Mafia - Allmacht einer Holding. Heike Bonin
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Anfang der 1990er entwickelte sich dann das Sinaloa-Kartell, trotz zahlreicher Gefechte mit den verfeindeten Kartellen, zum einflussreichsten Kartell Mexikos. Dies änderte sich, als die Kämpfe intensiver wurden. Besonders die Schmuggelroute über Tijuana nach Kalifornien wurde heftig umkämpft. Es kam vermehrt zu Auseinandersetzungen mit den Arellano-Felix-Brüdern vom Tijuana-Kartell. So entging El Chapo oft nur knapp Attentaten, die auf das Tijuana-Kartell zurückzuführen waren. Immer seltener hielt er sich über längere Zeit an ein und demselben Ort auf. Er nutzte überwiegend Hotelzimmer, blieb oft nur zwei Nächte, um nicht gefunden zu werden. Seine Flucht endete 1993 in Guatemala, wo er gefangen genommen und anschließend in das Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande in Jalisco gebracht wurde.
Infolgedessen war das Sinaloa-Kartell sichtlich geschwächt, auch wenn El Chapo die Geschicke aus der Gefängniszelle fortführen konnte. Nach seinem legendären Ausbruch 2001 fand das Sinaloa-Kartell zu alter Stärke zurück. Besonders während der Amtszeit von Felipe Calderón (2006–2012) wuchs die Macht des Kartells stark an. In der jüngeren Vergangenheit wird es wieder als stärkstes Kartell Mexikos bezeichnet. Während andere Kartelle, besonders das Golf-Kartell und die Los Zetas, brutale Auseinandersetzungen mit den mexikanischen Streitkräften hatten, blieb das Kartell aus Sinaloa weitestgehend verschont. Dies führte zur Vermutung einer geheimen Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Präsident Felipe Calderón und den Führern des Sinaloa-Kartells. Auch der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration wurde eine Kooperation mit dem Kartell unterstellt.
Am 30. Juli 2010 wurde Ignacio „Nacho“ Coronel, einer der drei Anführer des Kartells, von mexikanischen Militärangehörigen getötet. Es war der größte Erfolg der mexikanischen Armee im Kampf gegen das Sinaloa-Kartell seit Beginn des Drogenkrieges.
Am 25. September 2010 wurde mit Margarito Soto Reyes der mutmaßliche Nachfolger von Ignacio Coronel von der Polizei verhaftet.
Am 26. Mai 2011 lieferten sich Angehörige des Sinaloa-Kartells, laut Regierungsangaben, in Ruiz auf der Hauptstraße von Tepic nach Mazatlán mit Mitgliedern der Zetas ein einstündiges Feuergefecht aus fahrenden Autos heraus, bei dem 29 Personen, teilweise mit Kampfanzügen und Schutzwesten bekleidet, getötet wurden. Die Polizei konfiszierte 14 Fahrzeuge, darunter zwei gepanzerte, und zusätzlich Gewehre, Munition und Handgranaten.
Am 22. Februar 2014 wurde El Chapo verhaftet. Als Nachfolger galt nun sein langjähriger Vertrauter Ismael „El Mayo“ Zambada. Eine Woche nach der Festnahme Guzmáns demonstrierten mehrere Tausend Anhänger landesweit für die Freilassung des ehemaligen Anführers des Sinaloa-Kartells. Am 11. Juli 2015 brach El Chapo jedoch zum zweiten Mal aus dem Gefängnis aus.Nach sechsmonatiger Flucht wurde er am 8. Januar 2016 von mexikanischen Marineinfanteristen in Los Mochis, zusammen mit seinem Sicherheitschef, Jorge Iván Gastélum Ávila (alias „El Cholo“), verhaftet und am 19. Januar 2017 an die USA überstellt.
Als mutmaßlicher neuer Kartellführer und Nachfolger El Chapos etablierte sich in einem Machtkampf 2016/17 zunächst Dámaso López Núñez, genannt „El Licenciado“ („Der Akademiker“), ein langjähriger Weggefährte und Berater El Chapos, der im Mai 2017 vom mexikanischen Militär festgenommen wurde. Einige Sicherheitsexperten vermuten, er stecke hinter der Entführung der Söhne von El Chapo im August 2016 und sei mit dem Kartell Jalisco Nueva Generación (CJNG) verbündet, um sich gegen das Lager der Familie Guzmán durchzusetzen, das ihn nicht akzeptierte. Bereits seit 2015 soll das Kartell zwischen Anhängern und Gegnern der Familie El Chapos gespalten sein. Seit Jahresbeginn bis Mai 2017 forderten Auseinandersetzungen zwischen der Fraktion von El Licenciado und seinem Sohn „Mini Lic“ auf der einen und dem Bruder und den Söhnen von El Chapo auf der anderen Seite vor allem an der Pazifikküste Mexikos über 140 Menschenleben.
