Und die Wahrheit steht auf. Petrus Faller
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Und die Wahrheit steht auf!
Ein Leben mit Avatar Adi Da Samraj
Petrus Faller
Für meine Tochter
Wenn die Wirklichkeit dich küsst
Weiche nicht zurück.
Lass die Wirbel Ihres Spiels
Kreise in dir ziehen
Und fühle – du bist das Herz.
Am 22. November 1994 sollte sich in meinem Leben etwas ereignen, das jenseits von all dem lag, was mein bisheriges Leben bis dahin für mich bereit hielt. Zwei Wochen vor diesem Datum war ich in den Straßen von Freiburg, einer Stadt im Süden von Deutschland unterwegs, um irgendwelche Besorgungen zu machen. Ich hatte gerade eine Ausbildung zum Psychotherapeuten begonnen und kam in Frieden mit meiner verzweifelten und extremen Suche nach der Wahrheit und mit den Erlebnissen meiner frühen Kindheit. Dieses ständige Getrieben-Sein, der Drang die Welt anders haben zu wollen als sie ist, davonzulaufen vor den Herausforderungen des täglichen Lebens, all das hatte sich erschöpft. Zutiefst ernüchtert und entlarvt schaute ich mit leerem Blick auf den Bertoldsbrunnen, den zentralen Mittelpunkt der Universitätsstadt Freiburg.
An einer Ecke nahe dem kopfsteingepflasterten Platz, der den Brunnen umgab, stand ein Stromkasten, der wie immer über und über beklebt war mit Veranstaltungsplakaten jeglicher Couleur und Größe. Auf einem dieser Zettel las ich den Namen Adi Da, Vortrag über die Weisheits-Lehre des Meisters. Thema: Der Tod und das Sterben. Eine Stimme in mir sagte: Petrus, sei nicht intolerant, ein spiritueller Meister, das hörst du dir an.” Ich las den Namen Adi Da noch einmal und immer wieder. Adi Da. Adi Da. Er sollte mir die Tage bis zur Veranstaltung nicht mehr aus dem Gedächtnis entschwinden.
Am Abend des 22. November fand ich mich in einem Vorlesesaal der Alten Universität ein. Der Raum war gefüllt mit dreißig bis vierzig Zuhörern. Vorne stand ein großes Bild von Adi Da. Es roch nach Räucherwerk und Blumen schmückten den Tisch, auf dem Sein Bild stand. Der Vortrag begann und ich lauschte den Worten des Redners und seinem Vorlesen aus den Schriften und Instruktionen des Meisters. Es war mehr als erstaunlich, was da vorgetragen wurde. Mit welcher Kraft diese Worte aufgeladen waren. Je länger ich zuhörte, desto mehr wurde ich von einer Anziehung erfasst und einem tiefen Gefühl von Wahrheit und Größe, welches alles andere übertraf, was ich je in meinem Leben, auf meiner endlosen Suche erfahren hatte. Zweifel begann sich einzumischen. Das Gehörte konnte nicht wahr sein, hier konnte nicht die tiefste Wahrheit über unser Sein aus dem Nichts erscheinen. Nicht hier, in einer einfachen, ordinären deutschen Stadt, so unspektakulär und ohne Abenteuer, weit weg von all den heiligen Orten, die ich besucht hatte und dazu noch ohne direkte Anwesenheit des Protagonisten.
Aber die Kraft der Worte von Adi Da tönten überall in meinem ganzen Wesen als Wahrheit und breiteten sich immer mehr aus, als ob die ganze Welt darin existierte. Es war für mein Denken nicht mehr zu fassen. Es war viel größer.
Der Vortrag neigte sich dem Ende zu. Viele Anwesende waren sehr aufgewühlt, manche wütend, wild argumentierend, zum Streiten aufgelegt, andere nur still und nachdenklich. Ich saß einfach nur da und kapierte nichts mehr.
Als Abschluss gab es ein Video, wo Adi Da im Darshan1 zu sehen ist. Er sitzt dabei meist in einem Stuhl und die Anwesenden betrachten Ihn still.
Der Raum wurde ganz abgedunkelt, auf dem Bildschirm erschien Seine Gestalt. In diesem Moment verschwand all meine Wahrnehmung von Raum und Gegenwart. Ein Donnerschlag fuhr durch meinen Körper. Alles um mich herum begann in einer Art Feuer zu stehen, mein Herz zersplitterte und ging verloren. Ein Gefühl von unendlicher und immerwährender Liebe stürzte von oben in meinen Körper, ja in all mein Leben, wie ein Wasserfall, der nur auf diesen Augenblick und diese Gelegenheit gewartete hatte.
Vor mir saß der leib-haftige Gott, die Wahrheit, die ewige, grenzenlose Liebe, nach der ich unaufhörlich und voller Verzweiflung gesucht hatte, Leben über Leben. Der Vorhergesagte Gott-Mensch. Mein Herz wusste es einfach.
