Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich Mann

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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann

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daß er anderen zumutet, sie sollen ihre Eltern niederschießen.«

      »Er glaubt auf dem Heer zu stehen. Im Grunde aber steht er auf Paradoxen. Wie lange können sie halten?« fragte Terra.

      Hier wiegte der junge Mangolf den Kopf. »Sehr lange«, sagte er nüchtern.

      Der junge Terra sagte feurig: »Es ist unmöglich, daß heute, 1891, die Vernunft lange ungerächt bleibt. Wer glaubt ihm eigentlich? Sie tun so, aus Furcht, aus Klugheit, aus Snobismus.«

      »Wer die Macht hat, dem glaubt man«, sagte Mangolf mit Überzeugung.

      »Dann darf es keine Macht geben!«

      »Sie ist aber da. Und jeder will sie mitgenießen.«

      Der einmütige Marsch der Geister brach ab, die Zwanzigjährigen maßen einander, herrisch der eine, der andere trotzig.

      »Du sinnst Verrat«, behauptete Terra. »Auch Du wirst Deine religiöse Komödie spielen – genau wie Dein Kaiser.«

      »Und wenn? Du schwörst auf die Vernunft. Aber das Unvernünftige sitzt in uns allen viel tiefer, und in der Welt bewirkt es viel mehr,« schloß Mangolf, erhitzt und krampfig. Terra, stark und kalt: »Ausreden für Heuchler!«

      »Flachkopf! Man kann Wechsel fälschen und doch aufrichtig beten. Ich berufe mich auf den Kaiser, Herrn Quatte und mich selbst.«

      »Sauber muß es aussehen in so einem.«

      »Ich verachte Deine Sauberkeit«, sagte Mangolf. »Das Wissen erwirbt sich erst in Abgründen, die nicht sauber sind. Was weißt Du vom Leiden.« Erhitzt und krampfig.

      Terra sah ihn dasitzen mit den verdächtigen Augen der schamvoll eitlen Geständnisse. Er lehnte ab, zu hören; stand auf und drehte sich aus Platzmangel um sich selbst. »Dein Leiden! Sprechen wir es einmal klar aus! Daß das Leben nicht das Händewaschen wert ist?«

      »Wer es durchschaut hat, muß es verachten«, sagte der zwanzigjährige Mangolf.

      »Und kennt die verführerische Anziehung des Nichts. Ich aber kenne sie nicht,« sagte der andere. »Verachte mich ruhig! Dein Leiden liegt auf der Hand. Es rührt daher, daß Du wider Dein besseres Wissen ein großer Streber bist.«

      »Werben um die Welt, wie um eine schlichte Hure – tiefe Wollust der Selbstverachtung.«

      »Auch noch Dich selbst? Du verachtest zu viel, es wird Dir schaden. Ich hasse lieber.« Terra stand stämmig da. »Ich hasse die Erfolge, zu denen Du Dein Gewissen erst überreden mußt. Die Lüge schwächt. Du wirst die Aufsicht verlieren über Deine vergewaltigte Vernunft, wirst Dich verrennen und schlecht enden.«

      »Mit Deiner unbefleckten Vernunft greife nur sogleich zum Revolver, früher oder später ist er Dir sicher.«

      Auch Mangolf stand. Sie sahen einander glühend an, prophetisch jeder erfüllt von der ganzen Wahrheit seines Lebens, und tödlich gespannt, zu kämpfen für seine Wahrheit.

      Dann trat einer zurück, so weit er konnte, und der andere strich sich über die Stirn. Sie sahen einander nicht mehr an, jeder wußte: »Ich habe ihm den Tod gewünscht.« Terra befreite sich zuerst, er lachte schwer auf. »Wären wir jetzt einfachere Naturen gewesen, wer weiß, wie dies geendet hätte.«

      Mangolf sagte mit einem tiefen Lächeln: »Dann wäre es nicht um den Geist, sondern um das Geld gegangen.«

      »Wie bei unseren beiden Urgroßvätern.«

      »Du weißt also davon«, sagte Mangolf verhalten. Er setzte sich an das Klavier. Terra stand erschüttert noch da.

