RedStar. Juryk Barelhaven

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RedStar - Juryk Barelhaven

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„Sie wissen, wer mein Vater ist?“

      Der Agent drehte sich zu den drei Männern und der einzigen Frau um. Die Einsatztruppe bestand aus ehemaligen Söldnern oder Polizisten, die wegen ihres harten Vorgehens in die Rolle genau passten. Ihre Knüppel und Kampfanzüge waren voller Kerben und Flecken, die von einem Leben der Gewalt erzählten. Dazwischen wirkte der aufstrebende Kommissar wie eine frische Bergblume, die aus einem Haufen Geröll emporwuchs.

      Gideon versuchte die Taktik zu ändern: „Was wissen Sie über Mama?“

      Die Rede wirkte wie einstudiert: „Gina „Mama“ Colfex hat Maschinenbau an der Staatlichen Universität studiert und ist Teil der Colfex-Clique. Gesucht wegen Drogenhandel, Menschenraub und Mord. Ein Familienunternehmen, dass ihr Vater schon vor Jahren aufgebaut hat. Knapp vierundvierzig Mitglieder.“ Er holte kurz Luft und hielt trotzig den Blickkontakt. „Sie leidet unter periodischen Anfällen von Angst und Depression. Fehlende Empathie wurde bescheinigt und sie gilt als extrem gewalttätig.“

      Gideon nickte ernst. „Die Clique kocht heute. Das Methamphetamin ist Sache der Polizei. Wir sind einzig und allein an der Familie interessiert. Der Haftbefehl führt halbautomatische Waffen und einige MAC 10s auf, und wer weiß, was sie noch hat. Die Frau ist brandgefährlich. Witwe von Russel Cjungo, dem Schlächter. Ich habe bereits zweimal wegen Verdachts des Menschenhandels gegen sie ermittelt. Das letzte Mal kam sie mit einer 9-Millimeter und drei Magazinen an. Als ob das nicht gereicht hätte, hatte sie Tränengas dabei. Keine Ahnung, mit was sie heute aufwartet.“ Er warf einen Blick zu seinen älteren Kollegen. „Sie hat Boris und Natascha auf den Gewissen.“

      Die Männer nickten ernst. Artjom Penkusch spuckte geräuschvoll aus. Heute würde Blut fließen. Vorsorglich stopften sie sich noch Extramagazine in ihre Taschen.

      „Ich war drei Jahre in Folge Champion im Pistolenschießen bei den Mutterland-Meisterschaften“, erwiderte der Kommissar trotzig. Ihn ärgerten die Blicke der Männer, trotzdem registrierte er, dass niemand wagte, etwas zu sagen. Es war nicht klug den Großen Bruder zu verärgern.

      Gideon runzelte die Stirn. „Schön. Sie wollen dabei sein. Von mir aus. Aber ich höre mir hinterher keine Klagen an, kapiert? Sie bleiben hinter mir. Wir benutzen zuerst Betäubungsgranaten, dann wird scharf geschossen.“ Gekonnt wechselte er das Thema. „Wir wissen, dass ihre Cousins John und Vic in einer Fleischerhalle gerade beschäftigt sind. Team zwei wird sich darum kümmern. Team Drei nimmt sich ihr Zuhause vor. Laut unseres Informanten sitzt die Familie gerade am Tisch zu Abend. Wir schlagen alle gleichzeitig zu. Ihre Schwester Michelle und ihr Sohn Trevor werden da sein. Schnell und sauber. Wenn die Granaten nicht versagen, bekommen wir sie alle lebend.“

      Alle nickten grimmig. Die verhärmten Gesichter ließen den Schluss zu, dass sie lieber ihre ganzen Magazine verballern würden, als die Kriminellen lebend zu fangen. Bei Erfolg mussten sie verhört, versorgt und nach der Verurteilung zum Flugplatz gebracht werden, wo eine Militärmaschine sie nach Nordsibirien brachte. Und hoch im Norden, in der Weite der Tundra, wartete ein ganzes Gefängnis voller Kriminelle auf sie. Selbst bei einer Flucht wartete die Tundra auf sie; mehrere hundert Quadratkilometer Wildnis. Der Gulag war eine Einbahnstraße.

      „X minus zehn Minuten“, meldete sich der Fahrer.

