Skizzenbuch. Mark Twain

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Skizzenbuch - Mark Twain

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hier behalten hättest, um diese Pflichten zu übernehmen, die sie angehen, und nicht mich.«

      »Du solltest dich schämen, Mortimer, eine solche Bemerkung zu machen. Wahrhaftig, wenn du die Kleinigkeiten, um die ich dich bitte, nicht einmal besorgen willst – da doch unser Kind – –«

      »Schon gut, ich will ja alles thun. Aber kein Mensch hört auf mein Läuten. Sie sind wahrscheinlich alle zu Bett gegangen. – Wo steht das Gänsefett?«

      »Auf dem Kamin im Kinderzimmer. Wenn du hingehen willst und mit Marie sprechen – –«

      Ich holte das Gänsefett und schlief wieder ein. Abermals wurde ich gerufen: »Mortimer, es ist mir schrecklich, dich zu stören, aber das Zimmer ist noch immer zu kalt, wenn ich die Einreibung machen soll. Könntest du nicht das Feuer anzünden? Es ist alles zurechtgelegt, du brauchst nur ein Schwefelhölzchen hineinzustecken.«

      Ich kroch aus dem Bett, machte das Feuer an, und setzte mich als Jammergestalt daneben.

      »Mortimer, du erkältest dich zu Tode, wenn du da sitzen bleibst. Komm zu Bett!«

      Ich wollte hineinsteigen, da sagte sie:

      »Nur einen Augenblick! Bitte, gieb dem Kinde noch etwas Arzenei.« – Das that ich, und meine Frau benutzte die Gelegenheit, da die Kleine doch einmal wach war, sie auszuziehen und über und über mit dem Gänsefett einzuschmieren. Bald schlief ich von neuem – aber nicht lange.

      »Mortimer, es zieht irgendwo; ich fühle es ganz deutlich. Nichts ist verhängnisvoller bei solcher Krankheit, als Zugwind. Bitte, stelle das Kinderbett näher ans Feuer.« Das that ich, und verwickelte mich wieder in den Bettteppich, den ich ins Feuer warf. Meine Frau sprang aus dem Bett und rettete ihn, wobei wir etwas an einander gerieten. Nun folgte wieder eine kleine Schlafpause, bis mir befohlen wurde, einen Umschlag von Leinsamen zu machen. Dieser wurde dem Kinde auf die Brust gelegt, um dort seine heilende Wirkung zu üben.

      Ein Holzfeuer hat nicht lange Bestand. Alle zwanzig Minuten stand ich auf, um das unsrige anzufachen und Holz nachzulegen; dadurch verkürzten sich auch die Zwischenräume beim Eingeben der Arzenei um zehn Minuten, was meiner Frau eine große Erleichterung war. Dazwischen erneuerte ich die Umschläge und legte einen Senfteig oder andere Zugpflaster überall da auf, wo noch eine freie Stelle an dem Kinde zu finden war. Endlich, gegen Morgen, war das Holz verbraucht, und meine Frau meinte, ich solle in den Keller gehen, um welches zu holen.

      »Das ist eine schwere Arbeit, liebes Kind,« bemerkte ich. »Der Kleinen ist gewiß warm genug bei ihren vielen Umhüllungen. Wir können ihr ja auch noch eine Lage Brei auflegen und –«

      Ich kam nicht zu Ende, denn ich wurde unterbrochen. Eine Weile schleppte ich Holz herauf und kroch dann wieder in mein Bett. Bald schnarchte ich, wie nur ein Mensch schnarchen kann, der völlig abgemattet ist, an Körper und Geist, Bei Tagesanbruch fühlte ich ein Rütteln an meiner Schulter, was mich schnell zur Besinnung brachte. Meine Frau stand mit stierem Blick vor mir und rang nach Luft. Sobald sie sprechen konnte, sagte sie:

      »Es ist alles aus – alles aus! – Das Kind schwitzt. Was fangen wir an?«

      »Mein Gott, wie du mich erschreckt hast! Ich weiß nicht was ich dir raten soll. Vielleicht wenn wir alles abkratzten und Penelope wieder in den Zug brächten –«

      »Welcher Blödsinn! – Jetzt ist kein Augenblick zu verlieren! Hole den Doktor, schnell! Du mußt selbst gehen. Bringe ihn her, tot oder lebendig.«

