Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich Mann

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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann

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stimmt etwas nicht, man hält mich zum Besten. Ich würde schweigen; aber Ihre Teilnahme gestern Abend schien ehrlich. Sie haben Ihren photographischen Apparat mit?«

      Als Terra das Haus verließ, war er in dem Aufzug wie gestern. Sie folgten ihm, – wahrhaftig, auf die Wiese ging er. Mangolf, dem erschütternde Zusammenhänge aufdämmerten, sprach kein Wort. Hinter dem großen, flirrenden und dröhnenden Karussell, wie ausgelöscht von der Übermacht seines Glanzes, drehte sich ein Kleines. Sie waren immer daran vorbeigegangen, nicht einmal seine Musik war zu hören, in dem Gebrüll der anderen. Dort hinauf sprang Terra, während es sich drehte, sprang drinnen wieder ab, sprach mit dem zerlumpten Buben, der den Sammelteller hielt, und stellte sich statt seiner selbst hin.

      Das Karussell lief ab, der Knabe ging, die zuschauenden Kinder anzulocken, Terra ermunterte die Mädchen. Als alle Mitreisenden bezahlt hatten, setzte er das bescheidene Musikwerk in Bewegung, und der hölzerne, grell bemalte Zauber nahm von neuem seinen Lauf. Die Kinder in einem heftig schaukelnden Postwagen machten eine bewegte Reise, der Junge auf dem Schimmel fühlte sich als General, und die Mädchen, die der goldene Schlitten trug, lebten, wenn auch die Hände ihrer Liebhaber ihnen um den Leib lagen, in einer Wirklichkeit, die nicht weniger trügerisch war. Dem Allen sah Terra zu, stand in der Mitte und verteilte es sozusagen – flüchtiges Glück für arme Menschen, denen übrigens nicht zu trauen war; hier aber drehte er sie, teuflisch lächelnd, um seine eigene Person.

      Er lächelte zeitweilig mit einem Hohn, der an Irrsinn erinnerte; Mangolf und Kurschmied traten unwillkürlich näher zu einander. Dann aber bekam er ein Vatergesicht, sah gutmütig dem Traum nach, der seine Kinder entführte, um schließlich, indes das Karussell schon langsamer ging, als der gewöhnliche Aufpasser an seinem Posten zu stehen, plump, schofel und mit Geschäftsmiene.

      Das Karussell hielt ganz, keine Musik mehr, da hörte Mangolf neben sich das Knipsen. »Sie haben ihn auf der Platte?« – »Ihn und seinen Betrieb.« – »Dann gehen wir.«

      Aber jetzt brach durch die Menge das Mädchen mit dem Flitterröckchen. Ein karierter Mantel verdeckte heute das Röckchen, und zu dem alten Mantel paßte nicht der gepuderte Kopf, mit dem reichen roten Haar. Sie sprang entschlossen auf das Karussell, drüben half Terra ihr ritterlich, abzusteigen. Er ließ den Jungen allein einsammeln und führte sie nach der Mitte, in den bunt bewimpelten Verschlag aus Holz und Segeltuch. Da er die Tür schloß, sagte Kurschmied: »Wir müssen durch das Fenster sehen, steigen wir auf den Elefanten!«

      Sie saßen droben und drehten sich schon, da ging durch das Volk hinter ihnen ein hörbarer Ruck. Geschrei, – und gegen das Karussell her wälzte sich etwas, zwei starke Männer, in Trikots aus ihrer Bude entwichen. Einer wollte den andern verhindern, aufzuspringen. Inzwischen erlangte das Karussell seine volle Geschwindigkeit, sie wurden fortgeschleudert und trollten sich, einander beschimpfend.

      In dem Verschlag ward Geld hingezählt, man sah Hände auf dem Tisch. Nur Teile ihrer Bewegungen erfaßte man im Vorbeisausen; welche Hand gab, welche nahm? Kurschmied war dennoch seiner Sache sicher. »Er läßt sich von dem Mädchen bezahlen«, sagte er empört. »Das hätte ich denn doch nicht von ihm gedacht.« Hierzu schwieg Mangolf. »Jetzt können Sie verschwinden«, bedeutete er kurzer Hand dem Schauspieler, als sie standen; und Kurschmied, enttäuscht aber gefaßt, verschwand.

      Aus dem Verschlag trat das Mädchen, eine Hand hatte sie noch drinnen bei dem Mann, vielleicht an seinem Mund, vielleicht um seinen Hals. Sie sah schon von ihm weg, ihr Gesicht trug noch die Leidenschaft der Umarmung und schon die Angst des Abschiedes. Sie zog die soeben geliebkoste Hand an sich, an ihr Herz, und ging hinaus in das Leere. Aber schon an der nächsten Ecke ward sie erwartet von dem einen der starken Männer, einem gelben Menschen, der im Zustand der Ruhe, mit schlotterndem Trikot, nicht mehr stark, nur noch krank aussah. Er nahm sie sorgenvoll in Empfang, er zog, ängstlich verhandelnd, mit ihr ab.

