Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens

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      Eine Menge Orangen und Halbpence, die ohne Unterschied jedem der jungen Toodles zugesteckt wurden, zügelte das erste Ungestüm ihres Schmerzes, und die Familie wurde schleunigst in die Droschke, welche noch immer vor dem Hause wartete, gepackt und nach Hause gesandt. Unter der Obhut Jemimas verbarrikadierten die Kinder mit ihren Köpfen das Droschkenfenster und ließen während des ganzen Weges ihre Orangen und Halbpence hinausfallen. Mr. Toodle zog es vor, zwischen den Spitzen des Kutschenbretts zu sitzen, weil er diese Fahrweise gewohnt war.

       Drittes Kapitel. IN WELCHEM SICH MR. DOMBEY ALS MANN UND VATER AN DER SPITZE SEINES HAUSWESENS ZEIGT.

      Das Begräbnis der verstorbenen Frau war vorüber – zur völligen Zufriedenheit des Bestatters sowohl, als auch der Nachbarschaft im allgemeinen, die in derartigen Punkten sehr eigen ist und gar gerne an jedem Unterlassungs- oder Verkürzungsfall der Feierlichkeiten Anstoß nimmt; die verschiedenen Glieder von Mr. Dombeys Hauswesen konnten also ihre Plätze wieder einnehmen. Eine solche kleine Welt ist, ebenso wie die große draußen, geeignet, ihre Toten gar bald zu vergessen, und nachdem die Köchin die Selige für eine gute Dame erklärt, die Haushälterin ihre Meinung dahin abgegeben, daß Sterben das gemeinsame Los sei, der Kellermeister sich gewundert und gefragt, wer das auch gedacht hätte, die Hausmagd erklärt, daß sie es kaum glauben könne, und der Diener gesagt hatte, der Vorfall komme ihm wie ein Traum vor, war der Gegenstand für sie einstweilen erledigt, und sie dachten daran, daß die Trauer zuletzt langweilig werden würde.

      Für Richards, die wie eine ehrenwerte Gefangene eine Treppe hoch einquartiert worden war, begann der nächste Morgen kalt und grau. Mr. Dombeys großes Haus stand auf der Schattenseite einer langen, düsteren, traurig vornehmen Straße in der Gegend zwischen Portland-Place und Bryanstone-Square. Es war ein Eckhaus, hatte große weite Höfe, Keller mit vergitterten Fenstern und schielte einen durch schiefäugige Türen an, die zu Staubbehältern führten. Es war ein unheimliches, mit einer halbkreisförmigen Hinterseite versehenes Haus, und die Besuchzimmer gingen auf einen Kieshof hinaus, wo zwei hagere Bäume mit geschwärzten Stämmen und Zweigen standen, deren vom Rauch ausgetrocknete Blätter eher rasselten als rauschten. Die Mittagssonne sandte ihre Strahlen nie in diese Straße, sondern kam nur morgens um die Frühstückszeit mit den Wasserkarren, den Kleidertrödlern, den Blumenverkäufern, den Schirmflickern und dem Mann, der während seiner Wanderung die Schwarzwälderuhr schlagen ließ, war aber bald wieder verschwunden, um sich an diesem Tage nicht mehr blicken zu lassen. Die Musikbanden und die Puppenspieler zogen ihr nach, um den Platz den unheimlichen Drehorgeln und den weißen Mäusen, hin und wieder auch zur Abwechslung einem Stachelschweine als Beute zu überlassen, bis die Diener, deren Familien auswärts speisten, im Zwielicht unter die Haustüren traten und der Laternenanzünder jeden Abend einen vergeblichen Versuch machte, die Straßen durch Gaslicht zu erhellen.

      Innen war das Haus ebenso öde wie außen. Nachdem das Begräbnis vorüber war, erteilte Mr. Dombey Befehl, alle Möbel zu verhüllen – vielleicht, um sie für den Sohn, an den sich alle seine Pläne knüpften, aufzubewahren – und aus den Zimmern, mit Ausnahme derjenigen, die er im Erdgeschoß selbst bewohnen wollte, alle Ziergegenstände zu entfernen. Tische und Stühle, die mitten im Zimmer einfach zusammengehäuft und mit großen Tüchern bedeckt wurden, nahmen geheimnisvolle Formen an. Die Klingelhandgriffe, die Jalousien und die Spiegel erhielten eine Umhüllung aus Zeitungspapier, in denen sich fragmentarische Berichte über Todesfälle und schreckliche Mordtaten unwillkürlich dem Beschauer aufdrängten. Sämtliche Kronleuchter sahen, in Leinwand gehüllt, wie ungeheure Tränen aus, die von der Decke herabhingen. Aus den Kaminen drangen Gerüche wie aus Gewölben und feuchten Plätzen hervor. Die tote und begrabene Dame blickte unheimlich aus einem Bilderrahmen, der eine geisterhafte Umhüllung erhalten hatte, nieder. Jeder Windstoß wirbelte aus den benachbarten Pferdeställen um die Ecke herum etwas von dem Stroh, das man vor das Haus gestreut hatte, als sie noch krank war, und das noch immer in verwitterten Überresten an den Pflastersteinen der Nachbarschaft klebte. Diese Überbleibsel wurden nun stets vermöge einer unsichtbaren Anziehung nach der Schwelle des Hauses, das unmittelbar gegenüber zu vermieten war, geweht, und richteten ihre unheimliche Beredsamkeit gegen Mr. Dombeys Fenster.

