Faust I + II: Gesamtausgabe. Johann Wolfgang von Goethe
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Bist du, Geselle Ein Flüchtling der Hölle? So sieh dies Zeichen Dem sie sich beugen, Die schwarzen Scharen!
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
Verworfnes Wesen! Kannst du ihn lesen? Den nie Entsproßnen, Unausgesprochnen, Durch alle Himmel Gegoßnen, Freventlich Durchstochnen?
Hinter den Ofen gebannt, Schwillt es wie ein Elefant Den ganzen Raum füllt es an, Es will zum Nebel zerfließen. Steige nicht zur Decke hinan! Lege dich zu des Meisters Füßen! Du siehst, daß ich nicht vergebens drohe. Ich versenge dich mit heiliger Lohe! Erwarte nicht Das dreimal glühende Licht! Erwarte nicht Die stärkste von meinen Künsten! (Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)
MEPHISTOPHELES. Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
FAUST. Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.
MEPHISTOPHELES. Ich salutiere den gelehrten Herrn! Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
FAUST. Wie nennst du dich?
MEPHISTOPHELES. Die Frage scheint mir klein Für einen, der das Wort so sehr verachtet, Der, weit entfernt von allem Schein, Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
FAUST. Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen Gewöhnlich aus dem Namen lesen, Wo es sich allzu deutlich weist, Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt. Nun gut, wer bist du denn?
MEPHISTOPHELES. Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
FAUST. Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
MEPHISTOPHELES. Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht; Drum besser wär’s, daß nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz, das Böse nennt, Mein eigentliches Element.
FAUST. Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?
MEPHISTOPHELES. Bescheidne Wahrheit sprech ich dir. Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt Gewöhnlich für ein Ganzes hält, Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt, Verhaftet an den Körpern klebt. Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön, Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange; So, hoff ich, dauert es nicht lange, Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehn.
FAUST. Nun kenn ich deine würd’gen Pflichten! Du kannst im Großen nichts vernichten Und fängst es nun im Kleinen an.
MEPHISTOPHELES. Und freilich ist nicht viel damit getan. Was sich dem Nichts entgegenstellt, Das Etwas, diese plumpe Welt So viel als ich schon unternommen Ich wußte nicht ihr beizukommen Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand; Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, Dem ist nun gar nichts anzuhaben. Wie viele hab ich schon begraben! Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut. So geht es fort, man möchte rasend werden! Der Luft, dem Wasser wie der Erden Entwinden tausend Keime sich, Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! Hätt ich mir nicht die Flamme vorbehalten, Ich hätte nichts Aparts für mich.
FAUST. So setzest du der ewig regen, Der heilsam schaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfaust entgegen, Die sich vergebens tückisch ballt! Was anders suche zu beginnen Des Chaos wunderlicher Sohn!
MEPHISTOPHELES. Wir wollen wirklich uns besinnen, Die nächsten Male mehr davon! Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST. Ich sehe nicht, warum du fragst. Ich habe jetzt dich kennen lernen Besuche nun mich, wie du magst. Hier ist das Fenster, hier die Türe, Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
MEPHISTOPHELES. Gesteh ich’s nur! daß ich hinausspaziere, Verbietet mir ein kleines Hindernis, Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle—
FAUST. Das Pentagramma macht dir Pein? Ei sage mir, du Sohn der Hölle, Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES. Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen. Der eine Winkel, der nach außen zu, Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
FAUST. Das hat der Zufall gut getroffen! Und mein Gefangner wärst denn du? Das ist von ungefähr gelungen!
MEPHISTOPHELES. Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, Die Sache sieht jetzt anders aus. Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
FAUST. Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
MEPHISTOPHELES. ’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster. Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus. Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.
FAUST. Die Hölle selbst hat ihre Rechte? Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt, Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen?
MEPHISTOPHELES. Was man verspricht, das sollst du rein genießen, Dir wird davon nichts abgezwackt. Doch das ist nicht so kurz zu fassen, Und wir besprechen das zunächst Doch jetzo bitt ich, hoch und höchst, Für dieses Mal mich zu entlassen.
FAUST. So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erst gute Mär zu sagen.
MEPHISTOPHELES. Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück; Dann magst du nach Belieben fragen.
FAUST. Ich habe dir nicht nachgestellt, Bist du doch selbst ins Garn gegangen. Den Teufel halte, wer ihn hält! Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.
MEPHISTOPHELES. Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit, Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; Doch mit Bedingnis, dir die Zeit Durch meine Künste würdig zu vertreiben.
FAUST. Ich seh es gern, das steht dir frei; Nur daß die Kunst gefällig sei!
MEPHISTOPHELES. Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen In dieser Stunde mehr gewinnen Als in des Jahres Einerlei. Was dir die zarten Geister singen, Die schönen Bilder, die sie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberspiel. Auch dein Geruch wird sich ergetzen, Dann wirst du deinen Gaumen letzen, Und dann entzückt sich dein Gefühl. Bereitung braucht es nicht voran, Beisammen sind wir, fanget an!
GEISTER. Schwindet, ihr dunkeln Wölbungen droben! Reizender schaue Freundlich der blaue Äther herein! Wären die dunkeln Wolken zerronnen! Sternelein funkeln, Mildere Sonnen Scheinen darein. Himmlischer Söhne Geistige Schöne, Schwankende Beugung Schwebet vorüber. Sehnende Neigung Folget hinüber; Und der Gewänder Flatternde Bänder Decken die Länder, Decken die Laube, Wo sich fürs Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben. Laube bei Laube! Sprossende Ranken! Lastende Traube Stürzt ins Behälter Drängender Kelter, Stürzen in Bächen Schäumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Höhen Hinter sich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genüge Grünender Hügel. Und das Geflügel Schlürfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, Die sich auf Wellen Gauklend bewegen; Wo wir in Chören Jauchzende hören, Über den Auen Tanzende schauen, Die sich im Freien Alle zerstreuen. Einige klimmen Über die Höhen, Andere schwimmen Über die Seen, Andere schweben; Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne, Seliger Huld.
MEPHISTOPHELES.