      „Dort, hinter dem LKW“, entgegnete Gideon und wandte sich wieder nach vorne. „Bei x minus drei steigen wir aus und beziehen Position.“

      Der Fahrer fuhr routiniert weiter und sagte, ohne die Mundwinkel zu verziehen: „Es sieht ganz so aus, als wollten heute nicht gerade viele Leute Fisch kaufen. Wir sind da.“

      Die einzige Frau im Bunde schaltete den Computer ein und schickte ein 3D-Bild von der Umgebung in die Mitte des Vans. Das Modell war gestochen scharf und zeigte in verschiedenen Farben, was relevant für die Truppe war. Auf dem Bürgersteig reihten sich unter einer Leinenmarkise Tische und Verkaufsstände mit feucht schimmerndem Fisch. Der Computer markierte die Zivilisten grün und zeigte gerade einen Mann, der mit einem geschwungenen Messer einen Marko-Hai aufschlitzte und den riesigen Fisch mit einer Spritzpistole abspritzte. Da jeder Mensch eine ID in seinem Nacken verpflanzt bekommen hatte, war es für den Computer ein Leichtes die Guten von den Bösen zu unterscheiden. Die ID des Mannes war sauber – seine und die der anderen Zivilisten, die sich in kleinen Grüppchen um die Tische drängten. Es handelte sich überwiegend um Hausfrauen, die zu ihrem allabendlichen Gang über den Markt eintrudelten, die Ware beäugten und an ihr schnupperten.

      In der Halle dahinter sah es anders aus.

      Zehn grün schimmernde Individuen saßen dichtgedrängt an einem Tisch und blickten vertieft in ihre Arbeit, während vier rotmarkierte Personen um sie herumstanden. Gestochen scharf konnte jeder im Van die feinen Gerätschaften ausmachten, die man brauchte, um erstklassige Drogen zu produzieren. Und der Computer meldete einen Treffer.

       Gina „Mama“ Colfex.

      Die ID log nicht.

      „Da ist sie ja“, raunte jemand leise.

      Das Labor grenzte ebenerdig an der Lagerhalle des Fischmarktes an und hatte nur einen Eingang. Die ganze Gegend bestand aus einer Reihe von Geschäften und Warenhäusern an den Flussufern, die zu dieser Zeit nur wenig von Zivilisten besucht wurde. Langsam rollte der Van mit ausgeschalteten Lichtern hinter einem Lkw und blieb schließlich stehen. Er blickte in die Gasse hinunter und winkte jemanden in Zivil zu, der sich ihm schnell näherte.

      „Wer ist das?“

      Gideon wandte sich dem Kommissar zu. „Mamas Frühwarnsystem hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Es ist bis jetzt ihr jedes Mal gelungen zu flüchten und sich mit einem Auto aus dem Staub zu machen. Lorenzo ist ein alter Freund von mir.“ Er stieg aus und unterhielt sich leise mit dem Mann mit den schmächtigen Schultern, der sein Gesicht unter einer Kapuze verborgen hielt. Aus den verspiegelten Fenstern beobachtete der Kommissar, wie der Beamte ihm ein Geldbündel zusteckte. Sofort verschwand der Mann wieder in der Dunkelheit.

      „Jedes Auto im ganzen Block liegt lahm. Wir können“, raunte der Agent leise zum Van und holte seine Kopfhörer vom Sitz. Dabei sprach er in sein Kehlkopfmikro. „X minus drei. Team Zwei und Team Drei, bitte kommen.“ Er nickte knapp und sprach weiter leise ohne dass der Kommissar etwas davon verstand. Die anderen Männer bereiteten sich vor und entsicherten ihre Waffen.

      Schließlich öffnete Gideon die Hecktüren und überreichte dem Jüngeren eine Waffe. „Nehmen Sie diese.“

       Der Kommissar nahm sie entgegen und hielt sie vor sich auf eine Art, wie sie Gangster in amerikanischen Filmen hielten. Gideon bemerkte den gefährlichen Glanz in seinen Augen, sagte aber nichts dazu. „Sie bleiben hinter mir. Boris, du gehst zur Rückseite und wirfst die erste Granate durchs Fenster. Vanja deckt den Nordteil und schaltet die Wache dort aus. Ana wird die Vorderseite nehmen und sie mit Avon eindecken.“ Avon war eine großkalibrige Schrotflinte, die im Nahkampf einen ganzen Raum leerfegen konnte. Extrem gefährlich und endgültig. Die Person namens Ana grinste den Kommissar zu und tätschelte das verchromte Monstrum. „Leute, das haben wir schon oft gemacht – nur heute vor Publikum. Immer lächelnd in die Kamera.“

      Sein ganzes Team wirkte wie ein Rudel hungriger Wölfe, und er sah, dass es gut war.

      Alle nickten stumm, und langsam begann die Gruppe sich zu bewegen.

      Er ging voraus und zog seine Waffe, wohlwissend dass der Gast es versäumt hatte, sein Magazin zu kontrollieren. Tragische Erfahrungen hatten den Wert einer fehlerfreien Rückendeckung nachdrücklich vorgeführt, so dass der Mann dem Kommissar wohlweislich eine Schusswaffe mit einem leeren Magazin gegeben hatte. Sich mit einem Team, das man

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