Mai way. Thomas Häring

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Mai way - Thomas Häring

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Ich perfektionierte die hohe Kunst des Nichtstuns und als ich mich langsam auf meinen Abschied vorbereitete, bekam ich unerwarteten Besuch, aber keine Zeugen Jehovas.

      Dabei handelte es sich um ein paar Außerirdische, die sich verflogen hatten und versehentlich auf der Erde gelandet waren. Wir unterhielten uns ziemlich lange in ihrer Sprache, denn mein Deutsch war, wie bereits angedeutet, leider nicht das Beste und so war es für uns leichter, in ihrer Sprache zu kommunizieren. Sie boten mir an, mich auf ihren Planeten mitzunehmen, doch ich lehnte ab, da ich mein Leben auf der Erde beschließen wollte. Daraufhin wollten sie meinen Krebs heilen, aber das machte mich richtig fuchsig. „Seid Ihr noch ganz bei Trost? Nur meine Krankheit hat es mir ermöglicht, endlich einmal zu sagen was ich denke und zu machen was ich will“, stellte ich klar und sie verstanden. Wir tauschten noch ein paar Kochrezepte aus, sie versprachen mir, daß wir uns auf einer höheren Bewußtseinsebene wiedersehen würden und ich zog mich in meine mittlerweile ziemlich wohlriechende Höhle zurück. Dort wartete ich auf den Mann mit der Sense und der kam eine Woche später tatsächlich vorbei, allerdings handelte es sich dabei um einen Almbauern, der ein bißchen frisches Gras für seine Hasen mähen wollte. Ich dagegen verlor mich in mir selbst, tauchte immer tiefer in mein inneres Ich ein und als ich nach zwei Wochen aus mir herauskam, da merkte ich, daß es absoluter Blödsinn war, seine Zeit damit zu vergeuden, auf den Tod zu warten, denn der würde ja sowieso und ohnehin kommen. Deshalb raffte ich mich auf, legte meinen Ekel vor der gesamten Menschheit ein weiteres Mal beiseite und begab mich zurück in die schweißgetränkten Arme des Volkes, an dessen Rockzipfel ich schon seit Jahren hing. Und dann saß ich auf einmal in einer Fernsehsendung neben dem Bayerischen Ministerpräsidenten und der war sowas von selbstironisch, daß ich gar nicht glauben konnte, daß dieses wunderschöne Land immer noch meiner geliebten CSU gehören sollte. Aber wenige Sätze später merkte ich zu meiner großen Erleichterung, daß sich nichts geändert hatte, denn der Mann wurde richtig ärgerlich, als einmal mehr der Vorwurf, seine Partei wäre verfilzt, auf ihn zugeflogen kam. Ja, mit der Selbst- und der Fremdwahrnehmung war es halt immer so eine Sache, davon konnte ich ein Liedchen singen, denn wenn die Distanz fehlte, dann sah man Vieles einfach nicht so klar wie aus der Ferne. Und so beschloß ich, meine Frau aufzusuchen, um von ihr zu erfahren, warum sie sich nach all den schrecklichen Jahren mit mir immer noch nicht von meiner Wenigkeit getrennt hatte. „Lieber sicheres Unglück als unsicheres Glück. Außerdem habe ich mich an Dich gewöhnt“, sagte sie mit einer Leichtigkeit in der Stimme, die mich zusammenzucken ließ. „Das ist ja furchtbar!“ entfuhr es mir, doch sie lächelte nur vergnügt. „Und seit ich weiß, daß Du ohnehin schon bald das Zeitliche segnen wirst, geht es mir besser als je zuvor. Die Bewerber um Deine Nachfolge stehen schon Schlange.“ „Ich segne nichts und niemanden. Bin doch nicht der Papst. Daß die stehen ist mir schon klar, dafür gibt es schließlich Viagra. Aber mal ehrlich, ganz unter uns: Das Leben mit mir war für Dich doch bestimmt die Hölle“, insistierte ich. „Na ja, wie man’s nimmt. Natürlich gibt es schönere, klügere und reichere Kerle als Dich, aber es hätte mich auch schlimmer treffen können“, bemerkte sie vergnügt und jene Worte gaben mir endgültig den Rest. Hatte ich denn wirklich alles in meinem Leben falsch gemacht? Dabei war es doch der heilige Zweck der Ehe, den Partner zu knechten und ihm das Leben zu verleiden. Einmal mehr schämte ich mich ob meiner unvergleichlichen Unfähigkeit, aber als sie auch noch mit mir schlafen wollte, reichte es mir endgültig und ich kapitulierte. Wenige Stunden später erwachte ich im Krankenhaus und neben mir lag eine Frau, die es auch nicht mehr lange zu machen schien. Ich starrte sie minutenlang an, dann fiel mir ein, daß es in den Krankenhäusern eigentlich immer Geschlechtertrennung gab, was wohl bestimmte Gründe hatte, aber keinen Sinn machte, wenn ein schwuler Mann mit anderen Männern in einem Zimmer lag oder eine lesbische Frau mit anderen Frauen. Doch darüber hatte scheinbar außer mir noch nie jemand richtig nachgedacht, ich aber fand sie schön.

