von Bad Gastein, ganz hinten im Gasteiner Tal, da wo sich im Winter ganze drei Monate kein Sonnenstrahl hin verirrt.

      Mit nur viereinhalb Jahren fuhr er bisweilen, statt beim Kindergarten auszusteigen, mit dem Linienbus weiter – er dürfe das. Die Fahrer lachten und hatten ihren Spaß an ihm, weil er so viel fragte. Alles wollte er immer ganz genau wissen. Er drückte seine Nase fest gegen die Glasscheibe und vergaß auf Mittagessen und die Spielkameraden. Oft kam er erst ziemlich spät nach Hause. Seine Mutter war stets in Sorge und schimpfte mit ihm. Er aber schaute sie nur groß an, so als wüsste er überhaupt nicht wie ihm geschah. Einsperren konnte man ihn nicht.

      „Wenn man sich’s recht bedenkt ist er ja ziemlich verzogen worden“, stellte Vater Michael öfter einmal fest. Wegen dem Herzfehler durfte er viel, was andere Kinder in dem Alter noch nicht durften.

      Mit sechs Jahren schleppte er einmal eine Forelle daher, die er in einem Tümpel des Seitenarmes der Ache gefangen hatte – indem er zwei Dämme gebaut hatte: Mit einen leitete er den Zulauf um und mit dem anderen kontrollierte er den Ablauf, sodass die Forelle nicht mehr türmen konnte. Als sich fast kein Wasser mehr in seinem Bassin befand und der Fisch sich nur mehr voll hilfloser Panik durch den Schlamm katapultierte, erwischte er ihn mit seinem großen Plastikeimer, schöpfte frisches Wasser in den Eimer und schleppte seinen Fang stolz nach Hause. Ab dem Zeitpunkt war Fischen seine große Leidenschaft.

      Er streunte immer irgendwo herum. War er nicht in der Au, dann war er beim Adolf, einem Freund des Vaters.

      *

      Schon die Römer heißt es, suchten in Gastein nach Gold. Später wurde immer wieder Gold und Silber abgebaut, speziell ab dem dreizehnten Jahrhundert.

      Der Adolf war oft am Radhausberg in den alten Stollen unterwegs und schien alles über den antiken Bergbau in der Gegend zu wissen. Er trug alles Mögliche zusammen, was er so fand und begeisterte Gustl für die alten Werkzeuge, die Meißel und Hauen. Er ging mit ihm ins Bergbaumuseum und zeigte ihm ein Modell der Erzrutsche, mit deren Hilfe man das Erz ins Tal befördert hatte, ohne es mühsam tragen zu müssen, und führte ihn zu der Stelle hinten im Tal, bei der Astenalm, wo der erste Schrägaufzug Mitteleuropas gestanden hatte – eine Materialseilbahn für den Goldbergbau.

      Einmal setzte er ihm einen alten ledernen Bergwerkshelm auf, schenkte ihm einen kleinen Bergkristall und erzählte, dass die Bergleute in den Erzgängen tief im Berg, immer wieder solche wundervollen Steine finden.Von da an wollte August nur mehr Bergknappe werden, möglichst tief unter Tag im Berg drinnen.

      „Ich möchte einmal Knappe werden und Gold finden, viel Gold“, sagte der Gustl fröhlich, auch wenn der Adolf seine Euphorie dämpfte und meinte, dass das wohl ein im doppelten Sinn steiniger Weg werden würde.

      *

      Adolf unternahm hin und wieder mit dem Gustl kleinere Ausflüge – zu den Ruinen des Schrägaufzugs oder hinauf zu den alten Wintergängen der Knappen am Berg oben. Während sie so stundenlang durch den Wald und über die Bergwiesen wanderten, schwärmte der väterliche Freund immer wie schön die Natur sei. Man müsse schon höllisch darauf aufpassen, dass es nicht irgendwann irgendjemandem einfällt alles mit Beton zuzupflastern ... „So Grundstücksspekulanten gehen ja über Leichen.“

      Und einmal sagte er: „Wenn du wirklich viel Gold finden solltest, musst du Land kaufen, unberührtes Land, und das stellst du unter Naturschutz!“. Er lachte.

      Der Gustl hatte keine Ahnung, was Naturschutz ist oder ein Grundstücksspekulant. Er beschäftigte sich gerade damit, einen Stecken von einem Haselnussstrauch abzuschneiden, um daraus einen Bogen zu schnitzen – aber er beschloss, es diesen Leuten gemeinsam mit dem Adolf schon irgendwann einmal zu zeigen, dann, wenn er viel Gold gefunden haben würde.

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