      Ich zerrte den armen kranken Mann aus dem Bett und brachte ihn zu uns. Er sah das Kind an und sagte, es läge nicht im Sterben. Das war mir eine unaussprechliche Freude, aber meine Frau wurde so böse, als habe er sie persönlich beleidigt. Dann meinte er, der Husten des Kindes wäre nur durch einen kleinen Reiz in der Kehle verursacht. Wie er das sagte, fürchtete ich fast, meine Frau würde ihm die Thüre weisen. Der Doktor wollte die Kleine nun stärker zum Husten bringen, um die Störung zu beseitigen. Er gab ihr etwas ein, sie hustete heftig, und heraus kam – ein kleiner Holzsplitter.

      »Das Kind hat keine Bräune,« sagte der Arzt. »Es hat an einem Stück Tannenholz gekaut, und ein paar kleine Splitter in den Hals bekommen. Die werden ihm nichts schaden.«

      »Nein,« sagte ich, »das glaube ich auch. Das Terpentin darin ist sogar sehr gut für einige Krankheiten, die bei Kindern vorkommen. Meine Frau kann Ihnen das sagen.«

      Aber das that sie nicht. Sie wendete sich empört von uns ab und verließ das Zimmer. Seit der Zeit ist in unserm ehelichen Leben eine Episode, die wir nie erwähnen. Im übrigen fließt der Strom unserer Tage in ungetrübter Heiterkeit dahin.

      Sehr wenig Ehemänner haben ähnliche Erfahrungen gemacht, wie Herr Mc Williams; deshalb dachte der Verfasser dieses Buches, die Sache würde durch ihre Neuheit vielleicht in den Augen des Lesers ein flüchtiges Interesse erhalten.

vignette

      Frau Mc Williams beim Gewitter.

      Ja, fuhr Herr Mc Williams fort, – dies war nämlich nicht der Anfang seiner Rede – die Furcht vor dem Gewitter ist eine der qualvollsten Schwächen, von denen ein menschliches Wesen heimgesucht sein kann. Sie ist meistens auf Frauen beschränkt, hie und da findet sie sich jedoch auch bei einem kleinen Hunde und manchmal auch bei einem Manne. Es ist eine ganz besonders traurige Schwäche, indem sie einem Menschen den Verstand in höherem Grade raubt, als irgend eine andere Furcht, da sie sich weder durch Vernunftgründe noch durch Beschämung unterdrücken läßt. Eine Frau, die dem Teufel selber ins Gesicht sehen könnte – oder einer Maus – verliert ihre Schneidigkeit und ist rein weg angesichts eines zuckenden Blitzes.

      Also, wie ich Ihnen sagte, ich wachte auf an dem halberstickten von irgendwo herkommenden Schrei: »Mortimer, Mortimer!« Sobald ich meine fünf Sinne zusammenfassen konnte, richtete ich mich in der Dunkelheit auf und antwortete:

      »Evangeline, rufst du? was giebt's? wo bist du?«

      »In die Wäschekammer eingeschlossen! Du solltest dich schämen, dazuliegen und so zu schlafen, während solch ein fürchterliches Gewitter losbricht.«

      »Nun, wie kann man sich denn schämen, wenn man schläft? Das hat ja keinen Sinn; ein Mensch kann sich nicht schämen, derweilen er schläft, Evangeline.«

      »Das thust du freilich nie, Mortimer, das weiß ich wohl!«

      Ich vernahm den Laut unterdrückten Schluchzens. Dieser Klang machte die scharfe Rede, die sich auf meine Lippen drängte, ersterben und ich ließ mich statt dessen folgendermaßen vernehmen:

      »Es thut mir leid, Liebe, es thut mir wirklich leid. Ich wollte es nicht thun, – komm heraus und –«

      »Mortimer!«

      »Himmel, was giebt's, mein Schatz?«

      »Ich glaube gar, daß du noch im Bett liegst.«

      »Warum nicht? natürlich.«

      »Augenblicklich stehe auf. Ich dächte, du solltest doch ein klein wenig acht auf dein Leben geben, um meinet- und der Kinder willen, wenn nicht schon um deinetwillen.«

      »Aber lieber Schatz –«

      »Hör auf, Mortimer, du weißt, bei einem solchen Gewitter ist der

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