Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick
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Die Milch der Kühe wurde natürlich an die Kunden verkauft. „Würde es sich nicht lohnen, mehr Milch zu machen und bringt das nicht mehr als der Gemüseverkauf?“, wagte ich zu fragen. Das war wieder ein Anlass zu einer grundlegenden Aufklärung! Ich durfte nur nicht beim Zuhören mit der Arbeit aufhören! Ich kratzte also weiter den Mist zusammen, schaufelte ihn in die Schubkarre und verteilte langsam die Streu unter den dicken Bäuchen der Kühe. „Der Milchpreis ist zu niedrig, um davon leben zu können.“ „Aber die Milchbauern leben ja auch davon, und die kriegen noch nicht mal die Hälfte vom Preis, den sie für die Bio-Milch bekommen!“ „Das macht die große Zahl der Tiere bei denen aus! Wir haben weniger Land und müssen damit zurechtkommen. Und Gemüseanbau ist nach Zierpflanzen die rentabelste Art!“ „Dann wäre es doch besser, die Kühe wegzuschaffen und mehr Gemüse anbauen!“, warf ich ein. „Wir haben die Kühe in erster Linie um Dünger zu gewinnen! Die Milch und die Kälber sind nebensächlich!“ „Aber es gibt doch Kunstdünger!“, provozierte ich halb unbewusst, halb absichtlich. Das brachte ihn in Fahrt und er bemerkte gar nicht, dass ich meine Arbeit fertig hatte und mich auf den Futtertrog gesetzt hatte und mich von der Kuh ablecken ließ. „Eine der Grundlagen des biologischen Anbaus ist die Ganzheitlichkeit. Alles sollte auf einem Hof selber hergestellt oder erwirtschaftet werden. Das, was durch den Verkauf der Ernten verloren geht, muss durch Dünger wieder dem Boden zugeführt werden. Sonst wird dieser geschwächt und später krank, wie auch die Krankheit beim Menschen eine Äußerung von Geschwächtsein ist.
Liebig hatte damals Feldfrüchte verascht, also verbrannt, und nachgewiesen, welche Stoffe dem Boden und in welchem Maße entzogen werden. Das waren hauptsächlich Stichstoff, Phosphor und Kali. Von ihm stammt auch der Spruch: ‚Der Bauer lebt vom Verkauf seines Kapitals‘. Seine Schlussfolgerung war, diese Stoffe künstlich, also synthetisch, herzustellen und dem Boden wieder zuzufügen. Und je mehr, umso höher die Erträge! Das war der Ursprung der modernen Landwirtschaft mit allen ihren Auswüchsen wie Verschmutzung des Grundwassers durch Überdüngung, kranke Pflanzen durch zu schnelles Wachstum und damit Notwendigkeit von giftigen Spritzmitteln.“ „Reicht es denn nicht, dem Boden die entzogenen Stoffe wieder zuzuführen? Ist das nicht das gleiche wie Mist oder Kompost?“ „In keinster Weise! Erstens hatte Liebig die ‚Spurelemente‘ vergessen, welche die moderne Landwirtschaft ebenfalls ignoriert. Und weiterhin sind die zugeführten Mineraldünger tote Materie, Kompost oder Mist hingegen sind lebendig! Und dadurch, dass sie mit kosmischen und irdischen Kräften angereichert werden, wenn sie mit bestimmten Präparaten ‚geimpft‘ worden sind, wie wir es vorhin mit dem Kompost gemacht haben, können sie, und das ist Steiners große Entdeckung, dem Boden alles Entnommene wieder zurückgeben. Ganzheitlich heißt nämlich auch, alle anderen wachstumsfördernde und regenerierende Kräfte, wie die Einflüsse der Planeten oder die der Konstellationen im Weltall zu nutzen. Denn es ist doch wohl logisch, wenn der kleine Mond einen so großen Einfluss auf uns Menschen und die Erde hat, dass er sogar die Gezeiten des Meeres bestimmt, dass dann die Planeten, die viel voluminöser sind, ebenfalls die Erde beeinflussen! Und da muss man zwischen den sonnennahen Planeten und den sonnenfernen unterscheiden! Die ersteren beeinflussen mehr die Blüten- und Fruchtbildung, die fernen wirken mehr auf die unterirdischen Teile wie Wurzeln… Doch das geht für heute zu weit, ich muss jetzt melken!“ Und er hängte der ersten Kuh den unförmigen ‚Bauchmelker‘ um, eine Melkmaschine, die an einem Lederband, das über dem Rücken der Kuh lag, unter deren Bauch hing. Anfangs dachte ich, dass dieses eine spezielle Maschine für biologische Kühe sei. Doch stellte sich später heraus, dass nur der niedrige Preis der Grund für die Wahl dieses Modelles gewesen war.