      Die Gemächer, die Mr. Dombey sich für den eigenen Gebrauch vorbehalten hatte, waren alle von der Halle aus zu betreten und bestanden aus einem Wohnzimmer, aus einer sogenannten Bibliothek, die aber in Wirklichkeit ein Ankleidezimmer war, so daß sich der Geruch von heißgepreßtem Papier, Pergament, Maroquin und Juchten mit dem Geruch mehrerer Stiefelpaare stritt, und einer Art Speisekammer oder einem kleinen verglasten Frühstückszimmer jenseits, das eine Aussicht auf die vorerwähnten Bäume und in der Regel auch auf etliche herumschleichende Katzen bot. Diese drei Zimmer gingen ineinander. Morgens, wenn Mr. Dombey in einem der beiden zuerst genannten Gemächer beim Frühstück saß, oder nachmittags, wenn er zum Diner nach Hause kam, wurde eine Klingel gezogen, die Richards nach dem verglasten Gemach rief, wo sie mit ihrem jungen Pflegling auf und ab gehen mußte. Aus den Blicken, die sie zu solchen Zeiten nach Mr. Dombey hingleiten ließ, der hinten im Zimmer saß und hinter einem der dunkeln, schwerfälligen Möbel hervor nach dem Kinde sah – das Haus war vor Jahren von seinem Vater bewohnt worden, und manche Gegenstände machten einen geradezu finsteren und altmodischen Eindruck –, begann sie sich Vorstellungen über seinen einsamen Zustand zu machen, und es kam ihr vor, als sei er ein einsamer Gefangener in einer Zelle, oder eine seltsame Erscheinung, die nicht angeredet oder näher betrachtet werden durfte.

      Die Amme des kleinen Paul Dombey hatte schon mehrere Wochen ihr einsames Leben geführt und ihren Paul umhergetragen. Eines Tages war sie nach einem melancholischen Spaziergang durch die traurigen Prunkgemächer (sie ging nämlich nie ohne Mrs. Chick aus, die, gewöhnlich vom Miß Tox begleitet, an schönen Vormittagen vorzusprechen pflegte, um sie und ihren Säugling an die Luft zu führen, oder mit andern Worten, sie wie eine wandelnde Trauer gravitätisch auf dem Pflaster hin und her traben zu lassen) nach ihrem obern Stübchen zurückgekehrt und hatte gerade Platz genommen, als die Tür sich langsam öffnete und ein schwarzäugiges kleines Mädchen hereinsah.

      »Ohne Zweifel ist es Miß Florence, die von ihrer Tante nach Haus zurückgekommen ist«, dachte Richards, die das Kind nie zuvor gesehen hatte. »Freut mich, Euch wohl zu sehen, Miß.«

      »Ist das mein Bruder?« fragte das Kind und zeigte auf den Säugling.

      »Ja, mein Töchterchen«, antwortete Richards. »Kommt her und küßt ihn.«

      Statt aber näher heranzutreten, sah ihr das Kind ernst ins Gesicht und sagte:

      »Was habt Ihr mit meiner Mama gemacht?«

      »Gott segne das kleine Geschöpf!« rief Richards, »welch betrübte Frage! Was ich mit Eurer Mama gemacht habe? Nichts, Miß.«

      »Was hat man mit meiner Mama angefangen?« fragte das Kind.

      »In meinem Leben hat mich noch nichts so ergriffen«, sagte Richards, die sich natürlich an Stelle dieses Kindes eines ihrer eigenen dachte, das unter ähnlichen Umständen nach ihr fragte. »Kommt nur näher heran, meine teure Miß! Ihr braucht Euch nicht vor mir zu fürchten.«

      »Ich fürchte mich nicht vor Euch«, sagte das Kind, näher tretend. »Aber ich möchte wissen, was man mit meiner Mama angefangen hat.«

      »Mein Herzchen«, entgegnete Richards, »Ihr tragt dieses hübsche schwarze Kleidchen zur Erinnerung an Eure Mama.«

      »Ich kann mich in jedem Kleide an meine Mama erinnern«, erwiderte das Kind und Tränen traten ihm in die Augen.

      »Aber die Leute kleiden sich schwarz zum Gedächtnis der Personen, die dahingegangen sind.«

      »Wohin gegangen?« fragte das Kind.

      »Kommt und setzt

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