Skizzenbuch. Mark Twain
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Er puderte mir nun das ganze Gesicht ein, richtete mich in die Höhe, wühlte nachdenklich mit den Händen in meinem Haar und schlug vor, mir die Kopfhaut gründlich zu waschen, das sei ganz notwendig, ganz notwendig! Ich entgegnete, daß ich mir erst gestern im Bade das Haar tüchtig gereinigt hätte. Da war er wieder in der Falle.
Hierauf empfahl er mir »Smiths Haarverschönerungstinktur« und bot mir eine Flasche zum Kauf an. Das schlug ich aus. Nun pries er mir »Jones' Wonne des Toilettentisches« und wollte mir von diesem neuen Wohlgeruch ein Gläschen verkaufen. Aber ich ging nicht darauf ein. Er drang endlich in mich, ein gräßliches Mundwasser seiner eigenen Erfindung mitzunehmen.
Nachdem auch dieser letzte Versuch fehlgeschlagen war, ging er wieder an sein Geschäft, bestreute mich über und über mit Puder, mit Einschluß der Beine, fettete mir die Haare ein, obgleich ich Einsprache dagegen erhob, zog und riß mir dabei eine Menge mit der Wurzel aus, kämmte und bürstete dann den Rest, teilte mir hinten einen Scheitel ab und klebte mir die unvermeidliche, bogenförmige Haarlocke auf die Stirn. Während er mir dann meine dünnen Augenbrauen auskämmte und mit Pomade beschmierte, erging er sich über die Leistungen eines ihm gehörigen schwarz und braun gefleckten Dachshundes bis ich das Pfeifen des Mittagszuges hörte und wußte, daß ich zu demselben fünf Minuten zu spät ankommen würde. Nun nahm er mir das Handtuch ab, wischte mir damit noch einmal über das Gesicht, fuhr mir wieder mit dem Kamm durch die Augenbrauen und rief munter: »Der nächste!«
Wie ein Schnupfen kuriert wird.
Es ist zwar etwas Gutes für die Unterhaltung des Publikums zu schreiben, aber etwas noch weit Höheres und Edleres ist es, wenn man zur Belehrung, zum Nutzen, zum wahren Wohl seiner Mitmenschen schreibt – und das ist der einzige Zweck der folgenden Abhandlung. Wenn es mir gelänge, dadurch auch nur einem Leidenden wieder zur Gesundheit zu verhelfen, das Feuer der Hoffnung und Freude in seinem matten Blick aufs neue zu entzünden und seinem erstorbenen Herzen den raschen, fröhlichen Pulsschlag vergangener Tage zurückzugeben, so wäre mir alle Mühe reichlich vergolten und jene heilige Wonne würde meine Seele durchströmen, welche der Christ fühlt, wenn er eine gute, selbstlose That vollbracht hat.
Da ich stets ein untadeliges Leben geführt habe, bin ich berechtigt zu glauben, daß niemand, der mich kennt, aus Furcht, ich hätte die Absicht ihn zu täuschen, meine Ratschläge zurückweisen wird. Möge das Publikum sich die Ehre anthun, meine hier niedergelegten Erfahrungen bei Behandlung eines Schnupfens zu lesen – und dann meinem Beispiel folgen.
Als das Weiße Haus in Virginia City abbrannte, verlor ich meine Häuslichkeit, meine Behaglichkeit, meine Gesundheit und meinen Koffer. Der Verlust der beiden erstgenannten Artikel war leicht zu verschmerzen; denn eine Häuslichkeit ohne eine Mutter, eine Schwester oder eine entfernte junge Verwandte, welche uns die schmutzige Wäsche wegräumt, unsere Stiefel vom Kaminsims herunternimmt und uns so daran erinnert, daß jemand an uns denkt und für uns sorgt, ist nicht schwer zu finden. Und was meine Behaglichkeit betrifft, so war ich ja kein Dichter und brauchte der Schwermut über ihren Verlust nicht lange nachzuhängen. Aber eine gute Gesundheit zu verlieren und einen noch besseren Koffer, das waren ernstliche Unglücksfälle. Am Tage der Feuersbrunst zog ich mir nämlich infolge der übergroßen Anstrengung, mit welcher ich mich anschickte etwas zu thun, eine starke Erkältung zu.
