Wären wir bloß Jäger und Sammler geblieben. Rolf W. Meyer
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Wir müssen lernen, in längeren Zeiträumen vorauszudenken, und dementsprechend ein generationsübergreifendes Überlebensethos ausbilden. Dazu müssen wir die Falle des Kurzzeitdenkens, die „Konkurrenzfalle“, vermeiden.
Es lohnt sich, auf ein neuzeitliches Phänomen einzugehen, mit dem sich der deutsche Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa intensiv beschäftigt hat: Beschleunigung und Entfremdung. [8] Seiner Ansicht nach ist Beschleunigung das alles beherrschende Phänomen unserer modernen Zeit (Der Vorstandschef von Microsoft, Steve Ballmer: „Schneller! Schneller! Schneller! Schneller!“). [9]
Nach Hartmut Rosa verschafft sie den Menschen nicht mehr, sondern weniger Freizeit. Im Zeitalter der Beschleunigung hat sich nicht nur das individuelle Lebenstempo beschleunigt (ein auslösender Faktor ist das Konkurrenzdenken), sondern die Politik hat ihre beherrschende Rolle verloren. In der „Beschleunigungsgesellschaft“ werden die Objekte nicht mehr repariert. Die Folge eines beschleunigten Lebenswandels ist die „Wegwerfkultur“. Für Hartmut Rosa führt der beschleunigte Lebensstil der Gegenwart zu einer Entfremdung des Individuums vom Raum, von den Dingen, von der Zeit und den eigenen Handlungen.
Seit der Steinzeit lässt sich der Einfluss des Menschen im Bodenbereich seiner Umwelt nachweisen. Die letzten 12.000 Jahre kennzeichnen das Zeitalter des Holozän. In diesem jüngsten, nacheiszeitlichen Abschnitt des Erdzeitalters hat der Mensch, um es noch einmal hervorzuheben, eine wesentliche Wandlung seines Lebensstils vollzogen, indem ursprüngliche Jäger und Sammler sesshaft wurden und Ackerbau und Viehzucht betrieben.
Aus aktuellem Anlass einer grundlegenden Veränderung der Erde diskutieren Wissenschaftler darüber, ob durch die neuzeitlichen Veränderungen auf der Erde, hervorgerufen durch die jetztzeitlichen Menschen, von einer neuen geologischen Epoche gesprochen werden kann, dem so genannten Anthropozän („Das Zeitalter des Menschen“). Es sind sechs schwerwiegende Umweltveränderungen, die in ihren Auswirkungen als bedeutsam angesehen werden: [10]
Veränderung der Oberfläche des Bodens an Land, z. B. durch Straßen, Steinbrüche und landwirtschaftliche Flächen.
Ausbreitung eines dichten Netzes im Boden-Untergrund von U-Bahn-Schächten, Wasserrohren, Strom- und Telefonleitungen sowie von Tunnelsystemen und Geheimgängen
Auswirkungen durch den Bergbau (Abbau von Lagerstätten der Bodenschätze in Bergwerken [„unter Tage“] oder im Tagebau)
Bohrungen in der Erdkruste
Anlegen von unterirdischen Deponien, z. B. für radioaktiven Abfall, für chemischen Müll, Erdgas, Trinkwasser oder für Kohlenstoffdioxid (CO2)
Unterirdische und oberirdische Atomtests, wodurch viel, sich toxisch auswirkende Radioaktivität freigesetzt wird.
Wenden wir uns einem weiteren Problem zu, in diesem Fall einer sozialen Problematik, in Verbindung mit der Frage, welche wichtigen Überlebens- und Entwicklungsleistungen heutzutage zu vollbringen sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Interview, das die Journalisten Jochen Bittner und Martin Machowecz von der ZEIT-Redaktion mit dem Altbundespräsidenten Joachim Gauck geführt haben. [11] Die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021.