      Über eine Krankenschwester bekam ich heraus, daß es sich bei meiner Bettnachbarin um eine Klosterschwester handelte, die genauso wie ich an Krebs erkrankt war. „Was soll’s, schließlich haben wir ja den Nonnemonat Mai“, seufzte ich resigniert, doch die kranke Schwester verbesserte mich umgehend: „Das heißt Wonnemonat Mai, Du Vollidiot!“ Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, denn als ich sie nach ein paar Stunden fragte, wo denn ihr Bräutigam bleibe, da sie ja angeblich die Braut Christi wäre, meinte sie nur, sie trage ihren Zukünftigen in ihrem Herzen. „Ich trage in meinem Herzen nur den Krebs“, entgegnete ich. „Sie sind wohl ein Scherzkrebs“, vermutete sie daraufhin und wir lachten. Wenig später tauchten meine Schwestern auf und mir wurde das Ganze langsam zuviel. „Krankenschwestern, Klosterschwestern und jetzt auch noch meine Schwestern, das halte ich im Kopf nicht aus!“ machte ich meinem Ärger Luft, doch sie warfen mir erst vorwurfsvolle Blicke zu und danach noch vorwurfsvollere Worte hin. „Unsere Ehemänner haben die Scheidung eingereicht und wollen auch noch die bezahlten Alimente zurück“, teilte mir eine von ihnen mit, woraufhin ich mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen konnte. „Daran bist nur Du schuld“, fügte meine andere Schwester hinzu und das machte mich stolz. „Außerdem rührt uns Papa seitdem nicht mehr an, dabei war er im Bett immer der Beste.“ Schön langsam hatte ich die Schnauze voll und erbrach mich über dem billigen Blumenstrauß, den sie mir boshafterweise mitgebracht hatten. Nachdem sie mich eine halbe Stunde lang ausgiebig beschimpft hatten, verzogen sie sich wieder und die Nonne ließ Folgendes von sich hören: „Na, Ihr Freien habt es wohl auch nicht ganz leicht.“ „Mit Pinguinen rede ich nicht“, blockte ich ab. Auf einmal mußten wir Beide lachen und daraufhin war das Eis gebrochen. Nun plauderte sie ein wenig aus dem Nähkästchen, doch plötzlich ging die Tür auf und ein hoher Würdenträger ihrer tollen Kirche trat herein und belegte sie mit salbungsvollen Worten. Sogar für mich hatte er ein anerkennendes Kopfnicken übrig und ich war schwer angetan. „Laß Dich von dem Blender nicht in die Irre führen! Das ist unser Schlimmster, wir Nonnen nennen ihn nur den Kardianal, aber er macht auch vor den Mönchen nicht Halt, denn er schätzt bilaterale Beziehungen“, erklärte sie mir, nachdem er sich und mit ihm der Weihrauchduft verzogen hatte. „Na ja, nicht jeder Arschficker ist ein schlechter Mensch“, wandte ich ein, doch sie reagierte äußerst heftig: „Der schon! Der hat mich geschwängert, danach zur Abtreibung gezwungen und mich dann auch noch sitzen lassen, dieser verlogene Hurenbock.“ „Ach ja, manchmal ist es wirklich besser, wenn man nicht alles weiß“, bekannte ich, doch nun kam sie erst richtig in Fahrt. „Doch, man muß die Wahrheit herausschreien und darf sie nicht länger zurückhalten! Weißt Du, es geht nicht nur darum, daß es etliche schlimme Menschen in meiner Kirche gibt, die sich alles erlauben können, weil sie an den Schalthebeln der Macht sitzen. Viel schlimmer ist, daß sie die Menschen unterdrücken und manipulieren und ihnen jede Menge Angst machen.“ „Moment mal, hier läuft Einiges schief. Das müßte eigentlich mein Text sein und Du müßtest energisch dagegenhalten“, stellte ich überrascht fest. Sie aber steigerte sich noch weiter hinein, beschimpfte die höchsten geistlichen Würdenträger mit den übelsten Kraftausdrücken und irgendwann war es um mich geschehen und ich war so erregt, daß wir es Beide in ihrem Krankenbett trieben. Wie nicht anders zu erwarten, tauchte im orgiastischsten Moment unseres Lebens die Nachtschwester auf und veranstaltete ein Zeter und Mordio. „Halten Sie die Klappe, sonst erfahren alle in der Klinik, daß Sie eine Nymphomanin sind, Sie Nacktschwester!“ drohte ich ihr und damit hatte ich die Gefahr gebannt. Niedergeschlagen und schon halb entkleidet schlich sie trübsinnig von dannen, wohingegen ich und meine Bettgefährtin nicht genug von dem kriegen konnten, dem sie vor etlichen Jahren für ihr ganzes Leben abgeschworen hatte. Nun ja, vielleicht war es der letzte schlechte Verkehr unseres Lebens, wer wußte das schon? Der da oben etwa?

      „Es gibt keinen Gott“, lauteten ihre Worte. „Komisch, das sagen alle Frauen, nachdem sie mit mir geschlafen haben“, wunderte ich mich. „Das hat mit Dir überhaupt nichts zu tun. Wieso sagt man eigentlich „mit jemandem schlafen“? Wir waren dabei doch die ganze Zeit wach.“ „Das darfst Du mich nicht fragen. Ich habe diese Sprache schließlich nicht erfunden und stehe mit ihr ohnehin auf Kriegsfuß.“ „Es gibt wirklich keinen Gott.“ „Na ja, Du mußt es wissen, Du bist immerhin mittendrin statt nur dabei.“ „Das ist alles nur ein riesengroßer Schwindel. Dieser Jesus war ein Mensch wie Du und ich, nur mit dem Unterschied, daß er auf seine Seele gehört hat und das machte, wozu ihm sein Herz riet.“ „Du willst damit sagen, daß ihn sein Herz dazu aufforderte, sich kreuzigen

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