Der Raum so weit, so groß die Welt. Christian Hermenau

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Der Raum so weit, so groß die Welt - Christian Hermenau

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Hintergrund lachten und johlten die anderen Kinder auf dem Spielplatz, kämpften ihre Schlachten, eroberten Teile des Spielplatzes, teilten sich auf in Gut und Böse, verteidigten die Rutsche, schossen mit Stöcken auf ihre Angreifer, brüllten und kreischten und hatten ihren Spaß dabei. Nicht so unser Junge mit dem Trecker. Krieg spielen war nicht sein Fall und die vielen anderen Kinder machten ihn eher nervös, als dass er mit ihnen zusammen sein wollte. So wie die anderen ihr lautes Zusammensein liebten, das Spiel mit ihresgleichen, so genoss er den kühlen Sand unter sich, die leisen Geräusche die der Traktor machte, ja sogar das Alleinsein gefiel ihm. Er hatte seine Ruhe, keine Aufgaben, keine Verpflichtungen, musste an nichts denken, er fühlte sich frei und geborgen.

      Er war ein hübsches Kind mit einem zu eckigen Hinterkopf, wie seine Mutter fand. Leider sprach er erst spät, nur wenig und wenn formulierte er gleich komplette, wohlgeformte Sätze, die er sich sicherheitshalber zuerst einmal leise selbst aufsagte, bevor er sie laut aussprach. Zudem brauchte er oft recht lange für eigentlich einfache Überlegungen, so dass seine Eltern schon Sorge hatten, ihr Sohn könne etwas zurückgeblieben sein. „Albert! Deine Lehrerin ist da“, rief seine Mutter, eine sehr fürsorglich, disziplinierte Frau, voll von großen Erwartungen, was ihren kleinen verträumten Liebling betraf. So sollte er schon, bevor er in die Schule kam, von einer Hauslehrerin unterrichtet werden. Er war ihr Augenstern, aber sie hatte auch genaue Vorstellungen, was aus ihm später werden sollte und dazu gehörte eine gute Ausbildung. Aus ihm sollte mal ein gebildeter Mann werden, auch studieren sollte er, und das wollte sie nicht dem Zufall überlassen. Zum Glück waren da noch sein Vater und der Onkel, die das Leben nicht ganz so ernsthaft angingen. Die Beiden wussten über die neusten Entwicklungen der Elektrotechnik Bescheid und liebten es, das Kind in die geheimnisvolle Welt der Elektrizität mitzunehmen. Sie erklärten ihm geduldig, stundenlang die Phänomene der Spannung und des Stroms. Das war, in den Augen des kleinen Jungen, die wirklich aufregende Welt. In einer Zeit, wo die Straßen noch von Fuhrwerken befahren wurden, waren die Elektrizität und der Magnetismus das spannendste, was ein Junge damals entdecken konnte. Für ihn war es die moderne große, weite Welt. Es brannte in ihm, die Geheimnisse der Elektrizität und des Magnetismus zu beobachten und zu verstehen.

      Die Einsteins - eine liberale, liebevolle, kleine Gemeinschaft. Vater Hermann war ein Freidenker, der sich wenig respektvoll über Dogmen und Rituale äußerte. Starres Obrigkeitsdenken waren Hermann und Pauline Einstein fremd. Sie dachten fortschrittlich, pflegten das gemeinschaftliche Gespräch bei Tisch, förderten Belesenheit und die Musik. In diesem harmonischen, geborgenen Familienumfeld konnte sich der kleine Albert frei entwickeln oder sich einfach nur wohl fühlen. Seine übermäßige Phantasie fand in der Familie immer wieder neue Nahrung und sein Gehirn wurde fortwährend angeregt, bis sich sein Geist langsam zu dem späteren Genie entwickelte. Nicht die verhasste Schule war es, die aus ihm das machte, was später aus ihm wurde. Im Gegenteil, man muss fast sagen, trotz der Schule hat er seine unkonventionelle Art zu denken beibehalten. Denn die Schule im 19. Jahrhundert war, aus der Sicht eines kleinen, sensiblen Jungen, brutal. Sie versuchte eher kleine folgsame Untertanen hervorzubringen, als kreative und kritische Menschen zu fördern. Disziplin und Ordnung waren auch hier das oberste Gebot. Der Staat brauchte Bürger, die mit Feuereifer, in den Krieg ziehen würden, wenn das Vaterland bedroht wurde und so wundert es nicht, dass der kleine Einstein die autoritäre Strenge und Gewalt hasste und jedes Interesse am Unterricht verlor. So brach er als 15-Jähriger die Schule ab und reiste seinen Eltern nach Mailand hinterher, wo er ein Jahr lang ohne Unterricht oder Ausbildung lebte.

      Albert Einstein war ein außergewöhnlicher Mensch, der nicht nur wegen seiner großen Leistungen so berühmt wurde, sondern auch wegen seiner Originalität. Er verkörperte, wie kaum ein anderer, den Traum von Unabhängigkeit und Freiheit im Geist, der vielen als Vorbild dient. Bis heute prägt Einstein noch das Bild vom zerstreuten Physiker, der vergeistigt die Welt betrachtet.

