Tom Jones. Henry Fielding
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tom Jones - Henry Fielding страница 38
Der fromme Jüngling merkte überdem auch bald, wie herzlich angenehm alle diese Lobreden auf seine Lehrer dem Herrn Alwerth selbst waren, weil sie zugleich das Lob des besondern Erziehungsplans widerhallten, den er entworfen hatte. Denn dieser Mann, dem die Unvollkommenheit unserer öffentlichen Schuleinrichtungen nicht entgangen war und der wußte, wie manchen Verführungen die Knaben darin ausgesetzt sind, hatte beschlossen, seinen Neffen sowohl als den andern Knaben, den er gewissermaßen an Kindesstatt aufgenommen hatte, in seinem eigenen Hause zu erziehen, weil er glaubte, hier würden ihre Sitten unschuldiger und vor allen Gefahren der Verführung, die auf öffentlichen Schulen und Universitäten herumschleichen, gesichert bleiben.
Nachdem er also beschlossen hatte, die Knaben der Aufsicht eines eigenen Hauslehrers zu übergeben, ward ihm zu dieser Stelle Herr Schwöger von einem sehr guten Freunde empfohlen, von dessen Verstande Herr Alwerth eine hohe Meinung hatte und in dessen Redlichkeit er ein großes Vertrauen setzte. Dieser Schwöger lebte seit einiger Zeit auf einer Universität und stand in sehr gutem Rufe wegen seiner Gelehrsamkeit, Religion und sehr anständigen Sitten. Und dies waren ohne Zweifel die Eigenschaften, welche Herrn Alwerths Freund vermocht hatten, ihn bestens zu empfehlen, obgleich dieser Freund aus der Schwögerischen Familie einige Verbindlichkeiten hatte, weil sie aus den angesehensten Personen eines kleinen Marktfleckens bestand, den dieser Herr im Parlamente repräsentierte.
Schwöger war bei seiner ersten Ankunft dem Herrn Alwerth sehr angenehm: und er entsprach auch wirklich dem Zeugnisse, das man ihm gegeben hatte. Bei längerer Bekanntschaft und genauerem Umgang mit ihm sah indes dieser würdige Mann Schwachheiten an dem Lehrer, wovon er ihn frei zu sein gewünscht hätte; da solche gleichwohl von seinen guten Eigenschaften merklich überwogen zu werden schienen, so ließ sich Herr Alwerth dadurch nicht bewegen, ihn wieder zu entlassen, sie wären auch wirklich nicht hinreichend gewesen, ein solches Verfahren zu rechtfertigen. Denn der Leser irrt sich gewaltig, wenn er meint, Schwöger sei dem Herrn Alwerth in eben dem Lichte erschienen, in welchem er ihm selber in dieser Geschichte dargestellt ist, und ebenso sehr irrt er sich, wenn er sich einbildet, die genaueste Bekanntschaft, welche er mit diesem Geistlichen hätte haben können, würde ihn von diesen Dingen unterrichtet haben, welche wir durch unsere Inspiration fähig gemacht sind, zu offenbaren und zu enthüllen. Von solchen Lesern, die aus dergleichen voreiligen Einbildungen die Weisheit und Einsicht des Herrn Alwerth gering schätzen, mache ich mir kein Bedenken, zu sagen, daß sie einen sehr schlechten und undankbaren Gebrauch von der Kenntnis machen, die wir ihnen mitgeteilt haben.
Diese scheinbaren Irrtümer in Schwögers Lehrsätzen dienten großenteils dazu, die entgegengesetzten Irrtümer in den Lehrsätzen des Herrn Quadrat unschädlicher zu machen, die unser würdige Mann nicht weniger sah und mißbilligte. Er dachte in der That, die verschiedenen wilden Auswüchse dieser beiden Männer würden ihre gegenseitigen Unvollkommenheiten verbessern und von beiden mit seinem Beistande vornehmlich würden die beiden Knaben hinreichenden Unterricht zur wahren Religion und Tugend genießen. Wenn der Ausgang seiner Erwartung gar nicht entsprach, so lag das vielleicht an einem Fehler in dem Plane selbst, den der Leser meine Erlaubnis hat, zu entdecken, wenn er kann: denn wir maßen uns nicht an, irgend einen unfehlbaren Charakter in dieser Geschichte aufzuführen, in welcher man, wie wir hoffen, nichts finden soll, welches bis dahin in der menschlichen Natur noch niemals ist gesehen worden.
Also wieder zur Sache! Der Leser wird, denke ich, sich nicht darüber wundern, daß das verschiedene Betragen der beiden Zöglinge die verschiedenen Wirkungen hervorbrachte, wovon wir bereits einige Proben gesehen haben, und nebenher gab es noch eine andere Ursache für das Benehmen des Philosophen und des Pädagogen. Da dies aber eine Sache von großem Belang ist, so wollen wir solche im nächsten Kapitel entwickeln.