Konnte das sein? Hier in Freiburg, jetzt? Es war ungeheuerlich. In menschlicher Form und Gestalt saß vor mir jenes, wofür es keinen Namen gibt.
In jenem Moment verfiel ich dieser unendlichen Liebe, ich konnte mich nicht mehr halten, ich konnte nichts mehr denken. Es war, als ob Liebes-Blitze durch den Körper jagten und jeder Blitz bestätigte, dass die Wahrheit, die Wirklichkeit-An-Sich, vor meinen Augen eine menschliche Form angenommen hatte.
Die Veranstaltung kam zum Ende. Ohne Worte kaufte ich vollkommen aufgelöst eine Broschüre in deutscher Sprache, welche Übersetzungsauszüge des Dawn Horse Testament2 enthielt und begann sofort, noch während ich den Raum verließ, zu lesen: „Geliebte, Ich Bin Da“. Ich musste es immer wieder lesen. Es war einfach nicht zu fassen.
Draußen hatte es mittlerweile zu regnen begonnen. Die Lichter der Stadt spiegelten sich auf dem nassen Kopfsteinpflaster, alles leuchtete und strahlte tausendfach. Auf dem Gehsteig kam mir meine Freundin Julia entgegen. Ich musste immer noch lesen. Sie sah mich an, „Deine Augen sind wie Feuerbälle, was ist geschehen?“ Ich konnte kaum sprechen, „es ist zu abgefahren, zu überwältigend, ich kann dir jetzt nichts erzählen!“
Die nächsten Tage und Wochen träumte ich jede Nacht von Adi Da. Beim Erwachen fühlte ich fortwährend Seine Präsens. Das ganze Zimmer war voll von Seiner Gegenwart. Er war wörtlich genommen immer bei mir. Mit Ihm wanderte ich jede Nacht durch einen anderen Raum und eine andere Zeit. Im Traum schien Adi Da jünger zu sein. Er lachte, trieb mich immer wieder an, weiterzugehen, stellte Fragen und erzählte mir alles über die Eigenart dieser Traumplätze, die manchmal nur aus Steinen und Trümmern bestanden, eingefallene Tempel, Steinwüsten, Felsen, Berge, die aber eindeutig ihr Leben in der Vergangenheit hatten, oder in der Zukunft? Diese Art mit Adi Da zu sein erschöpfte mich. Nach zwei Wochen wusste ich, dass ich nie mehr ohne Ihn sein werde, keine Sekunde in meinem Leben und dass ich Seinen Namen nie mehr vergessen würde. Er lachte nur und machte freundliche Witze über mich, der dem allem eine so große Bedeutung gab.
Ich ging weiter wie gewohnt zu meiner Arbeit in einen Bioladen, aber ich musste immer an Ihn denken, an die Kraft, die überwältigende Liebe, die Wahrheit, die Er ausströmte und die Er vollkommen war. Mein Leben war von seiner Gegenwart eingenommen. Eines Tages stand ich alleine im Laden. Während die Regale langsam von einer strahlenden Atmosphäre vereinnahmt wurden, manifestierte sich im Raum aus dem Nichts heraus eine laute Stimme: „Wie lange willst du eigentlich noch so weitermachen?“
Das war zu viel. Schreck und Angst fuhren mir in jede Zelle und die Gewissheit stieg auf, dass diese Begegnung mein ganzes Leben und jede meiner geschätzten Erfahrungen ruinieren würde. Es war zu gefährlich, ich wollte nicht mehr träumen, nicht mehr fühlen, nicht mehr lesen, ich bekam einfach nur Panik und schob Adi Da zur Seite. Ruhe. Abstand.
Einen Monat später, im Januar, reiste ich nach München. Der nächste Ausbildungsblock in Hakomi, eine körperorientierte Psychotherapie, stand auf dem Programm. Im Gruppenraum des Seminarhauses hielten sich schon meine Kollegen und Kolleginnen auf. Die Leiterin des Hauses hatte ihre Bibliothek teilweise leer geräumt und Stapel von Büchern im Zimmer aufgetürmt. Ich ging die zwei Treppen in den Raum hinunter, der etwas tiefer lag, und stürzte an der letzten Stufe kopfüber mitten ins Zimmer und in die Stapel hinein. Langgestreckt lag ich da, unter mir Bücher und das Gesicht auf dem Boden. Perplex vom plötzlichen Sturz stand ich auf. Unter meiner Brust lag ein Buch, das auf dem Umschlag Adi Da als jungen Mann zeigte. Es war seine Autobiographie „Das Knie des Lauschens“. Ich sah Sein Photo und im selben Moment gab ich auf. Mein Widerstand war gebrochen. Ich hatte verstanden und akzeptierte Sein Geschenk, wollte Sein Devotee3 sein, wollte bei Ihm sein, nie mehr ohne Ihn. So lange