      Als er auf seinen Sitz zurückgekehrt war, kam ihm unvermittelt die Frau in den Sinn – die Frau von drüben, mit der es noch heute Nacht in das Leben ging. Das Herz schlug ihm stark, er vernahm etwas wie die Lebensbrunst selbst und merkte, jener spiele Tristan.

      »Ich muß fort«, sagte Terra, schon bei der Tür. Mangolf brach wider Erwarten ab und wandte sich her. Sein Jünglingsgesicht war umwölkt von schwülem Leiden.

      »Klaus! Du gehst zu Deiner Geliebten.«

      »Tue dasselbe, Wolf – und lebe wohl!«

      Die Augen Mangolfs zitterten, ihm war es nicht wohl bei dem Triumph, den er fühlte. »Du willst also durchgehen, Klaus. Du willst sie, was weiß ich, heiraten.«

      »Begreife es oder begreife es nicht!«

      »Dies ist somit der Fall, wo auch Du Deine Vernunft opferst, Klaus.«

      »Mit Freuden!«

      »Einer Frau? Einem trügerischen Wesen, das uns schwächt?« fragte Mangolf mit tiefer Wollust. Nie hatte er die Schwester des Freundes geliebt wie in dieser Minute. Der Haß zwischen ihm und dem Freund stand demnach in einem abgründigen Zusammenhang mit seiner Liebe zu der Schwester. Fragwürdiges Erleben, wie schmerzlich befriedigte es Mangolf!

      Terra schlang die Finger ineinander, er sagte halblaut, stark und eintönig: »Ich will für sie leben und sterben, arbeiten und wenn nötig, stehlen. Für sie könnte auch ich zum Streber und Lügner werden, aber dann würde sie mich nicht lieben. Und ihre Liebe wird immer für mich das einzige Zeichen sein, daß ich gesiegt habe und nicht gestrandet bin.«

      Mangolf hörte dies Fieber, dies Schicksal. Er selbst, erst heute, hatte solche Worte zur Betörung einer Frau gebraucht. Dieser brauchte sie zu seiner eigenen. Mangolf sagte ernst:

      »Ich könnte Dich verachten. Aber ich will Dich bewundern.«

      »Denn Du bist mein Freund«, sagte Terra; und sie hielten die Hände ineinander, bevor er ging.

      Er ging nach Haus; alle schienen schon zu schlafen; nahm das Notwendigste mit und stieg hinunter in den Garten. Er sah sich nicht mehr um, das Vaterhaus sollte vergessen sein. Durch die Pforte entkam er auf die Wiese, dann an das Flußufer, bestieg das Boot und fuhr zu. Er rechnete auf zwei Stunden Ruderns im sternenlosen Dunkel, barhäuptig und den Wind vom Meer auf der Stirn. Statt dessen wäre er, nahe der Flußmündung, beinahe in einen Zug von Lastkähnen hineingefahren. Die Stimme, die ihn anrief, klang bekannt. Dann ward eine Laterne erhoben. »Schlüter?«

      »Der junge Herr! Soll ich vielleicht doch noch umkehren?«

      »Wohin fahren Sie denn?«

      »Und Sie?« fragte der Lagerverwalter mißtrauisch.

      »Ich komme zu Ihnen hinauf.« – Als er oben war: »Mein Vater schickt Sie fort? Wegen des Konsuls Ermelin? Nur heraus damit!« Er sah die Kähne entlang: »Getreide?«

      »Wegen des Getreides fahre ich,« gestand der Verwalter. »Auch wegen des Herrn Konsuls, damit er in den Reichstag gewählt wird. Aber bei der Gelegenheit schaffen wir gleich das Getreide fort, es ist zu billig.«

      »Zu teuer, meinen Sie?«

      »Der junge Herr kennt das Geschäft noch nicht. Das Getreide ist noch vor dem neuen hohen Schutzzoll hereingekommen, und viel billiger als das hiesige, es verdirbt den Preis. Es muß aus dem Land, ich fahre es hinüber.«

      Der Sohn schwieg hierauf

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