„ZEIT: „Was ist los mit unserem Land? Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen. Ich behaupte: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. […]
ZEIT: Warum verhallt es? Gauck: Weil wir nicht mehr ausreichend wagen. Die Tugend des Mutes ist unterbewertet, weil es uns seit Generationen sehr gut geht. Wir leben seit vielen Generationen ohne Krieg, ohne Not und mit beständig wachsendem Wohlstand. Menschheitsgeschichtlich ist das unnormal. Man kann so tun, also wäre dieser Zustand durch Stillhalten zu sichern. Aber wenn wir beispielsweise die Wirtschaft betrachten, spüren wir, dass dies eine Haltung ist, die innovationsfeindlich ist. ZEIT: Die Anzahl der in Deutschland angemeldeten Patente geht seit Jahrzehnten zurück. GAUCK: Das ist ein Zeichen. Da zeigt sich diese Scheu vor Wagemut. Warum? Diese Nation ist zweimal sehr geprägt worden durch Übermut, unter Wilhelm Zwo und unter Adolf Hitler. ZEIT: Und jetzt leidet sie unter Untermut? GAUCK: Dieses Land hat ein Defizit, weil es nicht zu glauben vermag, was es schon geschafft hat: Diese großartige Rechtsstaatlichkeit, das Gros einer rechtstreuen Bevölkerung, der wirtschaftliche Erfolg bei gleichzeitigem Funktionieren eines Sozialstaats, eine wache Zivilgesellschaft. All dieses Gelungene müsste uns dazu führen, Verantwortung weiter zu bejahen und sie auch in neuen Situationen zu wagen. Die Leitkultur der Zurückhaltung war eine Zeit lang gut und richtig. Aber wenn du ihr nicht irgendwann entwächst, verpasst du dein Erwachsenwerden.“
Woher kommen wir?
Ein kurzer Abriss zur Entwicklungsgeschichte des Menschen soll eine Antwort darauf geben.
Die moderne Identität des Menschen von heute, die ein genetisches und anatomisches Mosaik aufweist, ist das Ergebnis von zwei Millionen Jahren Migration. Daher beschäftigen wir uns in diesem Kapitel zunächst mit der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Natur- und Kulturwesens Mensch.
Die Entwicklungsgeschichte der Vormenschen- und Menschenformen (Hominini) begann in Afrika. Dafür waren Veränderungen der natürlichen Umwelt mit ausschlaggebend. Klimaveränderungen, die sich vor neun bis sieben Millionen Jahren ereigneten, führten dazu, dass der tropische Regenwald auf dem afrikanischen Kontinent immer mehr schrumpfte. Es bildeten sich offenere Seen- und Flusslandschaften, die bereits Hominine auf zwei Beinen durchstreiften. Die Entwicklung des aufrechten Ganges (Bipedie) erwies sich als sehr vorteilhaft. Vor dreieinhalb bis zwei Millionen Jahren wurde das Klima in Afrika allmählich kühler und trockener, allerdings unterbrochen von wärmeren Phasen. Verschiedene Hominine entwickelten unterschiedliche Anpassungen (Adaptionen) an die jeweiligen Lebensbedingungen. Ihre Lebensräume (Habitate) waren Savannen, Wälder, Waldränder oder Uferzonen. Die Nahrung bestand aus Gräsern, Früchten, Knollen oder Insekten. Die unterschiedlichen Anpassungen der Homininen an die jeweiligen Umweltbedingungen zeigten sich in ihren unterschiedlichen körperlichen Erscheinungsformen.
Je besser ein Individuum körperlich und im Hinblick auf seine Verhaltensweisen an seine Umwelt angepasst war, desto größer waren seine Überlebenschancen. Das Nahrungsangebot wurde effektiver genutzt, so dass sich das Individuum besser ernähren konnte. Gegenüber Feinden und Fortpflanzungskonkurrenten konnte man sich wirksamer behaupten, so dass die Erfolgreichsten meist auch besonders viel Nachwuchs hatten (Fitness-Maximierung). Dadurch konnten sich ihre Erbanlagen (Gene) allmählich durchsetzen.
Die Entwicklungslinie der Gattung Mensch (Homo) begann nach gegenwärtiger Erkenntnis vor 2,5 Millionen Jahren mit der Artenvertretung Homo rudolfensis („Mensch vom Rudolfsee“). Dieser war offensichtlich in der Lage, mit scharfkantigen Abschlägen Kadaver zu zerlegen. Vor 2,3 Millionen Jahren entwickelte sich Homo habilis („fähiger Mensch“). Er besaß nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch das erforderliche Erinnerungsvermögen, um aus zerschlagenen Geröllen scharfkantige „Steinmesser“ (Chopper) herzustellen.
Als vermutlich direkter Nachfahr von Homo habilis erschien vor fast 2 Millionen Jahren Homo ergaster („Handwerker-Mensch“) in Afrika. Sein handwerkliches Geschick machte es ihm möglich, den Faustkeil als neuartiges „Universalwerkzeug“ zu entwickeln.
Homo erectus („aufrechter Mensch“) hatte sich vor etwa 1,6 Millionen Jahren aus Gruppen des Homo ergaster entwickelt, die damals