      In seiner frühen Kindheit zeichnete sich eine derartige Entwicklung zunächst nicht ab. Und als er dann noch als Jugendlicher das Gymnasium verließ, hätte man ihm wohl eher das Ende seiner Karriere vorausgesagt.

      Sein Vater und sein Onkel legten vielleicht den Grundstein für sein technisches und naturwissenschaftliches Interesse und seine Mutter gab ihm den Ehrgeiz, Großes zu leisten und die Liebe zur Musik mit auf den Weg. Doch reicht das, um sein Genie zu erklären? Im Fall von Einstein hätte wohl niemand zu prophezeien vermocht, dass aus ihm mal der bekannteste Physiker des 20. Jahrhunderts werden würde.

      Die Anfänge der Physik

      Einstein steht mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie und seinen Arbeiten zur Quantentheorie genau an der Schwelle zur modernen Physik. Die klassische Physik vor Einstein wurde von vielen bedeutenden Physikern, wie Galilei, Newton oder Maxwell, geprägt. Die Zahl der großen Persönlichkeiten, die mithalfen das Gebäude der klassischen Physik zu errichten, ist lang, zu lang um sie alle aufzuzählen. Dabei liegen die Ursprünge der Physik, in ihrer wissenschaftlich strengen Form, bei Galileo Galilei, der nur 200 Jahre vor Einstein wirkte.

      Es gab auch schon in der Antike zahlreiche Gelehrte, die sich mit Naturphänomenen beschäftigten und diese zum Teil auch mathematisch beschrieben, doch war die antike Physik noch hauptsächlich eine Natur beschreibende Physik. Gute Kenntnisse hatte man, beispielweise über die Luftdichte, den Aufstieg von warmer Luft und die magnetische Anziehung. Das Gesetz vom Auftrieb, nach Archimedes, wird selbst heute in der Schule genau so gelernt. Besonders die Vorstellung von Licht als geometrischer Erscheinung bei der Spiegelung und Brechung waren genauestens bekannt und nährten den Verdacht, dass in der Natur mathematische Regeln in ihrer Idealform stecken. Aristoteles, 384 Jahre v. Chr. geboren, nannte sein Werk schlicht „Physik“. Damit prägte er den Namen Physik, auch wenn seine Naturbeschreibung noch nicht der heutigen wissenschaftlichen Form entsprach. Trotzdem waren seine Erkenntnisse, bis in die frühe Neuzeit, für den Wissenschaftsbetrieb maßgeblich. Noch im späten Mittelalter und in der Renaissance mussten sich die Naturwissenschaften mit der aristotelischen Naturlehre auseinandersetzen. Über einen Zeitraum von 2000 Jahren prägte die aristotelische Naturphilosophie das Weltbild der Menschen mit.

      Die heutige Form der physikalischen Weltbetrachtung wird durch das alles entscheidende Instrument der Physik, dem Experiment, vervollständigt. Alle Ideen, jede Vermutung, jede Hypothese und Theorie, müssen empirisch überprüft werden. Damit unterscheidet sich die Physik von der Philosophie und von der Theologie, aber auch von allen metaphysischen Lehren. Die entscheidenden Punkte der Behauptung müssen genauestens herausgearbeitet werden und in einem möglichst idealen, jederzeit wiederholbaren, allgemeingültigen Experiment, überprüft werden. Erst dadurch unterscheidet sich eine physikalische Theorie von einer Fiktion. Jahrtausende lang war dies keineswegs selbstverständlich. Anders als unsere technologische, rational aufgeklärte Gesellschaft, verschwammen Wissen und Vorstellung. Der Alltag war von phantasievollen, gefühlt sinnvollen Beschreibungen bestimmt. Vermutlich hätten die Menschen mit Unverständnis darauf reagiert, Sachverhalte die selbstverständlich waren zu hinterfragen oder gar aufwendig zu überprüfen. Das Denken sah diese Option gar nicht vor. Das reformierte sich erst in der Neuzeit grundlegend. Mit der Entdeckung neuer Länder und der rasanten Zunahme an Wissen durch den Buchdruck, veränderte sich das Weltwissen jedes Einzelnen. Immer mehr Persönlichkeiten stellten die alte Ordnung in Frage und öffneten sich den neuen Entdeckungen, mit Hingabe.

      In diesem Kontext wundert es nicht, dass auch ein Mann wie Galilei anfing, das bisherige Wissen, die Physik der Alten, systematisch im Experiment zu überprüfen und so zu ganz neuen Bewertungen und Einschätzungen über die Natur kam. Schöpfung und Naturgesetze wurden nicht mehr als eine von Gott so gewollte, in einem Schöpfungsakt entworfene und realisierte Welt angesehen, die man fraglos hinnahm, sondern es wurden Messungen und Analysen vorgenommen, aus denen sich Gleichungen und Axiome ergaben. Die Freiheit des Phantastischen, die vielen Möglichkeiten, die uns unser Gehirn auch als realistische Einschätzung aufzeigt, wurden gestutzt auf eine überprüfbare Endlichkeit und eine geordnete Gesetzmäßigkeit der Natur, mittels Formeln und Gleichungen. Unsere Welt wurde dadurch zunächst viel kleiner

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