      Mangolf sagte eindringend: »Du bist entlarvt.«

      »Wer sagt das!« rief ihm Terra, fast gleichzeitig, entgegen. Er war hochrot, er nahm eine Zigarette und paffte aus verzerrtem Munde. Ebenso plötzlich entspannte er sich wieder. »Nimm Platz, mein lieber Wolf!« und er wies auf eine Kiste.

      Dann: »Dein bewährter Scharfsinn läßt Dich natürlich nicht einen Augenblick im Zweifel über Wesen und Bedeutung meiner öffentlichen Stellung. Die Menschen richtig lenken, wie sie es gewohnt sind, nämlich im Kreise; sie in Bewegung setzen, berauschen, beschwindeln, ihnen ihr Geld abnehmen und sie zum Teufel schicken: – tu' als Staatsmann mehr für sie, wenn Du kannst! Oder bin ich ein Dichter?«

      »Mit geringeren Kosten«, sagte Mangolf, die Mundwinkel gesenkt. »Wo willst Du hinaus, mit Deiner unheimlichen Spielerei?«

      »Mich hat das Leben gleich bei meinen ersten Gehversuchen dafür bestraft, daß ich es ernst nahm. Gott in seiner Güte bewahre mich davor, daß ich dem Leben je noch einmal auf den Leim krieche.«

      Um sie her klingelte das Karussell. Jauchzen kreiste zur Musikbegleitung.

      »Du entgehst ihm nicht. Komm wieder in die Welt mit! Es ist feige, dem Leiden auszuweichen«, sagte der Freund von unten, auf seiner Kiste.

      »Gott hat mir die unvergleichliche Gabe versagt, unter meiner eigenen Schlechtigkeit so leiden zu können, als sei sie der ganze Schmerz der Welt.« Mit eherner Stimme sprach Terra. Der Freund aber, von unten:

      »Das Mädchen, das hier war, sah nicht aus, als dächte es wie Du. Der ist es ernst.«

      »Sie ist tausendmal wertvoller als ich«, sagte Terra durchdrungen. »Einzig mit Demütigen läßt es sich auskommen. Meine Verbindung mit dem Leben der Menschen sind die Töchter des Volkes, besonders die Rothaarigen.« Unvermittelt bekam er zornige Augen. »Kannst Du den Haß verstehen, dessen Menschen fähig sind? Warum lastet er so furchtbar auf mir? Ich trage diese Maskerade«, er berührte seine Kleider, »weil ich vorübergehend ohne größere Barmittel bin. Sie sehen es mir an, daß ich für eine solche Verfassung nicht gedacht war; das ist Grund genug für ihre teuflische Bosheit, sich zu belustigen, wo immer sie meiner ansichtig werden.«

      Mangolf stutzte. »Irrst Du Dich nicht?« Terra sah ihn scharf an. »Als wäre es bei Euch in der Kneipe anders gewesen. Der ganze Theaterplan war eine Erfindung der Deinen, um mich im Atem zu halten und Euch etwas zum Lachen zu geben.«

      »Mich dünkt doch –«. Aber Mangolf stockte. Die Augen Terras waren gerötet, und sie flackerten. Das Gesicht hatte seine ganze Zucht verloren. In diesen Zügen wankte der Wille.

      Da sagte Mangolf gesenkt, und nun selbst erhitzt: »In der Kneipe trugst Du freilich bessere Kleider. Aber der Grund weshalb sie uns hassen, sind nicht unsere ärmeren Kleider, es ist unser reicherer Geist.«

      Terra, auch gesenkt: »Sie zwingen uns, da sie uns unterdrücken wollen, herrschsüchtig zu sein.«

      »Wir haben den Trieb, zu herrschen«, blies der Freund ein. »Habe Erfolg!«

      »Ich sträube mich noch«, gestand Terra ganz leise. »Ich will noch rein bleiben. Aber als ich unlängst von dem Bankrott meines Vaters erfuhr, den ich doch leidenschaftlich ersehnt hatte, da hat mich zu meiner ewigen Schande das Entsetzen gepackt, daß ich nun also ganz im Ernste ein Deklassierter sei.«

      Der Freund nickte. Wo waren eherne Stimme und überlegene Vernunft, wo auch das Mißtrauen beider. Eine Wolke verdunkelte das Fenster, in dem engen Verlies sahen sie ihre Gesichter nicht mehr. Jeder für sich litt köstlich unter seiner tiefen Ähnlichkeit mit dem andern.

      Draußen war es vorbei mit Jauchzen und Musik, ein Streit brach aus, Terra mußte dazwischentreten. Als er zurückkam, hatte er nur den

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