Als ich das erstemal zu niesen begann, riet mir ein Freund ein warmes Fußbad zu nehmen und dann zu Bette zu gehen. Das that ich. Gleich darauf meinte ein zweiter, ich solle aufstehen und ein kaltes Sturzbad nehmen. Eine Stunde später versicherte mir ein dritter, man müsse einen »Schnupfen füttern und ein Fieber aushungern.« Ich litt an beiden und hielt es daher für das beste, mich des Schnupfens wegen voll und satt zu essen, dann Hausarrest zu nehmen und das Fieber eine Weile hungern zu lassen.
Bei halben Maßregeln lasse ich es in solchem Falle nie bewenden. Ich aß also nach Herzenslust und wendete meine Kundschaft einem Fremden zu, der an jenem Morgen gerade sein Speisehaus eröffnet hatte. Er stand in ehrerbietigem Schweigen dabei, bis ich meinen Schnupfen genug gefüttert hatte und fragte dann, ob die Leute in Virginia City häufig vom Schnupfen befallen würden. Als ich erwiderte das könne wohl möglich sein, ging er hinaus und nahm sein Wirtshausschild ab.
Ich begab mich nun nach dem Bureau und begegnete unterwegs abermals einem vertrauten Freunde, der mir sagte, daß es auf der Welt nichts Wirksameres gäbe, um sich vom Schnupfen zu kurieren, als wenn man ein Quart warmes Salzwasser tränke. Ich zweifelte stark, daß ich noch Platz dafür haben könne, aber versuchen wollte ich es jedenfalls. Der Erfolg war überraschend. Mir war als hätte ich meine unsterbliche Seele von mir gegeben.
Da ich meine Erfahrungen nur zum Nutzen derjenigen niederschreibe, welche von demselben Übel befallen sind wie ich, halte ich es für angemessen, sie vor den Mitteln zu warnen, die sich bei mir als unwirksam erwiesen haben. Aus vollster Überzeugung muß ich ihnen daher raten, sich vor warmem Salzwasser zu hüten. Wenn ich wieder den Schnupfen hätte und mir nur die Wahl bliebe, meine Zuflucht zu einem Erdbeben oder einem Quart Salzwasser zu nehmen, so würde ich mein Heil mit dem Erdbeben versuchen.
Nachdem der Sturm, der in meinem Innern wütete, sich etwas gelegt hatte und da zufällig kein guter Samariter mehr bei der Hand war, borgte ich mir wieder Taschentücher und zerschneuzte sie zu Atomen, wie ich es in den ersten Stadien meines Schnupfens gethan hatte. Dies trieb ich solange, bis ich einer Dame begegnete, die eben von jenseits der Prairie herkam. Sie hatte in einer Gegend gelebt, wo Mangel an Ärzten war und sagte, die Not habe sie gelehrt, einfache Alltagskrankheiten mit vielem Geschick zu behandeln. Ich war überzeugt, daß sie eine lange Erfahrung hinter sich haben müsse, denn sie sah aus, als sei sie hundertfünfzig Jahre alt.
Sie mischte einen Trank aus Sirup, Scheidewasser, Terpentin und allerlei Kräutern zusammen und gab mir die Anweisung, alle Viertelstunde ein Weinglas voll davon zu nehmen. Ich ließ es jedoch bei der ersten Dosis bewenden; sie reichte hin um mich aller moralischen Grundsätze zu berauben und die unwürdigsten Triebe in mir wach zu rufen. Unter ihrem bösartigen Einfluß wälzte ich in meinem Hirn die ungeheuerlichsten und niederträchtigsten Pläne und Entwürfe, aber meine Hand war damals zu schwach, sie auszuführen. Hätten nicht die unfehlbaren Heilmittel für den Schnupfen durch wiederholte Angriffe meine Kräfte völlig erschöpft, ich wäre wahrlich imstande gewesen auf Leichenraub auszugehen.
Wie die meisten andern Leute habe ich zuweilen gemeine Regungen und handle darnach; aber bis zu einem solchen Grade von unmenschlicher Ruchlosigkeit hatte ich es