Einer, der öfters am Hof mithalf, war der Bruder des Bauern, der ansonsten Polizist war. Er kam hauptsächlich zum Holzhacken, wohl um fit zu sein, wenn es mal wieder darum ging, Demon-stranten und Langhaarige in Schach zu halten. Denn diese schienen seine Feinde zu sein. Wir grüßten ihn, wenn wir ihn auf dem Hof sahen, doch er grüßte uns nie zurück. Außer seiner Capillophobie hatte er wohl auch andere Probleme. Denn mit jedem Axtschlag wurde er röter, sodass wir manchmal dachten, er mache es nicht mehr lange.
Eines Tages wurde der Hänger an den Traktor gehängt und es ging in den Wald. Der Bauer, sein Bruder und ich. Ich nahm das Fahrrad, denn es war nicht sehr weit, und ich hatte Bedenken, ob der Polizist mit mir zusammen auf dem Traktor gefahren wäre. Außerdem waren auch nur zwei Sitze da!
Es duftete nach Moder und Tannennadeln, vereinzelt hallte der krächzende Schrei eines Raben durch das nebelige Halbdunkel. Das Moos glitzerte vom Tau der Nacht. Weich federte der Boden. Die beiden betrachteten die hoch aufragenden Bäume und wählten diejenigen aus, die gefällt werden sollten. „Ein Wald ist etwas Dauerhaftes, eine Vielzahl verschiedener Arten allen Alters. Er bildet einen Ausgleich für die Ackerflächen. In ihm wohnen viele Nützlinge, die die Schädlinge in den Feldern beseitigen. Ich meine nicht die Monokulturen, wo alle Bäume das gleiche Alter haben und alle gleichzeitig mit einem Kahlschlag gefällt werden! Diese sind, wie alle einseitigen Pflanzungen, sehr anfällig gegen Krankheit, Schädlinge und Witterungseinflüsse!“, erklärte der Bauer. Sein Bruder gab währenddessen der Motorsäge den letzten Schliff und füllte Benzin ein. Durchdringend verbreitete sich dessen Geruch und vermischte sich mit dem Harz-Duft der Bäume. „Aus einem Wald muss Holz entnommen werden, damit Platz für Jungwuchs entsteht. Braucht man Bauholz, werden bestimmte Arten gefällt, die die benötigte Länge und einen geraden Wuchs haben müssen. Wir wollen diesmal Brennholz machen. Dafür werden diejenigen Bäume gefällt, die alt sind, schlecht gewachsen oder beschädigt, diejenigen, die andere hindern könnten, sich richtig zu entwickeln!“ Der Bruder warf die Säge an. Schrill durchdrang das Motorengeräusch den Wald, verscheuchte die Stille und kam als Echo zurück. Dann, als der Motor etwas erwärmt war und beim Gasgeben sofort reagierte, ging es dem ersten Baum ‚an den Kragen‘. Nach einem Blick nach oben, um die Fallrichtung abzuschätzen, wurde ihm unten, nicht weit über dem Boden, ein Keil ausgeschnitten. Wir anderen entfernten uns aus dem Gefahrenbereich und schauten zu. Bläulicher Rauch vom Sägen-Motor breitete zwischen den Stämmen aus, während die Kette von der anderen Seite den Stamm annagte und unter Heulen Späne spie. Der Säger war schon leicht ins Schwitzen gekommen und schaute immer öfter nach oben. Und dann sahen wir es auch: ganz langsam kam Bewegung in die Baumspitze. Der Säger nahm das Gas weg und ging mit der Säge ein paar Schritte zurück. Es schien heller zu werden, während der Baum erst langsam, dann immer schneller ins Fallen geriet. Äste der danebenstehenden Bäume wurden knackend im Fall mitgerissen, dann krachte auch schon der Baum auf die Erde, seine Äste zersplitterten auf dem nadelbedeckten Boden oder bohrten sich in diesen hinein. Ein Lufthauch streifte uns, dann war Stille. Wir standen einen Moment da wie Leute bei einer Beerdigung um das Grab. Dann warf der Bruder die Säge wieder an und ging zum nächsten Baum, während wir uns mit den Äxten daran machten, die Äste des gefällten Baumes zu entfernen.
Als es Mittag war, lag ein gutes Dutzend der gefallenen Riesen auf dem Boden. „Beim Holzfällen ist es wichtig, den Mond zu beachten. Er muss abnehmend sein und sich der Erde nähern, denn dann sind die Säfte am wenigsten in Bewegung. Deshalb wird auch das Holz immer im Winter gefällt, wenn der Baum von sich aus schon in Ruhe ist! Zu vermeiden sind der Vollmond und der Neumond. Will man Bauholz machen, ist der beste Moment, wenn der Mond zudem noch vor dem Löwen