Entwickelt eine noch triftigere Ursach der vorerwähnten Meinungen.
Sei es also hierdurch kund gethan, daß diese zwei gelehrten Männer, welche seit einiger Zeit eine ansehnliche Rolle auf der Schaubühne dieser Geschichte gespielt haben, von dem ersten Eintritt in Herrn Alwerths Haus an, eine so große Zuneigung, der eine zu seiner Religion, der andere zu seiner Tugend, gefaßt, daß sie mit ihm in die genaueste Verbindung zu treten beabsichtigt hatten.
Zu diesem Endzweck hatten sie ihre Augen auf jene holde Witwe geworfen, welche, ob wir gleich derselben seit einiger Zeit gar keine Meldung gethan, der Leser, wie wir hoffen, nicht vergessen haben soll. Madame Blifil war wirklich das Kleinod, nach dem sie beide rangen.
Es mag sonderbar scheinen, daß von vier Personen, deren wir in Herrn Alwerths Hause gedacht haben, ihrer drei mit ihrer Neigung auf eine Dame verfielen, die niemals wegen ihrer Schönheit sehr berühmt gewesen war und welche jetzt noch überdem auf der Stufenleiter der Jahre schon ein wenig herabstieg. Nach That und Erfahrung aber haben Busenfreunde und genaue Bekannte eine Art von natürlichem Hange gegen besondere weibliche Personen in dem Hause eines Freundes, als nämlich: gegen dessen Großmutter, Mutter, Schwester, Tochter, Tante, Nichte und Base, wenn sie reich sind, und gegen seine Frau, Schwester, Tochter, Nichte, Bäschen, Maitresse, oder Nähterin oder Stubenmädchen, wenn sie hübsch sein sollten.
Wir möchten indessen unsre Leser nicht zu der Meinung verleiten, als hätten Personen von solchem Charakter, als Schwöger und Quadrat in der Welt vorstellten, sich einer Sache unterziehen wollen, welche von einigen strengen Moralisten fast ein wenig gemißbilligt worden ist, ehe und bevor sie solche nicht von allen Seiten untersucht und überlegt gehabt, ob es, wie Shakespeare sagt:
»Stuff o' th' Conscience«
(Gewissensstoff) sei oder nicht. Schwöger ward zu der Unternehmung durch die Betrachtung aufgemuntert, daß es nirgends verboten ist, die Schwester unsers Nächsten zu begehren, und er wußte die juristische Regel: »Expressum facit cessare Tacitum«, welche so viel sagen will: »Wenn ein Gesetzgeber seinen ganzen Sinn deutlich ausdrückt, so sind wir nicht befugt, ihm unsere eigene Meinung unterzuschieben.« Da nun in dem göttlichen Gesetze, welches uns verbietet, zu begehren, was des Nächsten ist, einige weibliche Benennung angeführt, die Schwester aber ausgelassen ist, so schloß er, sei es erlaubt. Und was Herrn Quadrat anbetrifft, der von Person das war, was man einen artigen Menschen, oder einen Witwen- und Weibermann nennt, so paßte der seine Wahl sehr leicht unter vorher bestimmte Harmonie der Dinge.
Da nun diese Herren alle beide mit großem Fleiß jede Gelegenheit wahrnahmen, sich bei der Witwe beliebt zu machen, so meinten sie, eins von den sichersten Mitteln wäre, wenn sie ihrem Sohne beständig vor dem andern Knaben den Vorzug gäben; und wie sie ferner meinten, die Güte und Wohlgewogenheit, welche Herr Alwerth dem letzten bezeigte, müsse ihr sehr mißfällig sein, so zweifelten sie nicht, es könne ihr nicht anders, als sehr gefallen, wenn sie jeden Anlaß ergriffen, ihn herunterzusetzen und zu demütigen; denn, da sie den Knaben haßte, müßte ihr jedermann lieb sein, der ihm eins versetzte. In diesem nun hatte Schwöger den Vorteil; denn derweile Quadrat den guten Leumund des armen Kindes kaum schrammen konnte, konnte jener ihm das Fell über die Ohren ziehen; und in der That betrachtete er jeden Hieb, den er ihm versetzte, als ein Kompliment, das er seiner Geliebten brächte, so daß er mit der größesten Schicklichkeit jene alte Litanei der Schulrute dabei absingen können: »Castigo te non quod odio habeam, sed quod amem«: »Ich strafe dich nicht aus Haß, sondern weil ich liebe.« Und diesen Spruch führte er wirklich oft im Munde, oder besser, nach der alten Redensart, brachte ihn niemals besser an, als wenn er ihm damit durch Mark und Bein drang.
Aus dieser Ursache hauptsächlich waren die beiden Herrn, wie wir eben gesehen haben, über die beiden jungen Burschen einerlei Meinung; dagegen war's auch das einzige, worüber sie jemals einig waren; denn außer der Verschiedenheit ihrer Systeme,