Nun haben sie einen Kleinen Einblick in die Organisationen erhalten.
Italien ist eins der acht mächtigsten Länder der Welt (G8) und Gründungsmitglied der Europäischen Union. Ihr größtes Unternehmen kontrolliert 14,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - und heißt Mafia.
In den 1970er und 1980er Jahren verging kaum ein Tag, an dem die italienische Presse nicht über die Mafia berichten musste. Mal ging es um die blutigen Kämpfe zwischen den Clans, mal um den Drogen- und Rüstungshandel, mal um die Zusammenarbeit mit „umgelenkten Teilen“ der Geheimdienste und das enge Verhältnis zu korrupten Politikern. Die Liste der Berichte über die Morde an unbequemen Richtern, Journalisten oder Politikern ist lang.
Giuseppe Impastato war ein junger Idealist, der in Cinisi bei Palermo lebte. Er widersetze sich seiner eigenen Familie, weil sie von Mafiosi verseucht war: Der Vater war einer von ihnen. Über einen selbstfinanzierten freien Radiosender berichte Impastato über die Machenschaften der Mafiosi in der Region. Während des Wahlkampfes zu den sizilianischen Kommunalwahlen 1978 setze die Mafia dem jungen Widerstand ein Ende. Beim Warten an einem Bahnübergang wurde Impastato aus seinem Wagen gezerrt, mit einem Stein erschlagen und an die Schienen gefesselt. Anschließend deponierte man einen Sprengsatz neben ihm und zündete diesen fern. Wenig später wurde ein Brief veröffentlicht, der die Tatsache bekräftigen sollte, dass es sich bei der Explosion um einen Selbstmord gehandelt hatte. Impastato wurde 30 Jahre alt.
Ein Jahr später wurden der leitende Polizeibeamte Boris Giuliano und der Ermittlungsrichter Cesare Terranova in Palermo erschossen.
Der ehemalige Präsident der Region Sizilien, Piersanti Mattarella, wurde am 6. Januar 1980 ermordet: Er hatte die Verstrickung zwischen Mafia und Politik (involviert waren auch eigene Parteikollegen) öffentlich verurteilt.
Der General der Carabinieri, Carlo Alberto dalla Chiesa, und seine Frau wurden am 3. September 1982 von der Mafia ermordet. 1983 wurde der Staatsanwalt Rocco Chinnici umgebracht. Er war der Begründer des Antimafia-Pools von Palermo.
Der sizilianische Unternehmer Libero Grassi wurde 1991 getötet, weil er sich öffentlich gegen die Schutzgelderpressungen der Mafia gewehrt hatte. Ein Jahr später wurden die zwei populären Anti-Mafia-Richter samt Eskorte in die Luft gejagt: erst Giovanni Falcone; zwei Monate später sein Freund und Kollege Paolo Borsellino. Ein Jahr nach diesem Anschlag nahm die Polizei einen der Attentäter, Santino di Matteo, fest. Di Matteo begann mit der Justiz zu kooperieren und wurde in staatliches Schutzprogramm für Mafiaaussteiger (Pentiti) aufgenommen. Die Rache der Mafia ließ nicht lange auf sich nicht warten. Sie entführte den zwölfjährigen Giuseppe di Matteo, Sohn von Santino. Nach zwei Jahren Gefangenschaft wurde das Kind erdrosselt. Um die Spuren der Gewalttat zu verwischen, wurde sein Körper in einem Fass Säure aufgelöst.
Vor allem das letzte Beispiel gibt einen Einblick ins Selbstverständnis der Mafia. Sie ist „ein totalitäres System – bestimmt von der Verachtung für das menschliche Leben […] Mafiakultur bedeutet, dass der Einzelne nicht existiert und dass alle Interessen der Mafia untergeordnet sind. Dass es keine Werte gibt, an die man glaubt. Dass ‚Ehre’ und ‚Familie’ nur hohle Floskeln sind, weil stets nur eines zählt: das Weiterbestehen der Mafia. Und dass die Mafia, um dieses Ziel zu erreichen, jeden Einzelnen mit einem ‚Über-Ich’ ausstattet, mit dem Bewusstsein, zu einem auserlesenen Volk zu gehören,“ schreibt die Mafia-Expertin Petra Reski in ihrem neuen Buch „Von Kamen nach Corleone“.
Nur der Cosa Nostra sollen mehr als 5.000 Menschen zum Opfer gefallen sein . Die Tatsache, dass auch viele Polizisten und Richter zu ihnen gehören, zeigt, dass die italienische Justiz in all den Jahren nicht untätig geblieben ist. In dem legendären Maxiprozess war es Giovanni Falcone und Paolo Borselino gelungen, 360 Mafiabosse zu insgesamt 2665 Jahren Haft zu verurteilen [Reski 2010:103]. Als die berüchtigten Paten Totò Riina und Bernardo Provenzano festgenommen wurden, zeigte das italienische Fernsehen